1178/J XXVIII. GP
Eingelangt am 25.04.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Christoph Steiner
an den Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus
betreffend Hilferuf aus der Tourismusbranche: Trinkgeld, Zweitwohnsitze, Betriebsübergaben und Fachkräftemangel
Des Thema Trinkgeld ist aktuell in der Tourismusbranche in aller Munde und wurde medial in den letzten Wochen vielfach thematisiert.[1], [2]
Ausgelöst wurde dies durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG)[3], welches urteilte: „Trinkgelder, die mehr als 25 Prozent des Bruttolohnes ausmachen, können nicht mehr als ortsüblich und somit nicht steuerfrei gelten.“[4] Besonders betroffen fühlt sich von dieser Entscheidung die Gastronomiebranche, da Trinkgelder für Servicekräfte essenziell sind. Konkret steht spekulativ eine einheitliche und österreichweite höhere Beitragspflicht bevor, wobei bei Trinkgeldern oberhalb der 25-Prozent-Grenze nun an die Sozialversicherung zu leisten wäre.
In manchen Bundesländern sind kürzlich bereits Trinkgeldpauschalen für die Sozialversicherungsbeiträge eingeführt worden, wobei die Länder dies für sich zu regeln wissen, weshalb damit nun ein Widerspruch entstanden ist. Schon jetzt führt dadurch die ÖGK seit Einführung der Pauschalen vermehrt Betriebsprüfungen durch und fordert zum Teil rückwirkend die Sozialversicherungsbeiträge ein. Bereits die aktuelle Lösung führt einerseits zu Unmut bei Arbeitnehmern, aber auch den Arbeitgebern wie z.B. den Gastronomen, von denen durch diese Pauschalierung aufgrund von Kartenzahlungen und daraus entstehenden Verzerrungen in der Buchhaltung nun Rückzahlungen im fünfstelligen Betrag rückverrechnet werden.[5]
Die Branche fordert von der Politik eine vollständige Steuer- und Abgabenfreiheit für Trinkgelder, solange diese freiwillig und von Gästen geleistet werden. Unterstützung gibt es auch von Walter Veit, Präsident der Österreichischen Hotelvereinigung (ÖHV). Die Tourismusbranche appelliert nun dringend, rasch Rechtssicherheit zu gewährleisten.[6], [7]
Im Regierungsprogramm ist eine „Evaluierung und praxistaugliche Ausgestaltung der Regelungen für Trinkgeldpauschalen inkl. TRONC-Systeme“[8] vorgesehen. Die BFG-lnterpretation, die Trinkgelder an die Höhe des Bruttogehalts koppelt, wird besonders Saisonbetriebe und Mitarbeiter mit niedrigem Grundlohn in den Tourismushotspots hart treffen, da durch eine einheitliche Lösung für ganz Österreich mit einer höheren Belastung für die Arbeitnehmer zu rechnen ist.
Des Weiteren gibt es seit vielen Jahren aus zahlreichen Tourismusregionen den deutlichen Wunsch nach einer Reform des Meldewesens. Hintergrund hierfür ist die Tatsache, dass mit Zweitwohnsitzen bekanntermaßen häufig Missbrauch betrieben wird. Ebenso deutlich sind Hilferufe aus der Tourismusbranche hinsichtlich der Betriebsübergaben vernehmbar: Einerseits betrifft dies Betriebe, die durch frühere Investitionen bereits hoch verschuldet sind, andererseits jene, bei denen aufgrund notwendiger zukünftiger Investitionen zusätzliche Kredite die Übergabe erheblich erschweren. langjährige Tourismusbetriebe landen durch diese Umstände am Ende daher leider oftmals in der Hand von Spekulanten oder ausländischen Hotelketten.
Darüber hinaus stellt der nach wie vor bestehende Fachkräftemangel eine große Belastung für die Tourismusbranche dar. Besonders ausgeprägt ist dabei der Wunsch vieler Touristiker nach Nachwuchskräften aus dem Inland. Es wäre daher wichtig, bereits in den gastronomischen Ausbildungsstätten gezielt darauf hinzuarbeiten, dass die beruflichen Perspektiven in Österreich attraktiv präsentiert und beworben werden. Aktuell geschieht jedoch genau das Gegenteil: Laut vorliegenden Informationen werden häufig Praktika im Ausland - beispielsweise in Deutschland oder der Schweiz - von höheren Lehranstalten (z.B. HLWs) aktiv gefördert. Dies führt dazu, dass Fachkräfte Österreich verlassen und vielfach nach Abschluss ihrer Ausbildung dauerhaft im Ausland verbleiben
