149/J XXVIII. GP
Eingelangt am 21.11.2024
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möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Christian Ragger
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Keine Qualitätskontrollen bei Gutachten
Am 19.11.2024 berichtete die „Kronen Zeitung“ in ihrem Online-Medium über einen Gutachten-Skandal. Anscheinend häufen sich Vorfälle und Beschwerden über mangelhafte Qualität der Begutachtung, was zu erheblichen Nachteilen für die Betroffenen führt.
Gutachter-„Pfusch“?
Frau sieht nichts, gilt aber nicht als blind
Nach einem Schlaganfall funktioniert das Sehzentrum einer 46-Jährigen nicht mehr. Man schickte sie aber nicht zum Neurologen, sondern zum Augenarzt, der ihr vorwarf zu „simulieren“. Jetzt fechtet sie einen verzweifelten Kampf um das Pflegegeld aus und legt auch bedenkliche Vorgänge offen, auf die die Pensionsversicherungsanstalt nicht antwortet.
Dreiminütige Hausbesuche und Schlussfolgerungen, die aus fachlicher Sicht gar nicht möglich sind – weil Befunde nicht einmal grob angesehen wurden! Immer häufiger gibt es solche Meldungen, die „Krone“ berichtet immer wieder. So wie im Fall von Bettina Schenkenfelder (46) aus dem Bezirk Baden.
Schlaganfall zu spät festgestellt
Schon in der Kindheit litt sie an Epilepsie. Im Jänner 2023 erlitt sie dann einen Schlaganfall, was man zuerst anders einordnete. „Ich klagte über Kopfschmerzen, ein paar Stunden später konnte ich nichts mehr sehen. Ein Scan wurde erst zwei Tage später gemacht, leider ist das Sehzentrum abgestorben“, beschreibt die Frau, dass die Augen nach wie vor „sehen“, aber der Teil des Gehirns dies nicht mehr verarbeiten könne.
Erhöhung der Pflegestufe zuerst abgelehnt
Bereits Pflegestufe 1 beziehend, reichte sie um eine Erhöhung ein. Abgelehnt! „Eine Psychiaterin kam zum Hausbesuch. Sie war knapp drei Minuten in meiner Wohnung, machte sich Notizen und ging wieder. Es gab kein Gespräch und keine Einsicht in meine Befunde.“ Nach zwei gerichtlichen Gutachten kam es zur Verhandlung im Dezember. Das Ergebnis: Pflegestufe 3. Sie sei aber praktisch blind, was Stufe 4 bedeuten müsste.
Pensionsversicherung: „Kann ja wieder klagen“
Die Pensionsversicherung (PV) beruft sich auf ein Gutachten, das nur eine hochgradige Sehbehinderung belege. Und: Schenkenfelder könne ja wieder klagen: „Mit der Einbringung der Klage kann Frau Schenkenfelder aktuelle ärztliche Gutachten vorlegen, die eventuell zu einer Neubeurteilung des Pflegeaufwandes, also der Pflegestufe, durch das Gericht führen“, heißt es.
Mit „gesunden Augen“ zum Augenarzt
„Ich musste zu einem PV-Augenarzt, obwohl meine Augen ja nichts haben. Der schrieb in das Gutachten, dass ich simuliere“, ist die Patientin empört. Später hieß es, die Causa sei Sache der Rechtsabteilung, eine Kollegin hätte nichts von einem Schlaganfall erwähnt.
Empfohlene Untersuchung lag bereits vor
Zudem wurde eine Gehirnstrommessung empfohlen – ein solcher Befund lag aber bereits vor und bestätigte die Angaben der Frau. Denn bei dieser VEP-Untersuchung werden Elektroden am Kopf angebracht und gemessen, ob das Sehzentrum hier etwas wahrnimmt oder nicht. „Da kann man nicht simulieren. Interessant ist, dass meine Messung zeigt, dass mein Gehirn keine Bewegungen und so weiter wahrnimmt!“
Schenkenfelders Augen sind intakt, aber ihr Sehzentrum ist abgestorben. Trotzdem wurde sie zum Augenarzt und nicht zum Neurologen geschickt.
Aber wie könne es sein, dass sich immer öfter Personen wegen ähnlich skandalöser Gutachtenerstellungen, Befunde und Praktiken der Pensionsversicherung an die „Krone“ wenden? Was wird hier getan, um dies zu vermeiden? Gibt es keine Qualitätskontrollen, um künftig Anspruchsberechtigten wieder mehr Sicherheit zu geben?
