130/J XXVIII. GP
Eingelangt am 21.11.2024
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm
an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft
betreffend Kürzung der Mittel für den Insolvenzentgeltfonds in Krisenzeiten –Folgenanfrage zu 8860/AB aus dem Jahre 2022
In der Anfragebeantwortung 8860/AB zu 8982/J betreffend „Kürzung der Mittel für den Insolvenzentgeltfonds in Krisenzeiten“ hat der damalige Arbeitsminister und aktuelle Arbeits- und Wirtschaftsminister auszugweise folgende Antworten übermittelt:[1]
Die aktuellen Rahmenbedingungen, insbesondere die unerwartet starke wirtschaftliche Erholung, lassen kein intensives Insolvenzgeschehen für das Jahr 2022 erwarten. Die Verlängerung der COVID-Kurzarbeit und des Verlustersatzes bis Ende März 2022 werden die Unternehmen zudem weiterhin mit Liquidität versorgen. Unter der Annahme des Auslaufens der meisten COVID-19-Hilfen im Laufe des Jahres 2022 und der 1. Ratenzahlungsphase seitens der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) und der Finanzämter ist für 2022 eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens auf dem Niveau der Jahre 2019 und 2020, jedoch keine Insolvenzwelle zu erwarten.
Relevante Größe für die Gebarung des Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) ist dabei die Zahl der zu erwartenden Insolvenzentgeltfälle. Für das Jahr 2022 wird mit rund 20.000 Antragsstellerinnen und Antragstellern auf Insolvenzentgelt gerechnet. Im langjährigen Durchschnitt sind in jedem Sicherungsfall (=insolvente Firma) 9,2 Antragstellerinnen und Antragsteller zu verzeichnen. Rechnerisch ergeben sich daher rund 2.200 Insolvenzen für das Jahr 2022. Jedoch sind Sicherungsfälle nicht mit Insolvenzen im Sinne der Insolvenzordnung gleichzusetzen. Nach § 1 Abs. 1 Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG) gilt die Insolvenzentgeltsicherung nicht nur in eröffneten Insolvenzen und bei nicht eröffneten Insolvenzanträgen, sondern auch z.B. bei Löschungen nach dem Firmenbuchgesetz oder im Falle der Überschuldung des Nachlasses eines Einzelunternehmers.
Die Betrachtung der vergangenen 15 Jahre zeigt, dass die Bereiche Marktdienstleistungen (ÖNACE G-N), Bauwirtschaft (ÖNACE F) und Sachgütererzeugung (ÖNACE C) zu rund 90% das Insolvenzgeschehen bestimmen. Die Marktdienstleistungen weisen den größten Anteil der Entgeltsicherungsfälle auf, gefolgt von der Bauwirtschaft und der Sachgütererzeugung. Über den weiteren Verlauf der Insolvenzverfahren und damit verbunden über den Erhalt bzw. Verlust von Arbeitsplätzen in den von Insolvenz betroffenen Unternehmen liegen dem Bundesministerium für Arbeit keine Prognosen vor.
Wie bereits in der wirkungsorientierten Folgeabschätzung ausgeführt, ist gemäß § 12 Abs. 3 Z 2 IESG der Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag zu senken, wenn sich unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Bilanz des Vorjahres sowie des voraussichtlichen Gebarungsabschlusses des laufenden Jahres und des Folgejahres laut Voranschlag ein Überschuss ergibt, der 20 vH des durchschnittlichen Leistungsaufwandes dieser Jahre übersteigt. Diese Situation ist aktuell gegeben.
Primäre
Aufgabe des IEF ist es, die Existenzsicherungen von Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern, die von Unternehmensinsolvenzen direkt
betroffenen sind, durch die
Übernahme der offenen arbeitsrechtlichen
Ansprüche, zu gewährleisten. Der IEF ist daher gesetzlich verpflichtet, stets über die ausreichende
Liquidität zu verfügen, um auch im Falle des Auftretens einer Großinsolvenz diese Aufgabe
erfüllen zu können. Das Veranlagungsmanagement des IEF unterliegt
dabei sehr strengen Bedingungen und wird engmaschig
durch die Aufsichtsgremien und -organe auf Basis einer restriktiven Veranlagungsrichtlinie mit folgenden Vorgaben kontrolliert:
-
Erlaubte Instrumente sind ausschließlich
Geldmarktveranlagungen
(Termineinlagen) und Anleihen.
- Sehr kurze maximale (Rest)-Laufzeit von 18 Monaten.
-
Zulässige Partner sind in Österreich
tätige Banken und österreichische Anleihe-Emittenten mit Rating im
Investmentgrade-Bereich.
Je Emittent sind – abhängig vom Rating und
den Kundeneinlagen – maximal € 100 Mio. an
Gesamtveranlagungsvolumen festgelegt. Bei einem einzelnen Emittenten dürfen
nicht mehr als 25 % der vorhandenen Gesamtmittel des IEF veranlagt werden.
- Anleihen dürfen maximal 25 % Anteil am Veranlagungsportfolio haben.
- Zinssätze sind im Vorhinein als Fix-Zinssatz oder als variable Verzinsung auf Basiseines offiziellen Geldmarktreferenzsatzes (z.B. 3-Monats-EURIBOR) zu vereinbaren
Derzeit sind etwa 98 % des Veranlagungsportfolios des IEF in Geldmarktveranlagungen und rund 2 % in Anleihen veranlagt. Maximal rund 11 % der Gesamtliquidität liegen aktuell bei einem Bankinstitut. Sämtliche Veranlagungslimits sind und wurden bis dato richtlinienkonform eingehalten.
In den Jahren 2020 und 2021 hat die IEF-Service GmbH bei nachstehenden Bank- und Finanzinstituten finanzielle Veranlagungen getätigt:
- Austrian ANADI Bank
- BAWAG
- BKS Bank AG
- BTV
- Bank Burgenland AG
- Hypo Niederösterreich
- Hypo Tirol
- Hypo Vorarlberg
- Kommunalkredit Austria AG
- RBI AG
- RLB NÖ-Wien
- RLB OÖ
- RLB Tirol
- Schellhammer & Schattera
- Sparkasse Kärnten
- UniCredit Bank Austria AG
- Volksbank Wien AG
Bis März 2021 konnte die IEF-Service GmbH durch effizientes Veranlagungsmanagement Negativzinszahlungen und/oder Verwahrentgelte vermeiden. Ab April 2021 fiel aber auf dem Zahlungsverkehrskonto bei der BAWAG ein Verwahrentgelt iHv minus 0,5 % mit einem Freibetrag von € 7 Mio. an. Analog dazu konnten ab diesem Zeitpunkt Neuveranlagungen infolge des bestehenden Marktumfeldes (z.B. Leitzinssatz der EZB bei 0,0 %, Einlagenzinssatz für Banken bei der EZB minus 0,5 %, negative Euribor-Referenzzinssätze bereits seit 2015) nicht mehr zu positiven Zinssätzen platziert werden, wenngleich die Veranlagungszinssätze teilweise erheblich besser ausfielen als das Verwahrentgelt auf dem Zahlungsverkehrskonto bei der BAWAG.
Im Jahr 2021 fielen bis einschließlich drittem Quartal folgende Verwahrentgelte
bzw. Negativzinsen (Zinsaufwände) an:
BAWAG Verwahrentgelt
Zahlungsverkehrskonto 251.001,03
BKS negative
Verzinsung für Veranlagung 5.710,66
BTV negative
Verzinsung für Veranlagung 1.736,11
Hypo NÖ Verwahrentgelt
für Veranlagung 271,97
RLB OÖ Verwahrentgelt
für Veranlagung 55.451,80
Unicredit Bank Austria Verwahrentgelt für Veranlagung 307.249,14
Summe 621.420,71
Die Funktionsperiode einer der beiden Geschäftsführer endet mit 14. Februar 2022. Es ist daher gemäß §§ 1 und 2 Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellenbesetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz 1998) eine Ausschreibung der Funktion vorzunehmen. Diese Ausschreibung ist in der „Wiener Zeitung“ sowie in der Tageszeitung „Der Standard“ bereits erfolgt. Die fristgerecht einlangenden Bewerbungen werden in weiterer Folge gesichtet, die Eignungskriterien erfüllenden Bewerberinnen und Bewerber zu einem Hearing eingeladen und die bestgeeignete Kandidatin oder der bestgeeignete Kandidat zur Geschäftsführerin oder zum Geschäftsführer bestellt werden.
Auch
in der Vergangenheit wurde bei Auslaufen der jeweiligen Funktionsperioden der
einzelnen Geschäftsführer bzw. der
einzelnen Geschäftsführerinnen eben diese
Vorgangsweise gewählt. Der Bestellung für
eine neue Funktionsperiode ging immer die öffentliche
Ausschreibung der Funktion voran.
In diesem Zusammenhang richten die Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch und Peter Wurm an den Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft folgende
Anfrage
1. Hat sich die Prognose, dass für 2024 kein „intensives Insolvenzgeschehen“ zu erwarten ist, aktuell nach den letzten zehn Monaten für den Insolvenzentgeltfonds bzw. das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft im Jahr 2024 bewahrheitet?
2. Gehen Sie weiterhin davon aus, dass „2024 eine Normalisierung des Insolvenzgeschehens auf dem Niveau der Jahre 2019 und 2020, jedoch keine Insolvenzwelle zu erwarten ist“?
3. Wie hat der Insolvenzentgeltfonds die Entwicklung der Insolvenzen seit dem 1.1.2024 insgesamt bzw. heruntergebrochen auf die einzelnen Bundesländer und Branchen tatsächlich wahrgenommen?
4. Sind die in den Fragen 1 und 2 wiedergegebenen Annahmen für das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft weiterhin aufrecht?
5. Hat sich die ursprünglich getroffene Annahme von 20.000 Antragstellerinnen und Antragstellern aus dem Jahr 2022 für das Jahr 2024 bisher bewahrheitet?
6. Wie viele Anträge wurden in den Monaten Jänner bis November 2024 bisher gestellt?
7. Wie haben sich diese Anträge auf Insolvenzentgeltsicherung in den Monaten Jänner bis November 2024 auf die einzelnen Bundesländer und Branchen aufgeteilt?
8. Wie haben sich diese Anträge auf Insolvenzentgeltsicherung in den Monaten Jänner bis November 2024 jeweils auf eröffneten Insolvenzen und auf nicht eröffneten Insolvenzanträgen, sowie auf Fälle bei Löschungen nach dem Firmenbuchgesetz oder im Falle der Überschuldung des Nachlasses eines Einzelunternehmers aufgeteilt?
9. Wie haben sich diese Anträge auf die einzelnen Branchen, dh. Marktdienstleistungen (ÖNACE G-N), Bauwirtschaft (ÖNACE F) und Sachgütererzeugung (ÖNACE C) bzw. weitere Branchen prozentuell aufgeteilt?
10. Haben sich die Annahmen der wirkungsorientierten Folgeabschätzung zur Senkung des Zuschlags zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag für das Jahr 2024 bewahrheitet bzw. als richtig erwiesen oder musste in der teilnehmenden Beobachtung für das Jahr 2024 die Annahmen revidiert werden und wenn ja in welcher Art und Weise?
11. Mit welchen Bank- und Finanzinstituten wurden 2024 Veranlagungsgeschäfte durch den Insolvenzentgeltfonds eingegangen?
12. Wie haben sich hier insbesondere die sogenannten Verwahrungsentgelte bzw. „Negativzinsen“ für das laufende Jahr 2022 entwickelt?
13. Ist bzw. war bzw. wird die Gebarung der IEF-Service GmbH in der Vergangenheit, aktuell bzw. zukünftig auch Gegenstand der Prüfungen der Internen Revision „Bereich Arbeit“ im BMAW sein?