1200/J XXVIII. GP
Eingelangt am 25.04.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Christian Ragger
an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten-schutz
betreffend Systemrelevante Berufe in der Pflege und Betreuung
Die Gesundheit Österreich GmbH hält im Pflegereporting die Veränderung der Gesundheits- und Krankenpflegepersonen fest. Die Zahlen für das Jahr 2024 kann der nachstehenden Infografik entnommen werden:
1
Dabei wird Folgendes angeführt:
„Die Anzahl der im Gesundheitsberuferegister registrierten Pflegepersonen (DGKP, PFA, PA) stieg insgesamt von 2019 bis 2023 um 19 Prozent an. Jener Teil der Pflegepersonen, der angab, in der stationären Pflege, mobilen Pflege oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen tätig zu sein, sank aber von 2021 bis 2023. Die Anzahl der in österreichischen Krankenanstalten tätigen Pflegepersonen stieg laut Krankenanstaltenstatistik von 2019 bis 2023 um etwa 3 Prozent auf 70.928 an, die Anzahl der Vollzeitäquivalente um etwa ein Prozent auf 56.928.“1
Kritisch zu betrachten ist, dass gerade der Teil der Pflegepersonen, der in besonders arbeitsintensiven und gesellschaftlich wichtigen Bereichen wie der stationären Pflege, mobilen Pflege und Behindertenbetreuung tätig ist, zwischen 2021 und 2023 zurückging. Das wirft die Frage auf, ob die neu gewonnenen Pflegekräfte tatsächlich dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden – oder ob diese Versorgungsbereiche unter besonders schlechten Arbeitsbedingungen leiden, die zu Abwanderung oder Burnout führen.
Der Anstieg der Beschäftigten in Krankenanstalten um 3 % (bzw. nur 1 % bei den Vollzeitäquivalenten) bei gleichzeitig steigender Arbeitsbelastung und Patienten-zahlen zeigt: Der reale Personalausbau bleibt gering. Viele neue Stellen sind offenbar Teilzeitstellen, was möglicherweise auf die schwierige Vereinbarkeit von Arbeits-bedingungen mit gesundheitlichen und familiären Anforderungen hinweist. Die tatsächliche Entlastung für bestehende Teams dürfte daher minimal sein.
Die Zahlen zeigen zwar ein Wachstum im Pflegepersonal – doch gleichzeitig auch eine Schieflage: Der Anstieg verteilt sich nicht gleichmäßig auf alle Versorgungs-bereiche, und zentrale Sektoren wie die Langzeitpflege bleiben unterversorgt. Der Rückgang der Vollzeitäquivalente in Relation zum Personalzuwachs weist zudem darauf hin, dass strukturelle Probleme wie hohe Arbeitsbelastung und schlechte Rahmenbedingungen nicht gelöst wurden. Nachhaltige Reformen scheinen also weiterhin dringend notwendig.
Besonders in der Corona-Pandemie hat sich die Situation in der Pflege drastisch verschärft. Der ORF berichtete etwa im Jahr 2021, dass aufgrund der Schieflage hinsichtlich der Arbeitsbelastung beachtliche Teile des Pflegepersonals einen Jobwechsel in Betracht gezogen haben:
„Hälfte der Pflegekräfte denkt an Jobwechsel
Eine neue Studie liefert erneut alarmierende Erkenntnisse zur Lage der Kranken- und Pflegekräfte im Akutbereich in Österreich. Diese hat sich während der Pandemie eklatant verschlimmert. Fast die Hälfte denkt immer wieder an einen Berufsausstieg – in absoluten Zahlen wären das 27.700 Pflegekräfte.
Befragt wurden Beschäftigte im Krankenhausbereich während der dritten Welle der Coronavirus-Pandemie im März und April. Von ihnen gaben 86 Prozent in der repräsentativen Umfrage an, dass sich die Arbeitssituation durch das Coronavirus sehr stark oder stark verschlechtert hat.