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus nachstehende
Anfrage
1. Wie werden Sie mit der aktuellen Entscheidung des BFG hinsichtlich der Sozialversicherung konkret umgehen?
2. Planen Sie aufgrund der Entscheidung des BFG eine neue gesetzliche Regelung?
3. Planen Sie aufgrund der BFG-Entscheidung eine österreichweit einheitliche Lösung?
a. Falls ja, welche konkreten Konzepte verfolgen Sie?
4. Wann werden die Betroffenen mit der gewünschten Rechtssicherheit rechnen können?
5. Gibt es Überlegungen, Trinkgelder (in welcher Form auch immer) generell zu besteuern?
6. Können Sie zusichern, dass dem einzelnen Arbeitnehmer am Ende einer etwaigen Neuregelung (z.B. Einführung einer Pauschale) mehr Trinkgeld übrigbleiben wird?
7. Können Sie ausschließen, dass dem einzelnen Arbeitnehmer am Ende einer etwaigen Neuregelung (z.B. Einführung einer Pauschale) weniger Trinkgeld übrigbleiben wird?
8. Wie wollen Sie dem Problem der Nachzahlungen von Arbeitgebern aufgrund verzerrter Abrechnungen entgegenwirken und für rechtliche Fairness sorgen?
9. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie in Bezug auf die im Regierungsprogramm angekündigte Überprüfung und Neugestaltung der Trinkgeldregelung?
10. Ziehen Sie die Möglichkeit in Betracht, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die Trinkgelder vollständig von Steuern und Sozialversicherungsabgaben befreit?
11. Ziehen Sie in Zusammenarbeit mit dem BMI eine Reform des Meldewesens in Betracht, um der Problematik der Zweitwohnsitze in touristischen Regionen gezielt entgegenzuwirken?
12. Gibt es bezüglich der Zweitwohnsitz-Problematik bereits Abstimmungen oder Evaluierungen mit dem BMI oder innerhalb der Regierung?
13. Welche konkreten Maßnahmen planen Sie zur Vereinfachung der Betriebsübergabe bei Unternehmen, die aufgrund von behördlichen Auflagen erhebliche Investitionen tätigen müssen?
14. Werden Sie sich für eine Vereinfachung oder Ausnahmeregelungen von Auflagen für Umbauten bei Betriebsübergaben einsetzen?
15. Werden Sie sich für eine Verlängerung der Frist einsetzen, in der Umbauten aufgrund von Auflagen bei Betriebsübergaben getätigt werden müssen?
16. Beabsichtigen Sie, dem Trend zur Veräußerung von Familienbetrieben an in- oder ausländische Hotelketten bzw. deren Nutzung als Spekulationsobjekte entgegenzuwirken?
a. Falls ja, mit welchen konkreten Maßnahmen?
17. Werden an einschlägigen öffentlichen Bildungseinrichtungen Praktika im Ausland höher gefördert als in Österreich?
a. Falls ja, in welchen?
b. Falls ja, warum?
c. Falls ja, wer trägt die Kosten?
18. Welche Maßnahmen planen Sie, um die Beschäftigung in Österreich für bereits ausgebildete oder aktuell auszubildende Fachkräfte attraktiver zu gestalten?
[1] https://www.heute.at/s/steuern-auf-trinkgeld-wiener-gastronomen-reicht-es-120098549
[2] https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/sorge-trinkgeld-174528046
[3] https://findok.bmf.gv.at/findok/resources/pdf/4264b805-96c4-4e80-a3b3-cef81072bd4a/146620.1.1.pdf
[4] https://www.gast.at/wissen-lernen/steuerfreiheit-fuer-trinkgelder/
[5] www.5min.at/5202503041116/teils-tausende-euro-unternehmen-droht-trinkgeld-rueckzahlung/
[6] https://www.gast.at/gastro-hotel/steuer-hammer-beim-trinkgeld-gastronomie-ist-alarmiert/
[7] https://faktum.at/branche-fordert-finger-weg-vom-trinkgeld/
[8] https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:8d78b028-70ba-4f60-a96e-2fca7324fd03/Regierungsprogramm_2025-2029.pdf, S. 30 und 45