1189/J XXVIII. GP

Eingelangt am 25.04.2025
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ANFRAGE

des Abgeordneten Christofer Ranzmaier

an den Bundeskanzler

betreffend Die Ausübung der Schutzfunktion Österreichs im Zusammenhang mit der aktuellen Autonomiereform in Südtirol

 

 

Die Republik Österreich hat sich im Pariser Abkommen von 1946 völkerrechtlich dazu verpflichtet, eine Schutzfunktion für die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung Südtirols wahrzunehmen. Die aktuell in Italien geplante Reform des Autonomiestatuts greift tief in das bestehende Schutzsystem ein und weckt berechtigte Sorgen hinsichtlich einer möglichen Aushöhlung bestehender Minderheitenrechte zugunsten einer verstärkten zentralstaatlichen Kontrolle. Eine solche Entwicklung könnte das historisch gewachsene Gleichgewicht zwischen dem Staat und den autonomen Institutionen Südtirols nachhaltig beeinträchtigen.

 

Wesentliche Elemente wie die Einvernehmensklausel wurden im Laufe des Entwurfs-prozesses erheblich abgeschwächt, das sogenannte „nationale Interesse“ als Einfallstor für Eingriffe gestärkt, und bei identitätsrelevanten Begrifflichkeiten – etwa in der Namensgebung – wurde eine einseitige Position zugunsten der italienischen Seite verankert. Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, wie aktiv Österreich im Reform-prozess eingebunden war und ob die Schutzfunktion in der Praxis noch gewahrt wird.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage

 

1.    Wie beurteilt die Bundesregierung den aktuellen Stand der Reform des Autonomiestatuts in Südtirol hinsichtlich seiner Bedeutung für die deutsch- und ladinischsprachige Bevölkerung?

2.    Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um auf Inhalte und Verlauf der Autonomiereform Einfluss zu nehmen und inwiefern wurden dabei österreichische Positionen gegenüber italienischen Stellen kommuniziert?

3.    Gab es offizielle Gespräche oder Konsultationen der Bundesregierung – insbesondere des Bundeskanzleramts – mit italienischen und Südtiroler Stellen zur Ausgestaltung der Reform und wie wurde die Bundesregierung dabei durch den Südtiroler Landeshauptmann informiert?

4.    Wie beurteilt die Bundesregierung, nachdem beim Treffen 2022 zwischen dem früheren Bundeskanzler Karl Nehammer und Landeshauptmann Arno Kompatscher die Wiederherstellung des Autonomiestandards von 1992 zur Sprache kam und entsprechende Gespräche zwischen Österreich und Italien angekündigt wurden, den aktuellen vom italienischen Ministerrat beschlossenen Reformentwurf hinsichtlich der Erfüllung dieser Forderung?

5.    Inwieweit wurde die Südtiroler Bevölkerung durch die Bundesregierung über die österreichische Haltung zur Reform informiert?

6.    Waren der Bundesregierung im zeitlichen Verlauf der Verhandlungen die Inhalte der verschiedenen Entwürfe bzw. auch die konkrete textliche Aus-gestaltung der Autonomiereform konkret bekannt?

a.    Wenn ja, wie beurteilt man die Genese des kürzlich vom Ministerrat beschlossenen Reformentwurfs?

b.    Wenn ja, gibt es Punkte in den verschiedenen Entwürfen, die die Bundesregierung kritisch beurteilt?

c.    Wenn ja, wie hat sich die Bundesregierung im Reformprozess zu kritischen Punkten wie der Abschwächung der Einvernehmensregelung im Letztentwurf, der Frage der Benennung der Region und Ähnlichem positioniert?

d.    Wenn nein, wie hat man sich andernfalls ein unabhängiges Bild über den Stand der Dinge gemacht?

7.    Wurden von der Bundesregierung im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Entwurf zur Autonomiereform externe Experten (z. B. aus den Bereichen Völkerrecht, ital. Verfassungsrecht, Minderheitenschutz oder Zeitgeschichte) beigezogen?

a.    Falls ja, welche Personen oder Institutionen wurden beigezogen und wie war deren Beurteilung?

8.    Wie beurteilt die Bundesregierung die Umbenennung der Region, wo nun selbst in der deutschen Sprache „Südtirol“ direkt mit der im italienischen Faschismus für die Region erfundenen Begriff „Alto Adige“ verknüpft ist, auf sich evtl. daraus ergebende Folgen in der Toponomastik?

9.    Hat das Bundeskanzleramt geprüft, ob die geplanten Änderungen Aus-wirkungen auf das Pariser Abkommen oder die Schutzfunktion Österreichs haben könnten?

10. Sind der Bundesregierung Gespräche oder Kontakte zwischen Vertretern der italienischen Regierung und internationalen Organisationen über die Reform bekannt?

11. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, in welcher Form zur geplanten Autonomiereform in Südtirol öffentliche Diskussionsprozesse statt-gefunden haben?

12. Wurde von österreichischer Seite die Einrichtung eines breiten Diskurses (z. B. parlamentarisch, wissenschaftlich oder zivilgesellschaftlich) ähnlich dem Autonomiekonvent, dessen Inhalte im Zuge dieser Reform kaum Berück-sichtigung finden, angeregt oder empfohlen?