1132/J XXVIII. GP
Eingelangt am 16.04.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Götze, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend das Österreich-Paket beim Borealis-Deal mit Abu Dhabi
Die Borealis AG, die sich seit 2020 mehrheitlich im Besitz der OMV befindet, soll in einem neuen Unternehmen aufgehen. Mit der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc), dem aktuellen Minderheitseigentümer sowohl der Borealis AG als auch der OMV, wurde vereinbart, bestehende Beteiligungen im Bereich der Petrochemie in der Borouge Group International (BGI) zu bündeln. Dazu zählt neben der Borealis AG auch die Bourouge PLC, ein börsengelistetes Unternehmen aus Abu Dhabi. Durch Zukauf soll auch die Nova Chemicals Corporation mit Sitz in Calgary, Kanada, in den globalen Konzern eingebracht werden. Voraussetzung für den Deal ist eine zusätzliche Finanzspritze i.H.v. 1,6 Mrd. Euro durch die OMV. Nach Abschluss des Deals sollen beide Aktionärsunternehmen jeweils 46,94 Prozent an der BGI halten, die restlichen Aktien verbleiben im Streubesitz.
Zunächst dominierten positive Nachrichten die Berichterstattung. Wie die OMV mitteilte, soll die neue Gesellschaft ihren Sitz in Wien haben.[1] Eine Börsenlistung ist zunächst in Abu Dhabi und zusätzlich ab 2027 auch an der Wiener Börse geplant. Auch der Forschungsstandort in Linz sei vorerst gesichert, berichtet „Profil.“[2] Dieser sei, „was Borealis eigentlich so wertvoll und attraktiv für Adnoc macht,“ schließlich sei Borealis mit 20.000 Patent-Anmeldungen in Österreich „Staatsmeisterin.“
Hintergrund dieser Verhandlungserfolge sollen Bedingungen sein, welche die Österreichische Beteiligungs AG, kurz ÖBAG, im Verhandlungsprozess aufgestellt hatte. Über die ÖBAG ist die Republik Österreich zu 31,5 % an der OMV beteiligt. Das „Österreich-Paket“ sah Zusicherungen der Abu Dhabischen Verhandler vor, um „hochwertige Arbeitsplätze im Bereich Forschung und Entwicklung“ zu schaffen „und darüber hinaus den österreichischen Kapitalmarkt“ zu fördern.[3]
Unklar ist, welche Haltbarkeit die Vereinbarungen bei zukünftigen Kräfteverschiebungen zwischen OMV und Adnoc hätten. Durch die Einbringung der Nova Chemicals Corp. sollen die Anteile der zwei Muttergesellschaften jedenfalls schrumpfen. Grund dafür ist, dass der Zukauf durch eine Kapitalerhöhung i.H.v. 4 Mrd. Euro an der Börse finanziert werden soll.[4] Der „Standard“ berichtet, dass bei der Kapitalerhöhung „weder die teilstaatliche OMV noch Adnoc“ mitmachen würden und somit nach der Kapitalmaßnahme „beide jeweils rund 43 Prozent an BGI halten“ werden.[5]
Aktuell wird die Nova Chemicals Corp. noch von der Mubadala Investment Company, dem Staatsfonds des Emirats Abu Dhabi, gehalten. Dieser ist mit der Adnoc eng verflochten: die Abu Dhabischen Anteile an der Borealis wanderten bereits von einer Gesellschaft zur anderen. Nicht ausgeschlossen scheint daher, dass sich im Falle einer Kapitalerhöhung Mubadala zusätzliche Anteile an der BGI sichert.
Eine weitere Unsicherheit betrifft die ca. 6000 hochwertigen Arbeitsplätze, die Borealis in Österreich anbietet. Die Sicherung der Forschungsarbeitsplätze hatte sich die OMV bisher viel kosten lassen. Für die Aufstockung der Anteile an der Borealis im März 2020 von 36 auf 75 Prozent zahlte die OMV 4,1 Mrd. Euro.[6] Nun muss die OMV weitere 1,6 Mrd. Euro zahlen, obwohl aus der bisher 75-prozentigen Beteiligung an der Borealis in Zukunft eine ca. 43-prozentige Beteiligung an der BGI wird. Von außen betrachtet fehlt dem österreichischen Partner somit bald die Mehrheit, um den Standort zu sichern. Vieles hängt an der Ausgestaltung der nichtöffentlichen Verträge zwischen Adnoc und OMV.
