1074/J XXVIII. GP
Eingelangt am 11.04.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten Christian Hafenecker, MA
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Welche Österreicher stehen auf den „Listen der ukrainischen Staats-feinde“?
Seit dem Jahr 2014 wird in der Ukraine die Webseite „Mirotvorec“ („Friedenstruppe“) betrieben. Auf dieser aus dem Dunstkreis des ukrainischen Innenministeriums entstandenen Seite werden sogenannte „Staatsfeinde der Ukraine“ öffentlich gelistet und das mit sämtlichen verfügbaren personenbezogenen Daten (Foto, Geburtsdatum, Passnummer, Adresse usw.). Ziel dieses Onlineprangers ist es offenbar, die als „Feinde der Ukraine“ beschuldigten Personen für vogelfrei zu erklären. Auch von einer öffentlichen „Todesliste“ ist in diesem Zusammenhang die Rede, immerhin kommt es zu einer Benennung von Menschen in der Rubrik „Fegefeuer“, die einen Aufruf zu politisch motivierter Gewalt darstellt.[1] Bis zu 200.000 Namen vermeintlicher „Feinde der Ukraine“ im In- und Ausland sollen jedenfalls bereits gelistet sein. Im Plenarprotokoll 18/227 des Deutschen Bundestages vom 29. März 2017 ist dazu zu lesen:
„Nach der Veröffentlichung von Daten auf dieser Webseite sind zwei regierungskritische Personen in der Ukraine ermordet worden. Dort gibt es eine Rubrik unter dem Namen ‚Fegefeuer‘. In dieser Rubrik sind die auch von Ihnen [Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt] genannten deutschen Journalisten und Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit persönlichen Daten aufgeführt.“[2]
Bereits im Jahr 2019 verurteilte etwa die deutsche Bundesregierung in aller Deutlichkeit die Existenz besagter Seite und forderte von der ukrainischen Regierung und den ukrainischen Behörden eine Löschung dieser ein.[3] Ein ähnliches Vorgehen seitens österreichischer Offizieller ist bisher nicht bekannt.
Und das, obwohl sich auf diesem Online-Pranger nicht nur Privatpersonen, sondern auch Journalisten und Politiker, bis hin zu Staatsoberhäuptern, darunter etwa Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, befinden.[4] Besonders bedenklich erscheint jedenfalls der Umstand, dass auch zahlreiche österreichische Staatsbürger genannt werden. So landete etwa der ORF-Auslandskorrespondent Christian Wehrschütz im Jahr 2019 als „potentieller Staatsfeind der Ukraine“ auf dieser Liste.[5]
Wie das Onlineportal „DerStatus“ berichtet, scheinen auf einem noch radikaleren Ableger von „Mirotvorec“, der Seite „Molfar“, dutzende (hochrangige) heimische Politiker namentlich auf. Sogar versuchte Mordanschläge soll es „dank“ der Listen bereits gegeben haben:
„Dabei sei ‚Molfar‘ noch gefährlicher als die berüchtigte Todeslisten-Seite ‚Mirotworez‘ sein, die bereits vor dem Krieg fast 200.000 Namen vermeintlicher ‚Feinde der Ukraine‘ im In- und Ausland auflistete und bereits 2015 als Informationsquelle zur Liquidierung Oppositioneller genutzt wurde. Denn diesmal sind nicht nur die ukrainische Regierung und der SBU beteiligt, sondern auch internationale Dienste: Laut ‚The Intel Drop‘ soll der britische Geheimdienst MI6 veranlasst haben, dass dort unter anderem ‚NATO-Kritiker, Aufdecker der Machenschaften des Selenski-Regimes, Corona-Kritiker, EU-Kritiker, konservative Blogger & Journalisten‘ aufgelistet werden.
Mordanschlag gegen FPÖ-Politiker geplant
Dabei gab es im Darkweb bereits Angebote, gelistete Personen gegen Bezahlung zu eliminieren. Es geht also längst nicht mehr um Feindmarkierung, sondern um die Beseitigung von Kritikern. Laut ‚The Intel Drop‘ gab es vier gescheiterte Anschlagsversuche. Neben zwei kritischen Journalisten aus den USA & Belgien sollen diese den holländischen Rechtspolitiker Thierry Baudet sowie den österreichischen EU-Abgeordneten Roman Haider (FPÖ) betroffen haben. Auf der Feindes- & Todesliste landete Haider, weil er in einer Rede die Sorge kundtat, dass der Ausstieg aus russischem Gas die österreichische Wirtschaft ruinieren könnte. Viktor Orbán dürfte aus ähnlichen Gründen gelistet sein.
Haider ist nicht der einzige gelistete deutschsprachige Politiker: Auch FPÖ-Chef Herbert Kickl, Ex-Außenministerin Karin Kneissl, FPÖ-EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky, AfD-Politiker Jurij Kofner und KPÖ-Landespolitiker Werner Murgg tauchen auf ‚Molfar‘ auf. Auch alternative Medienschaffende sind im Visier: Etwa Thomas Röper, Alina Lipp, Alexander Markovics oder Stefan Magnet. Dazu kommen internationale Kollegen wie Candace Owens, Tucker Carlson, George Galloway oder Max Blumenthal. Auch Uni-Professorin Ulrike Guérot ist gelistet. Allen ist gemein, dass sie westliche Interessen in der Ukraine kritisierten. Elon Musk feite hingegen nicht einmal die Bereitstellung seines Satelliten-Internets vor der Auflistung.“[6]
Wie „DerStatus“ weiter berichtete, soll „Molfar“ finanziell dabei unter anderem von „European Endowment for Democracy“ (EED) unterstütz werden. Dieses finanziert sich aus Mitteln der EU-Kommission und EU-Mitgliedsstaaten. Es erscheint geradezu perfide, dass eine offenbar EU-finanzierte Seite Mitverantwortung auf Anschlagspläne auf einen freiheitlichen EU-Abgeordneten trägt.
