1136/J XXVIII. GP
Eingelangt am 24.04.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
der Abgeordneten Leonore Gewessler, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend „Konsolidieren statt Betonieren“ - Wie bewertet der Finanzminister das finanzielle und ökologische Einsparungspotenzial beim Stopp von überflüssigen Straßenbauprojekten in Bund und Ländern?
BEGRÜNDUNG
Wir Grüne haben am 26.3. im Parlament Herrn Bundesminister Hanke zu seinen Plänen zum Lobautunnel befragt. Auch wenn eine wissenschaftliche Studie von Umweltbundesamt, TU Graz und TU Wien erst kürzlich wieder zu dem eindeutigen Ergebnis kam, dass der Lobautunnel die schlechteste aller Alternativen mit der geringsten Entlastungswirkung, den gravierendsten Auswirkungen auf die Umwelt und den höchsten Kosten ist, beharrt BM Hanke aus ideologischen Gründen weiter auf diesem Projekt aus dem letzten Jahrtausend.
Der Lobautunnel ist aber nur ein Beispiel aus den vielen Straßenbauprojekten, die vor mehreren Jahrzehnten geplant wurden, von der Bevölkerung abgelehnt werden, den Flächenverbrauch explodieren lassen, das ohnehin bereits mehr als 128.000km umfassende Straßennetz Österreichs noch erweitern und auf Dauer das Budget des Bundes aber auch insbesondere der Länder und Gemeinden immer stärker belasten würden.
Anstatt hier sinnvoll zu sparen, wird auf Landes- und Gemeindeebene weiterhin viel Geld für umstrittene Straßenprojekte ausgegeben. So sollen alleine im Waldviertel 440 Mio. EUR bis 2035 für Landesstraßen ausgegeben werden[1] oder der Stadttunnel in Feldkirch um offiziell 385 Mio. EUR, real wohl mindestens 500 Mio. EUR gebaut werden[2]. In Oberösterreich wird eine Autobahn mitten durch Linz gebaut. Die Kosten dafür explodieren.[3] In Niederösterreich wird eine umstrittene Umfahrung von Wiener Neustadt trotz Protesten der Bevölkerung und Warnungen von Wissenschaftler:innen[4] durch grüne Äcker gezogen. Wien leistet sich eine „Stadtstraße“ im 22. Bezirk um rund 500 Mio. EUR für nur rund 3 Kilometer. In Vorarlberg soll trotz Ablehnung von 77,4% der Menschen in der hauptbetroffenen Gemeinde mit der S18 ein ASFINAG-Projekt aus den 1960ern für rund 2 Mrd. EUR umgesetzt werden, und zwar durch ein Naturschutzgebiet und auf der Trasse mit dem höchsten Genehmigungsrisiko.
Diese Beispiele zeigen, wie viele Mittel in den Neubau von Straßen gesteckt werden. Nicht einberechnet sind dabei die hohen Kosten, die durch Erhalt und Sanierung dieser Straßen in der Zukunft entstehen werden. Die Kosten für die Sanierung von Autobahnen und Schnellstraßen haben sich zwischen 2010 und 2023 verdoppelt[5]. Gemeinden geben schon jetzt rund 10% ihres Budgets für Bau, Erhalt und Betrieb von Straßen aus[6]. In den Bundesländern schlägt sich der Straßenbau österreichweit wohl mit weiteren 1-2 Mrd EUR in den Landesbudgets nieder. Trotz der hohen Kosten und der noch höheren Folgekosten durch notwendige Sanierungen und Umweltschäden durch die massive Bodenversiegelung und die Auswirkungen der Klimakrise wird selbst in Zeiten des Sparbedarfs an diesen Projekten aus ideologischen Gründen festgehalten.