Und warum ist es nicht möglich, dass man eine so gut wie nachgewiesene Nichtleistung eines Gutachters selbst ahndet und korrigiert, wenn etwa bereits ganz klar Befunde vorliegen, die der Arzt nicht wahrnimmt und diese einfordert? Diese und mehr Fragen richtete die „Krone“ auch an die Pensionsversicherung. All diese Fragen blieben jedoch unbeantwortet.[1]
Die Pensionsversicherungsanstalt stützt sich auf ein Gutachten, das nur eine hochgradige Sehbehinderung diagnostiziert, und verweist darauf, dass die Frau erneut klagen könne. Dabei ignoriert sie vorhandene Befunde wie eine Gehirnstrommessung, die die Blindheit bestätigt. Seitens der PV wurden anscheinend fragwürdige Gutachterpraktiken angewendet. Es hat keine Antworten auf Nachfragen gegeben und es wurden keine Konsequenzen aus den offensichtlichen Fehlern gezogen. Daher stellt sich die Frage, warum es keine effektiven Qualitätskontrollen gibt, um solche Missstände zu verhindern und Betroffenen mehr Sicherheit zu geben.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Welche Maßnahmen werden derzeit gesetzt, um die Qualität von Gutachten im Bereich der Pensionsversicherung sicherzustellen?
2. Gibt es Qualitätskontrollen für die Erstellung von Gutachten?
a. Wenn ja, wie sehen diese aus und wie oft werden sie durchgeführt?
3. Wie wird überprüft, ob Gutachter alle relevanten Befunde berücksichtigen?
4. Welche Konsequenzen drohen Gutachtern, die nachweislich unzureichende oder fehlerhafte Gutachten erstellen?
5. Warum werden Patienten in Fällen wie dem von der im Artikel genannten Dame zu fachlich unpassenden Ärzten (z. B. Augenärzten statt Neurologen) geschickt?
6. Welche internen Kontrollmechanismen existieren, um sicherzustellen, dass Patienten an die richtigen Fachärzte überwiesen werden?
7. Wie häufig kommt es zu Beschwerden über unzureichende Gutachten bei der Pensionsversicherungsanstalt, und wie werden diese bearbeitet?
8. Gibt es eine Übersicht über die Anzahl der Klagen gegen die Pensionsversicherung aufgrund von Gutachten?
9. Wie lange dauern durchschnittlich die Verfahren, in denen Betroffene gegen die Einstufung der Pflegestufe klagen?
10. Warum wurde der Fall von der im Artikel genannten Dame trotz klarer medizinischer Befunde nicht vorab korrekt eingestuft?
11. Werden externe unabhängige Experten bei der Begutachtung schwieriger Fälle hinzugezogen?
12. Welche Schritte werden unternommen, um sicherzustellen, dass Patienten mit neurologischen Einschränkungen adäquate Untersuchungen erhalten?
13. Wie wird sichergestellt, dass die Pensionsversicherung auf Anfragen der Öffentlichkeit und Medien transparent reagiert?
14. Ist geplant, die Schulung und Weiterbildung von Gutachtern zu verbessern, insbesondere bei komplexen neurologischen Fällen?
15. Welche Unterstützung erhalten Betroffene während des Einspruchsprozesses gegen Gutachten und Pflegeeinstufungen?
16. Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Pensionsversicherung, Gutachtern und unabhängigen medizinischen Experten optimiert werden?
17. Welche rechtlichen Änderungen wären nötig, um die Haftung von Gutachtern für nachweislich fehlerhafte Gutachten zu regeln?
18. Welche Hilfestellung können Betroffene von der Patientenanwaltschaft in Fällen wie diesen erwarten?
19. Wie oft wurde die Patientenanwaltschaft in Fällen wie diesen in den Jahren 2019 bis dato um Hilfe ersucht?
20. Wie oft konnte die Patientenanwaltschaft in Fällen wie diesen tatsächlich helfen?
21. Ist geplant, das Angebot, auch anderer Stellen, die der Hilfestellung dienen, für die Patienten auszubauen?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
22. Wie bewertet die Regierung die aktuelle Situation im Umgang mit fehlerhaften Gutachten bei der Pensionsversicherung?
23. Was wird unternommen, um in Zukunft sicherzustellen, dass vergleichbare Fälle schneller und korrekter bearbeitet werden?