Brisant ist auch, dass laut diversen Berichten viele öffentlich gemachte Informationen nur den internen ukrainischen Sicherheitsdiensten zugänglich sind, sodass die Vermutung naheliegt, dass sie den genannten Portalen proaktiv zugespielt wurden.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Inneres nachstehende
Anfrage
1. Gab es bisher eine öffentliche Verurteilung der „Mirotworez“-Datenbank sowie der Seite „Molfnar“ durch die österreichische Bundesregierung oder österreichische Regierungsvertreter?
a. Wenn ja, wann und in welcher Form?
b. Wenn nein, warum nicht und ist dies geplant?
2. Wurde auf die ukrainische Regierung und die ukrainischen Behörden auf Löschung dieser Seiten oder zumindest der Daten österreichischer Staats-bürger hingewirkt?
a. Wenn ja, wie konkret?
b. Wenn nein, warum nicht?
c. Wurde diesbezüglich der ukrainische Botschafter in Wien einbestellt?
i. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, warum nicht?
d. Ist der österreichischen Botschaft in Kiew vorliegender Sachverhalt bekannt?
i. Wenn nein, warum nicht?
ii. Wenn ja, was unternimmt die Botschaft in Kiew konkret, um dagegen vorzugehen?
e. Wie lautet die offizielle Stellungnahme/Rechtfertigung der ukrainischen Regierung zur Existenz besagter Seiten?
f. Wurden nach Kenntnis Ihres Ressorts innerhalb und außerhalb der Ukraine Verfahren gegen genannte Seiten eingeleitet?
g. Haben Sie bzw. hat Ihr Ressort besagte Webseiten und die Veröffentlichung personenbezogener Daten österreichischer Staats-bürger in Gesprächen mit Vertretern der Ukraine thematisiert?
i. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, warum nicht?
h. Welche Behörden, Stellen, Dienste, Institutionen bzw. Organisationen in der Ukraine benutzen nach Kenntnis Ihres Ressorts die auf besagten Webseiten veröffentlichten personenbezogenen Daten, und mit welchem Zweck?
3. Haben österreichische Regierungsvertreter auf die Deklarierung von ORF-Korrespondent Wehrschütz als „Staatsfeind der Ukraine“ in irgendeiner Art und Weise reagiert?
4. Sind Ihrem Ressort besagte Seiten und Listen bekannt und zugänglich?
a. Was wird seitens Ihres Ressorts und der DSN konkret unternommen, um gegen die Seiten und damit verbundene Fahndungs- und Todeslisten vorzugehen?
b. Steht oder stand Ihr Ressort bzw. die DSN mit betroffenen Österreichern, die auf diesen Listen/Seiten genannt werden, diesbezüglich in Kontakt?
c. Verfügt Ihr Ressort bzw. die DSN über eine Strategie oder Maßnahmen zum Umgang mit diesen Listen?
5. Ist Ihrem Ressort bekannt, dass zumindest die Seite "Molfar" unter anderem vom „European Endowment for Democracy“ (EED) unterstützt wird?
6. Ist Ihrem Ressort bzw. der DSN bekannt, welche österreichischen Politiker sich auf genannten Webseiten und Listen wiederfinden (Bitte um Nennung)?
a. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese zu schützen?
7. Ist Ihrem Ressort bzw. der DSN bekannt, wie viele österreichische Staatsbürger auf genannten Webseiten und Listen gelistet sind?
a. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um diese zu schützen?
b. Hat Ihr Ressort auf technischer Ebene Kenntnis von Maßnahmen zum Schutz von österreichischen Staatsbürgern, deren persönliche Daten auf besagten Seiten enthalten sind?
8. Sind Ihrem Ressort bzw. der DSN Anschlagspläne gegen Roman Haider und/oder andere heimische Politiker bekannt, die sich aus den Informationen besagter Seiten ergaben?
a. Wenn ja, haben Sie bzw. hat Ihr Ressort diese Vorfälle in Gesprächen mit Vertretern der Ukraine thematisiert?
i. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
ii. Wenn nein, warum nicht?
9. Inwiefern sieht die Bundesregierung, respektive Ihr Ressort, durch die Fälle „Mirotworez“ und „Molfnar“ die österreichisch-ukrainischen Beziehungen belastet?
a. Ist die Bundesregierung bereit, finanzielle und auch sonstige Hilfen für die Ukraine zurückzunehmen oder zu stoppen, solange es seitens der Regierung in Kiew keine Bereitschaft gibt, gegen besagte Seiten und die Veröffentlichung personenbezogener Daten österreichischer Staats-bürger, insbesondere Journalisten und Politiker, vorzugehen?
Sollten einzelne Antworten einer Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung unterliegen, wird ersucht, diese unter Einhaltung des Informationsordnungsgesetzes klassifiziert zu beantworten.
[1] https://myrotvorets.center/criminal/
[2] https://dserver.bundestag.de/btp/18/18227.pdf, S. 28
[3] https://www.bundestag.de/webarchiv/presse/hib/2019_08/653556-653556
[4] https://ungarnheute.hu/news/auch-viktor-orban-steht-auf-der-liste-der-feinde-der-ukraine-23902/
[5] https://kurier.at/politik/ausland/orf-korrespondent-wehrschuetz-auf-staatsfeindeliste-in-ukraine/400404239
[6] https://derstatus.at/politik/eu-geheimdienste-am-werk-kickl-journalisten-auf-ukraine-todesliste-2036.html