Straßenbaugroßprojekte betreffen aber auf Bundesebene nicht nur den Infrastrukturminister, sondern ebenso den Finanzminister: Es entstehen hohe Kosten für den Bau, Folgekosten für Zubringerstraßen auf Landes- und Gemeindeebene, langfristige und letztlich dividendenschmälernde Kosten für Sanierung und Erhalt, zusätzliche Schulden und Kosten für Strafzahlungen infolge des mit Straßenbau und Mehrverkehr steigenden Risikos der Verfehlung europarechtlich zwingender Umweltzielvorgaben. Der Finanzminister ist es, der sich auf EU-Ebene für das gesamtstaatliche Defizit verantworten muss. Ebenso muss der Bund laut geltendem Finanzausgleichsgesetz 80% der fälligen Zertifikatsankäufe bei Verfehlen der EU-Klimaziele finanzieren. Hinzu kommen die wiederkehrenden finanziellen Hilfen des Bundes für Gemeinden, die u.a. auch wegen steigender Ausgaben für Bau, Erhalt und Sanierung von Straßen ihre Ausgaben nicht mehr decken können. Es liegt also in der Verantwortung des Finanzministers, eine gesamtstaatliche Übersicht über die Ausgaben und insbesondere potenzielle Einsparungen zu haben oder zu erarbeiten.
Die Aussage von Finanzminister Markus Marterbauer: „Ein Budget saniert man anhand von Fakten, Daten, wissenschaftlichen Analysen und einer Politik der ruhigen Hand, die sich an klaren Zielen orientiert. Unser Ziel ist es, die Staatsfinanzen wieder in Ordnung zu bringen. Alle werden ihren Beitrag leisten müssen.“[7], lässt hoffen, dass die Bundesregierung beim Doppelbudget in diese Richtung wirksam wird.
Doch so ganz scheint die Notwendigkeit zu sparen und die verfügbaren Mittel sinnvoll einzusetzen noch nicht bei der Regierung verfangen zu haben: Trotz großen Spardrucks hat die Bundesregierung noch keine einzige der klimaschädlichen Subventionen abgeschafft oder deren Abschaffung auch nur zur Debatte gestellt. Im Gegenteil: Es wurde sogar eine weitere klimaschädliche Subvention für Nutzfahrzeuge wiedereingeführt, nachdem die schwarz-grüne Bundesregierung diese abgeschafft hatte. Nicht einmal die Taskforce zur Abschaffung der klimaschädlichen Subventionen im Finanzministerium scheint in die Gänge zu kommen.
Obwohl durch die konsequenten Maßnahmen der vergangenen türkis-grünen Regierung die CO2-Emissionen gesunken sind, die Erneuerbaren Energien und der öffentliche Verkehr stark ausgebaut wurden, besteht im Bereich Klimaschutz weiterhin großer Reformbedarf, wie auch im Nationalen Energie und Klimaplan[8] festgehalten wurde. Der Verkehrssektor mit einem Anteil von fast 30 % zählt zu den Hauptverursachern von klimaschädlichen Treibhausgasen. Mit nach wie vor höheren Emissionen im Vergleich zu 1990, deren hohes Niveau erst in den letzten Jahren grüner Regierungsbeteiligung gebrochen werden konnte, ist der Verkehr das zentrale Sorgenkind im Klimaschutz, während in den anderen Sektoren großteils bereits beträchtliche Emissionsreduktionen gelungen sind. Auch im Bereich Bodenschutz bleibt in Österreich weiterhin viel zu tun. Aus diesem Grund wären Einsparmaßnahmen im Straßenbau, die gleichzeitig positive Auswirkungen auf den Klima- und Bodenschutz haben, ein wirkungsvolles Instrument, um Probleme in mehreren Bereichen lösen zu können und drohende Strafzahlungen abzuwenden.
Laut Regierungsprogramm soll „eine umfangreiche Verkehrs- und Infrastrukturstrategie, die zehn Jahre in die Zukunft denkt und vorausschauend plant“ erstellt werden. Die Bundesregierung will sich außerdem „zum bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Boden, Flächeninanspruchnahme und Versiegelung“ bekennen. Im Sinne einer verantwortungsvollen Budgetpolitik sollten diese Ziele mit einem effizienten Mitteleinsatz verbunden werden.
Es liegt im Interesse und in der Pflicht des Finanzministers, diesen sinnvollen Umgang mit Budgetmitteln innerhalb der Bundesregierung sicherzustellen. Da es auch der Finanzminister ist, der sich auf europäischer Ebene für das gesamtstaatliche Defizit verantworten muss, hat der Finanzminister auch die Ausgaben von Ländern und Gemeinden im Auge zu haben. Negative Überraschungen durch nachträglich höhere Länderdefizite müssen endlich der Vergangenheit angehören. Ebenso wie reflexartiges Ablehnen von Beiträgen der Länder zur Budgetsanierung durch die Landeshauptleute. Gerade die immensen Summen, die nach wie vor für Straßenbau verbetoniert werden, zeigen, dass auf allen Ebenen Einsparpotenzial besteht. Der Finanzminister sollte daran interessiert sein, Transparenz über die gesamtstaatliche budgetäre Lage herzustellen und nicht wie derzeit bis Ende März des Folgejahres im Dunkel zu tappen.