Öffentlich genannt wurden hingegen die wirtschaftlichen Gründe für den Zusammenschluss von Borealis, Borouge und Nova Chemicals zu einem global agierenden Unternehmen. Sowohl Adnoc als auch die OMV sehen langfristiges Wachstumspotenzial in der höherwertigen Nutzung von Erdölprodukten, wie sie die Polyolefin-Hersteller bieten.[7] Das Marktumfeld in der Chemiebranche sei jedoch herausfordernd und führe zu schrumpfenden Margen und Überkapazitäten, berichtet OMV-CEO Alfred Stern in der Kleinen Zeitung. Zusammenschlüsse ermöglichten Synergiepotenziale „gerade dann, wenn sich signifikante Einsparungen realisieren lassen.“[8] Aufgrund der bestehenden Unsicherheiten ist es nicht verwunderlich, dass auch die Gewerkschaften auf den Plan traten. Die Gewerkschaftsvorsitzenden Barbara Teiber (GPA) und Reinhold Binder (Pro-Ge) forderten die OMV auf im „Sinne einer strategischen Festlegung für das Unternehmen und vor allem auch zur Erreichung von Sicherheit für die Beschäftigten…, eine Standortgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterzeichnen.“[9]
Die ÖBAG hat sich gemäß ÖIAG-Gesetz in ihrem Beteiligungsmanagement auch an Standortfragen zu orientieren. Zwar wirkten erste Verlautbarungen zum BGI-Deal vielversprechend, Standort-Garantien wurden bis dato jedoch nicht öffentlich kommuniziert. Aufgrund der hohen Relevanz der Borealis für die Zukunftsstrategie der OMV und somit für den Wirtschaftsstandort Österreich, ist eine Offenlegung aller getätigten Schritte zur Standortsicherung durch die ÖBAG und den zuständigen Minister jedenfalls im öffentlichen Interesse.
Die ÖBAG verfolgt zudem das Ziel, bei ihren Beteiligungen deutliche CO₂-Reduktionen zu erzielen: „Die weitere Reduktion von CO₂-Emissionen über das gesamte Portfolio der Beteiligungsholding ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um die nationalen und europäischen Klimaziele zu erreichen. Alle großen Beteiligungsunternehmen der ÖBAG weisen ambitionierte Strategien zur Reduktion von CO₂-Emissionen auf…“[10] Laut Nachhaltigkeitsbericht 2022 hat sich die ÖBAG überdies das Ziel gesetzt, die Recyclingquote zu erhöhen, die Energieintensität zu reduzieren, den Wasserverbrauch und gefährliche Abfälle sowie die Auswirkungen auf die Biodiversität zu reduzieren.[11] Bereits in der Präambel zur Anfrage 15672/J wurde auf den Umstand hingewiesen, dass Borealis eigentlich das Herzstück der Dekarbonisierungsstrategie der OMV werden sollte und ein Verkauf oder der Verlust der Mehrheit einem Strategiewechsel gleichkommt.[12] Unklar ist, ob mit der Einbringung der Borealis in die BGI auch die Absicht der OMV einhergeht, das Ziel von Netto-Null-Emissionen im Jahr 2050 zu verwerfen oder ob sie weiterhin den Übergang von einer linearen zu einer kreislauforientierten Wirtschaft proaktiv vorantreiben will. Dies hätte auch entscheidende Auswirkungen auf die ESG-Zielerreichung der ÖBAG.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Die ÖBAG begrüßte in einer ersten Stellungnahme, dass das von ihr vorgeschlagene „Österreich-Paket“ in den Verhandlungen von OMV und Adnoc berücksichtigt wurde. War dem zuständigen Minister oder seinem Vorgänger oder seinen Mitarbeiter:innen der Inhalt des „Österreich-Pakets“ zum Zeitpunkt der Verhandlungen bekannt?
a. Wenn ja, in welcher Weise wurde es den oben genannten Personen zur Kenntnis gebracht?
b. Wenn nein, wann haben die oben genannten Personen davon erfahren?
2) Hat der zuständige Minister oder sein Vorgänger der ÖBAG seine Vorstellungen im Sinne eines „Österreich-Pakets“ aktiv mitgeteilt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn nein, warum nicht?
3) In welcher Form hat die ÖBAG sich für die Einbringung der im „Österreich-Paket“ geforderten Maßnahmen zur Standort-Sicherung eingebracht?
a. Bei wem wurden diese Vorstellungen eingebracht?
b. Zu welchem Zeitpunkt geschah dies?
4) Hat sich der zuständige Minister oder sein Vorgänger von der ÖBAG über die Vorgänge bei der OMV in Bezug auf die Borealis informieren lassen?
a. Wenn ja, worüber hat sich der Minister informieren lassen?
b. Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?
c. Wenn nein, warum nicht?
