1131/J XXVIII. GP
Eingelangt am 16.04.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend föderale Strukturen und Unterschiede im Rettungswesen sowie deren Auswirkungen auf die Sicherheit von Patient:innen
Das österreichische Rettungswesen ist stark föderal geprägt: Neun Landesgesetze regeln jeweils eigenständig Organisation, Befugnisse und Standards – mit teils gravierenden Unterschieden in der operativen Umsetzung. Diese strukturelle Zersplitterung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität, Sicherheit und Gleichwertigkeit der präklinischen Versorgung von Patient:innen.
Während Sanitäter:innen und Notfallsanitäter:innen in manchen Bundesländern eine Reihe von medizinischen Maßnahmen durchführen dürfen, sind sie in anderen Ländern auf deutlich restriktivere Kompetenzen beschränkt. Ebenso variiert die Ausbildungstiefe, der Zugang zu Medikamenten, die Zusammensetzung der Rettungsmittelbesatzung sowie die Qualitätssicherung. Das bedeutet konkret: Die Versorgungsrealität einer Patientin in Neusiedl am See unterscheidet sich potenziell stark von jener eines Patienten in Attnang-Puchheim – obwohl beide das gleiche akute medizinische Problem haben.
Diese Ungleichbehandlung betrifft nicht nur Patient:innen, sondern auch das eingesetzte Rettungsdienstpersonal – insbesondere in Hinblick auf Arbeitsmittel, rechtliche Sicherheit und Ausbildungsmöglichkeiten. Zudem zeigt sich eine zunehmende Fragmentierung zwischen Trägerorganisationen, selbst innerhalb einzelner Bundesländer.
Ein modernes und gerechtes Rettungswesen muss diesen Herausforderungen mit bundeseinheitlichen Standards, Qualitätskriterien und fairer Finanzierung begegnen. Die vorliegende parlamentarische Anfrage soll daher zur Versachlichung der Debatte beitragen und die Rolle des Bundes bei der zukünftigen Entwicklung des Rettungswesens in Österreich beleuchten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
Rechtliche Rahmenbedingungen und Befugnisse
1. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass es in Österreich neun unterschiedliche Landesgesetze für das Rettungswesen gibt, die zu teils völlig unterschiedlichen Befugnissen von Rettungs- und Notfallsanitäter:innen führen?
2. Patient:innen in Neusiedl am See (BGLD), Waidhofen an der Thaya (NÖ), Attnang-Puchheim (OÖ) oder Nüziders (Vbg.) sollten unabhängig vom Standort eine gleichwertige Versorgung erhalten. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der Gesetzgeber zwar klar festgehalten hat, dass Notfallpatient:innen durch Notfallsanitäter:innen zu versorgen sind, dies in den 9 Bundesländern aber jeweils unterschiedlich gehandhabt wird und damit faktisch eine uneinheitliche Versorgungsqualität existiert?
3. Welche Maßnahmen plant das Ministerium, um sicherzustellen, dass in allen Bundesländern sämtliche gesetzlich vorgesehenen Ausbildungsstufen ausreichend ausgebildet und die Kompetenzen im Einsatz auch entsprechend genutzt werden?
4. Gibt es Überlegungen, bundeseinheitliche Mindeststandards hinsichtlich der Quote an Notfallsanitäter:innen (z. B. pro 10.000 Einwohner:innen), der Ausstattung von Fahrzeugen und der Besatzung von Rettungsmitteln einzuführen?
Medikamentenlisten und ärztliche Anordnungen
5. Halten Sie es für zulässig, dass bundeslandspezifische Arzneimittellisten eine adäquate Schmerztherapie durch Notfallsanitäter:innen in einem Bundesland ermöglichen, während sie in einem anderen ausschließlich Notärzt:innen vorbehalten bleibt?
6. Welche Schritte werden unternommen, um eine Vereinheitlichung der Medikamentenlisten und der ärztlichen Anordnungen zu fördern?
7. Wie wird sichergestellt, dass Notfallsanitäter:innen in allen Bundesländern über vergleichbare Kompetenzen verfügen, insbesondere im Hinblick auf Maßnahmen wie Medikamentengabe oder invasive Kompetenzen wie zum Beispiel die gesetzlich vorgeschriebene notärztliche Verständigung bei Arzneimittelgabe, die jeweils unterschiedlich geregelt ist oder die besondere Notfallkompetenz „Beatmung und Intubation“, die in den wenigsten Bundesländern freigegeben ist?
Auswirkungen auf die Patient:innen- und Mitarbeiter:innensicherheit
8. Welche Erkenntnisse liegen dem Ministerium über die Auswirkungen der föderalen Unterschiede im Rettungswesen auf die Sicherheit und Versorgungsqualität von Patient:innen des Rettungsdienstes vor (z.B. Outcome nach einem akuten Kreislaufstillstand, Schlaganfall etc.)?
9. Gibt es nationale oder internationale Studien, die Ihnen bekannt sind, die belegen, dass regionale Unterschiede im Rettungsdienstsystem zu Benachteiligungen von Patient:innen führen können? Falls ja, welche?
10. Welche Maßnahmen setzt das Ministerium, um zu verhindern, dass föderale Unterschiede zu einer Gefährdung oder Ungleichbehandlung von Patient:innen führen?
11. Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass Unterschiede bei den erteilten Befugnissen von Sanitäter:innen in verschiedenen Blaulichtorganisationen nicht zu einer Ungleichbehandlung oder zur Gefährdung von Patient:innen führen? (Beispiel Linz: ASBOÖ vs. RKOÖ)
12. Inwieweit werden seitens des Ministeriums Daten erhoben, wann und wo Mitarbeiter:innen des Rettungsdienstes in Ermangelung von z.B. adäquaten Arbeitsmitteln ihre eigene Gesundheit gefährden bzw. mangels Ausrüstung Patient:innen nicht entsprechend versorgen können?
Ausbildung und Qualitätssicherung
13. Wie wird gewährleistet, dass die Ausbildung von Rettungs- und Notfallsanitäter:innen in allen Bundesländern einheitlich hohen Standards entspricht?
14. Welche Rolle spielt das Ministerium bei der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung und Überwachung der Ausbildungsrichtlinien für Sanitäter:innen? Gibt es Pläne zur Einrichtung einer trägerunabhängigen Stelle zur Qualitätssicherung im Rettungsdienst analog dem Modell „Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Tirol“?
15. Gibt es Pläne zur Einrichtung einer trägerunabhängigen Ombudsstelle für Beschwerden von Patient:innen oder Mitarbeiter:innen und Freiwillige?
16. Gibt es Pläne zur Einführung eines nationalen Registers für Sanitäter:innen, um Transparenz und Vergleichbarkeit zu schaffen?
Finanzierung und Organisation
17. Wie beurteilen Sie das gegenwärtige Organisations- und Finanzierungsmodell des Rettungswesens und dessen heterogene Ausgestaltung in den Bundesländern (z.B. Vorhaltekosten durch Länder/Rettungsfonds vs. Gemeindefinanzierung, gedeckelte Transportkostenvergütung durch die ÖGK)?
18. Gibt es Überlegungen zur Schaffung eines bundesweiten Finanzierungsmodells, um Versorgungsgerechtigkeit österreichweit sicherzustellen?
19. Welche Rolle spielt das Ministerium bei der Koordination zwischen Bund und Ländern zur Verbesserung der Effizienz und Qualität des Rettungswesens?
20. Wie beurteilen Sie die Notwendigkeit einer österreichweiten Reform des Rettungswesens, insbesondere des Sanitätergesetzes angesichts der jüngsten kritischen Landesrechnungshofberichte aus Vorarlberg, der Steiermark, dem Burgenland, Oberösterreich sowie Wien?
Internationale Vergleiche
21. In anderen föderalen Staaten wie Deutschland wurden bereits einheitliche Versorgungsstrukturen eingeführt – welche Lehren können aus diesen Beispielen gezogen werden?
22. Gibt es Bestrebungen, internationale Best Practices im österreichischen Rettungswesen umzusetzen? Wenn ja, welche können Sie hier nennen?
Perspektiven für eine Reform
23. Welche konkreten Reformpläne verfolgt das Ministerium hinsichtlich einer möglichen Harmonisierung der föderalen Strukturen im Rettungswesen?
24. Wie wird sichergestellt, dass relevante Stakeholder – nicht nur Länder und Trägerorganisationen – in Reformprozesse eingebunden werden?
25. Wie möchte das Ministerium die gegenwärtigen Konfliktlinien in der Novellierung des Sanitätergesetzes entlang der Themen Freiwilligkeit und Finanzierung einer Lösung zuführen?
26. Inwiefern sieht das Ministerium Bedarf, künftig eine dreijährige Ausbildung zum/zur Notfallsanitäter:in anzubieten, um insbesondere angesichts demographischer Veränderungen neue Versorgungspfade anbieten zu können und Notärzt:innen zu entlasten?
27. Welchen Beitrag können dreijährig ausgebildete Notfallsanitäter:innen im Rahmen des „Rettungsdienstes als Gesundheitsdienstleister“ aus Sicht des Ministeriums leisten?
28. Der Einführung des Sanitätergesetzes 2002 ging ein fast 13-jähriger Prozess voran, die davor existierenden Regelungen zum Sanitätsgehilfen existierten beinahe 40 Jahre. Historisch einzigartig ist auch der Einsatz des Konsultationsmechanismus, sowie das konsequente Herablizitieren der Ausbildungsanforderungen. Welche Zeitschiene sehen Sie für mögliche Reformen vor, um eine einheitliche Versorgung sicherzustellen?