Die bisherigen Aussagen von Finanzminister Marterbauer lassen darauf schließen, dass er an einer gesamtstaatlichen und sinnvoll geplanten Sanierung interessiert ist. Aussagen seiner Regierungskolleg:innen und von Vertreter:innen der Länder lassen aber auch darauf schließen, dass diese sich einer solchen Sanierung widersetzen wollen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
DRINGLICHE ANFRAGE
1. Wann wusste das Finanzministerium von den höheren Defiziten der Länder und Gemeinden für das Jahr 2024?
2. Wie setzt sich das Finanzministerium für eine Verbesserung der Transparenz der Landes- und Gemeindebudgets ein, um eine bessere Übersicht über die unterjährige Entwicklung des gesamtstaatlichen Defizits zu erhalten?
3. Welche Rolle wird die Verbesserung der Transparenz von Landesbudgets in den Verhandlungen zur Reform des österreichischen Stabilitätspakets spielen?
4. Wie hoch sind die jährlichen Ausgaben des Bundes für klimaschädliche Subventionen?
5. Wie hoch sind die jährlich entgangenen Einnahmen des Bundes durch indirekte klimaschädliche Förderungen?
6. Hat das Finanzministerium Informationen über klimaschädliche Subventionen und indirekte klimaschädliche Förderungen auf Ebene der Bundesländer und wenn ja, welche?
7. Hat das Finanzministerium Informationen über klimaschädliche Subventionen und indirekte klimaschädliche Förderungen auf Ebene der Gemeinden und wenn ja, welche?
8. Welche Maßnahmen setzt das Finanzministerium, um klimaschädliche Subventionen zu reduzieren?
9. Laut Regierungsprogramm soll „eine umfangreiche Verkehrs- und Infrastrukturstrategie erarbeitet (werden), die zehn Jahre in die Zukunft denkt und vorausschauend plant“. Wie ist das Finanzministerium in die Ausarbeitung dieser Strategie eingebunden bzw. wie soll es eingebunden werden?
10. Welche Rolle spielen die budgetären Kosten von Straßenneubau sowie Straßenerhalt und –sanierung in dieser Strategie?
11. Sollten aus Sicht des Finanzministeriums Ziele der Bundesregierung wie im Regierungsprogramm dargestellt in Einklang mit der Budgetsanierung erreicht werden?
12. Laut Regierungsprogramm bekennt sich die Bundesregierung zum „bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit Boden, Flächeninanspruchnahme und Versiegelung sowie zu regional differenzierten Zielen, welche die Reduktion des Flächenverbrauchs konsequent vorantreiben.“ Sollte aus Sicht des Finanzministeriums das Ziel eines verantwortungsvollen Umgangs mit Böden mit einer budgetären Entlastung der öffentlichen Haushalte durch eine Reduktion von Straßenbauprojekten verbunden werden? Wenn nein, warum nicht?
13. Wie hoch war das Ergebnis nach Steuern der ASFINAG in den letzten 10 Jahren jeweils?
14. Wie hoch war der Schuldenstand der ASFINAG in den letzten 10 Jahren jeweils?
15. Wie hoch waren die Zahlungen der ASFINAG für die Schuldenfinanzierung in den letzten 10 Jahren jeweils?
16. Wie hoch war die von der ASFINAG an den Bund ausgeschüttete Dividende in den letzten 10 Jahren jeweils?
17. Welchen Beitrag sollen zusätzliche Dividendeneinnahmen bei der Budgetsanierung in den nächsten Jahren jeweils leisten?
18. Soll auch die Dividende der ASFINAG an den Bund erhöht werden und wenn ja, um welche Größenordnung?
19. Welchen Einfluss haben große zusätzliche Investitionsprojekte auf die Spielräume der ASFINAG für Dividendenausschüttung?