5) Kennt der zuständige Minister oder sein Vorgänger finale Verträge zwischen OMV und Adnoc?
a. Wenn ja, beinhalten diese eine bindende Regelung zur Sicherung von Arbeitsplätzen am Standort Österreich und wie sieht diese aus?
b. Wenn ja, beinhalten diese eine bindende Regelung zur Sicherung der Konzernzentrale in Wien und wie sieht diese aus?
c. Wenn ja, beinhalten diese eine bindende Regelung zur Zweitlistung der Aktie der BGI an der Wiener Börse?
d. Wenn ja, beinhalten diese eine bindende Regelung zur Verhinderung der Übernahme der Aktien im Streubesitz durch Investoren aus Abu Dhabi, insbesondere Adnoc und Mubadala?
e. Wenn nein, kennt die ÖBAG diese Verträge?
6) Ist dem zuständigen Minister bekannt, ob es Standortgarantien für den Fall gibt, dass sich Adnoc (ggf. gemeinsam mit Mubadala) eine Mehrheit an der BGI sichert?
7) Welche weiteren Details sind dem zuständigen Minister zur Sicherung des Standorts bekannt?
8) Sind dem zuständigen Minister sonstige Regelungen zur Sicherung der Zweitlistung an der Wiener Börse bekannt?
9) Sind dem zuständigen Minister sonstige Regelungen zur Verhinderung der Übernahme der Aktien im Streubesitz bekannt?
10) Wurden seit Beginn der Verhandlungen mit der Adnoc Gespräche zwischen dem zuständigen Minister oder seinem Vorgänger oder seinen Mitarbeiter:innen und dem Management der OMV geführt?
a. Wenn ja, was war Inhalt dieser Gespräche?
b. Wenn ja, wurde das BMF über einen Strategiewechsel bei der OMV informiert?
c. Wenn ja, wurde das BMF über Änderungen der Nachhaltigkeitsziele der OMV informiert? Welche?
d. Wenn ja, wurde das BMF über Änderungen zu den prognostizierten Emissionen und Kreislaufwirtschaftsmaßnahmen der Borealis – zukünftig BGI – informiert? Welche?
11) Ist dem zuständigen Minister bekannt, welche Dekarbonisierungsziele die neue BGI verfolgt und ob diese weiterhin mit den ESG-Zielen der ÖBAG übereinstimmen?
12) Ist dem zuständigen Minister bekannt, welche Kreislaufwirtschaftsziele die neue BGI verfolgt und ob diese weiterhin mit den ESG-Zielen der ÖBAG übereinstimmen?
13) Kennt der zuständige Minister bzw. die ÖBAG die finalen Verträge zwischen OMV und Adnoc, welche die Umwelt-Ziele (insbesondere Scope 1,2,3 Emissionsziele, Kreislaufwirtschaftsziele, Biodiversitätsziele) im Zusammenhang mit der BGI regeln?
[1] https://www.omv.com/en/media/press-releases/2025/250303-omv-and-adnoc-to-create-usd-60-plus-bn-global-polyolefins-champion
[2] https://www.profil.at/wirtschaft/borouge-international-borealis-omv-adnoc-abu-dhabi/403018794
[3] https://oebag.gv.at/2025/03/04/oebag-begruesst-schaffung-eines-oesterreichischen-weltmarktfuehrers-im-bereich-chemie/
[4] https://www.omv.com/en/media/press-releases/2025/250303-omv-and-adnoc-to-create-usd-60-plus-bn-global-polyolefins-champion
[5] https://www.derstandard.at/story/3000000260950/omv-kernaktionaer-adnoc-macht-sich-fit-fuer-zeit-nach-der-energiewende
[6] https://www.diepresse.com/5783016/omv-gibt-41-milliarden-euro-fuer-weitere-borealis-anteile-aus
[7] https://www.derstandard.at/story/3000000260950/omv-kernaktionaer-adnoc-macht-sich-fit-fuer-zeit-nach-der-energiewende
[8] https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/19445427/60-milliarden-euro-wert-die-geburt-eines-oesterreichischen-riesen
[9] https://www.nachrichten.at/wirtschaft/neues-omv-gemeinschaftsunternehmen-gewerkschaften-pochen-auf-standortgarantie;art15,4033121
[10] https://oebag.gv.at/perspektive/dekarbonisierung-klimawandel-portfoliouebergreifendes-co%E2%82%82-tracking/
[11] https://oebag.gv.at/wp-content/uploads/2023/06/Bericht_ueber_Geschaeft_und-Nachhaltigkeit_2022.pdf
[12] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/J/15672