85 Prozent leiden unter der erhöhten psychischen Belastung, die sich u. a. durch Stress, Ängste, Sorgen und Schlaflosigkeit zeigt. Auch körperlich macht sich die Situation bemerkbar, rund die Hälfte sieht sich sehr stark bis stark belastet. Angeführt werden Erschöpfung und zusätzliche oder verstärkte Schmerzen sowie andere körperliche Beschwerden. Laut den Studienautorinnen, der Diplomkrankenpflegerin Alexandra Gferer und der Soziologin Natali Gferer, seien die Betroffenen „am Limit“. Das unterstrichen sie auch im Gespräch mit dem ORF-„Report“.
Als größte Belastung wurde das erhöhte Arbeitspensum angegeben (81 Prozent), gefolgt von mehr organisatorischem Aufwand (59 Prozent), dem stundenlangen Tragen der Schutzausrüstung (57 Prozent), Personalmangel (55 Prozent) sowie der unabsehbaren Perspektive in der Pandemie (53 Prozent). Auch nach einem Jahr Pandemie sind mehr als die Hälfte der Meinung, dass sich die Arbeitssituation weiter verschlechtert hat.
Zwei Drittel erwogen bereits Jobwechsel
Unter diesen Vorzeichen wurde auch erhoben, wie viele Pflegekräfte sich einen Berufswechsel vorstellen können. Die Zahl ist alarmierend: Zwei Drittel der Gesundheits- und Krankenpflegekräfte haben zumindest einmal oder sogar schon öfters an einen Berufsausstieg gedacht. Fast die Hälfte erwägt sogar regelmäßig einen Jobwechsel. Auf absolute Zahlen umgelegt wären das mehr als 27.700 Pflegekräfte. Fünf Prozent bereiten derzeit aktiv ihren Branchenwechsel vor, sie gehen dem Pflegesystem verloren.
Die Gründe dafür sind eindeutig: 55 Prozent führen eine zu geringe Entlohnung als Grund an, gefolgt von den Belastungen durch Personalmangel und dem Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance. Bemängelt werde in erste Linie die Entlohnung, weil sie Verantwortung und Ausmaß der Arbeit nicht gerecht werde, so Alexandra Gferer.
Von fehlendem Respekt bis zu Gewalt
Ein weiterer Punkt ist für rund die Hälfte der Ausstiegswilligen die fehlende Wertschätzung des Berufs. „Man könnte meinen, dass die Pandemie dazu beigetragen hat, dass die Gesellschaft sich mit der Pflege solidarisiert. Aber leider geben zwei Drittel an, dass sie sich nicht mehr von den Patientinnen respektiert fühlen. Und es sind sogar fast die Hälfte, die meinen, dass Gewalt von Patienten zugenommen hat“, so Natalie Gferer.
In der Umfrage berichten 60 Prozent von verbaler Gewalt wie Beleidigungen, Beschimpfungen und Drohungen. 17 Prozent waren auch von körperlicher Gewalt wie beispielsweise Schlägen, Tritten und Bissen betroffen. In absoluten Zahlen wären das 10.000 Pflegekräfte. Alexandra Gferer führte das unter anderem auf die Anspannung durch Covid-19, aber auch durch längere Wartezeiten und unklare Prozesse zurück.
Politik gefordert
„Was alle Gesundheits- und Krankenpflegepersonen spüren, wurde hier erstmalig in Zahlen gegossen“, so die Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV), Elisabeth Potzmann. Jetzt sei es unumgänglich, langjährige Forderungen des Verbandes umzusetzen. Auch die Studienautorinnen bezeichneten die verbreitete Bereitschaft zum Jobwechsel als „erschreckend“. Alexandra Gferer betonte, dass der Großteil der Pflegekräfte das Gefühl habe, keine ausreichende Unterstützung von der Politik zu bekommen.
Die Pandemie sei eine Chance für eine dringend notwendige Gegenbewegung. Schon jetzt sei der Pflegebedarf enorm, mit der demografischen Entwicklung hin zu einer älteren Gesellschaft und anstehenden Pensionierungswellen in der Pflege werde die Lager immer prekärer. Eine höhere Entlohnung, mehr Wertschätzung, eine bessere Dienstplansicherheit und neue Arbeitszeitmodelle seien ein erster Schritt, um den Beruf für neue Kräfte attraktiver zu machen, aber auch, um bestehende zu halten.“[2]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Wie viele Personen waren in den Jahren 2019 bis einschließlich 2025 jeweils im Gesundheitsberuferegister als Pflegepersonen (DGKP, PFA, PA) registriert? (Bitte um Aufschlüsselung nach Jahr und Berufsgruppe)
2. Wie viele dieser registrierten Pflegepersonen waren im selben Zeitraum tatsächlich in der stationären Pflege, mobilen Pflege oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen tätig? (Bitte ebenfalls um jährliche Aufschlüsselung)
3. Wie viele Arbeitskräfte insgesamt waren im selben Zeitraum in der stationären Pflege, mobilen Pflege oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen tätig? (Bitte ebenfalls um jährliche Aufschlüsselung)
4. Wie hoch war jeweils die Zahl der in Krankenanstalten tätigen Pflegepersonen nach Berufsgruppen (DGKP, PFA, PA) sowie der zugehörigen Vollzeit-äquivalente in den Jahren 2019 bis 2025?
5. Wie haben sich diese Zahlen von 2019 bis dato entwickelt?
a. Welche Auffälligkeiten weisen diese auf?
b. Wie begründen sich diese?
6. Welche Maßnahmen hat das Ministerium im Zeitraum der COVID-19-Pandemie gesetzt, um dem Abwanderungstrend im Pflegebereich (besonders bei der stationären Pflege, der mobilen Pflege oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen) entgegenzuwirken und das Personal zu entlasten?
a. Welche Erfolge sind hier zu verzeichnen?
b. Gibt es Studien dazu?
c. Was sagen diese dazu aus?
d. Welche Probleme bestehen noch?
e. Welche Maßnahmen werden gegen diese ergriffen?
7. Welche konkreten Unterstützungsangebote wurden für psychisch und physisch belastete Pflegekräfte geschaffen?
a. Welche Erfolge sind hier zu verzeichnen?
b. Gibt es Studien dazu?
c. Was sagen diese dazu aus?
d. Welche Probleme bestehen noch?
e. Welche Maßnahmen werden gegen diese ergriffen?
8. Gibt es Erkenntnisse oder Studien seitens Ihres Ministeriums zu den Aus-wirkungen der Pandemie auf den Verbleib von Pflegepersonen im Beruf?
a. Wenn ja, bitte um Übermittlung der Ergebnisse.
b. Welche Probleme bestehen noch?
c. Welche Maßnahmen werden gegen diese ergriffen?
9. Wie viele Pflegepersonen sind seit 2020 aus dem Beruf ausgeschieden bzw. in andere Berufsbereiche gewechselt?
a. Gibt es eine Datengrundlage zur Motivation dieser Austritte?
b. Können die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie als Motivation für das Ausscheiden aus dem Beruf angenommen werden?
c. Gibt es dazu Daten?
i. Wenn ja, was sagen diese aus?
ii. Wenn nein, wurden keine Begründungen zum Ausscheiden aus dem Beruf erfasst?
d. Welche anderen Begründungen wurden seit 2019 für das Ausscheiden aus dem Beruf angegeben?
10. Wie viele der während der Pandemie neu aufgenommenen Pflegekräfte sind heute noch im Beruf tätig?
11. Welche konkreten Reformschritte plant das Ministerium angesichts der Pensionierungswellen in der Pflege sowie der demografischen Entwicklung?
12. Inwiefern ist geplant, zentrale Forderungen des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV) wie bessere Dienstplansicherheit, attraktivere Arbeitszeitmodelle und eine signifikante Erhöhung der Entlohnung umzusetzen?