20. Wie hoch waren die Kosten der ASFINAG für Erhalt und Sanierung des Straßenbestands in den letzten 10 Jahren jeweils?
21. Gibt es Prognosen ob die Kosten der ASFINAG für Erhalt und Sanierung des Straßenbestands steigen werden? Wenn ja, in welcher Höhe?
22. Wie hoch waren die gesamtstaatlichen Ausgaben für Straßenneubauten jeweils in den letzten 10 Jahren?
23. Wie hoch waren die gesamtstaatlichen Ausgaben für Straßenerhalt und -sanierung jeweils in den letzten 10 Jahren?
24. Liegen dem Finanzministerium Informationen zu den Ausgaben der Bundesländer im Bereich Straßenbau vor? Wenn ja, wie hoch waren diese in den letzten 10 Jahren pro Jahr und pro Bundesland?
25. Liegen dem Finanzministerium Informationen zu den Ausgaben der Bundesländer im Bereich Straßenerhalt und -sanierung vor? Wenn ja, wie hoch waren diese in den letzten 10 Jahren pro Jahr und pro Bundesland?
26. Liegen dem Finanzministerium Informationen zu den Ausgaben der Gemeinden im Bereich Straßenerhalt und -sanierung vor? Wenn ja, wie hoch waren diese in den letzten 10 Jahren jeweils?
27. Liegen dem Finanzministerium Informationen zu den Ausgaben der Gemeinden im Bereich Straßenbau vor? Wenn ja, wie hoch waren diese in den letzten 10 Jahren jeweils?
28. Wenn dem Finanzministerium zu den vorangehenden vier Fragen keine derartigen Informationen vorliegen – wie kann das BMF eine Reduktion des Maastricht-Defizits erreichen, wenn keine konkreten Informationen über die Ausgaben der Länder vorliegen und welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um Transparenz über diese gesamtstaatlichen Ausgaben herbeizuführen?
29. Liegen dem Finanzministerium Prognosen über die zukünftigen Kosten für Erhalt und Sanierung des derzeitigen Straßennetzes in Österreich vor? Wenn ja, wie werden sich die Kosten entwickeln? Wenn nein, wäre eine solche Prognose nicht notwendig, um die Kosten für die öffentlichen Haushalte abschätzen zu können bevor große neue Projekte realisiert werden sollen? Werden Sie Maßnahmen ergreifen um eine solche Kostenschätzung im Hinblick auf eine transparente Darstellung der zukünftigen Kosten auf gesamtstaatlicher Ebene zu erreichen?
30. Wie viele Bundesmittel flossen jeweils in den letzten 10 Jahren an die Gemeinden für Straßenbau sowie für Straßenerhalt und –sanierung (etwa durch kommunale Investitionsprogramme)?
31. Angesichts des hohen gesamtstaatlichen Defizits: Sind Neubauprojekte von Straßen aus Sicht des Finanzministeriums finanzierbar oder sollte auch in diesem Bereich ein Beitrag zur Budgetsanierung geleistet werden? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein, in welchen Bereichen sollte aus Sicht des Finanzministeriums gespart werden, um Straßenneubau weiterhin finanzieren zu können?
32. Mit welchen budgetären Kosten rechnet das Finanzministerium derzeit für Zertifikatsankäufe im Zusammenhang mit den EU Effort-Sharing Zielen?
33. Welcher Anteil entfällt dabei auf den Sektor Verkehr?
In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs.2 GOG verlangt.
[1] https://www.noe.gv.at/noe/Details_zum_Mobilitaetspaket_noerdliches_Niederoesterreic.html
[2] https://www.vol.at/tunnelspinne-wird-zum-gefrasigen-baukostenmonster/9219187
[3] https://www.derstandard.at/story/3000000174896/kostenexplosion-beim-linzer-westring
[4] https://noe.orf.at/stories/3242367/
[5] https://vcoe.at/presse/presseaussendungen/detail/vcoe-auf-oesterreich-strassen-rollt-teure-sanierungswelle-zu-zusaetzlich-steigen-klimaschaeden-stark
[6] https://vcoe.at/service/fragen-und-antworten/zahlen-und-fakten-zur-verkehrsinfrastruktur-in-oesterreich
[7] https://www.bmf.gv.at/presse/pressemeldungen/2025/maerz/budgetsanierung.html
[8]Integrierter nationaler Energie-und Klimaplan für Österreich Periode 2021-2030 Aktualisierung gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) 2018/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz