1966/J XXVIII. GP
Eingelangt am 06.05.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten MMag. Dr. Michael Schilchegger
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Verordnung gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) im Jahr 2022 (VO Verlustersatz III), BGBl. II Nr. 582/2021
Die Abwicklung von österreichischen Unternehmensförderungen zum Ausgleich von wirtschaftlichen Nachteilen, die aufgrund von COVID-19-Maßnahmen des Bundes entstanden sind, hatte auch eine beihilferechtliche Dimension. Denn die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH (COFAG) vergab mitunter auch Förderungen ohne Rücksicht auf die Frage, ob nicht einzelne Unternehmen in unions-rechtlicher Betrachtungsweise doch im Rahmen eines Unternehmensverbundes (Konzerns) zu einem einzigen „Unternehmen“ zusammenzufassen wären. Auf diese Weise überschritten ausbezahlte Fördersummen mitunter einen beihilfenrechtlich zulässigen Höchstbetrag von 2,3 Millionen Euro bzw. 12 Millionen Euro „pro Unternehmen“. „Die Frage, ob die Unternehmensverbund-Betrachtung im Einklang mit den beihilfenrechtlichen Regelungen der EU steht, ist derzeit Gegenstand von Gesprächen des Bundes mit der Europäischen Kommission", hieß es Medienberichten zufolge in einem Brief der COFAG an einen Förderwerber.[1]
Gegenüber den betroffenen Unternehmen wurde zunächst die Auszahlung zugesagter Fördergelder gestoppt. Als Ergebnis von Verhandlungen mit der Europäischen Kommission sei offenbar eine Lösung gefunden worden, auf deren Basis die Auszahlung weiterer Corona-Förderungen über 750 Millionen Euro genehmigt wurde.[2]
Das Bundesgesetz über die Neuordnung der Aufgaben der COVID-19-Finanzierungs-agentur des Bundes (COFAG-Neuordnungs- und Abwicklungsgesetz – COFAG-NoAG) sieht vor, dass sämtliche Rechte und Pflichten der COFAG aus Förder-verträgen mit 1. August 2024 unverändert auf den Bund übergehen (§ 6 Abs. 1 COFAG-NoAG). Das zuständige Finanzamt hat jeweils Rückerstattungsansprüche zu erheben und mit Abgabenbescheid festzusetzen, die sich u.a. zusammensetzen aus „dem Differenzbetrag zwischen dem Auszahlungsbetrag und jenem Betrag, der dem Vertragspartner [Fördernehmer] beihilfenrechtlich als finanzielle Leistung zusteht“.[3]
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Finanzen nachstehende
Anfrage
1. Sind außer der o.a. Thematik der Überschreitung beihilfenrechtlich zulässiger Höchstbeträge im Zusammenhang weitere (objektive) Überschreitungen der beihilferechtlichen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der im Titel genannten Verordnung (in der jeweils geltenden Fassung) bekannt?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, inwiefern werden weitere potentielle Überschreitungen des beihilferechtlichen Rahmens geprüft?
c. Wenn nein, inwiefern können solche Überschreitungen und daraus resultierende Rückerstattungsansprüche ausgeschlossen werden?
2. Auf welchen primärrechtlichen Grund wurde die im Titel genannte Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung) gestützt?
a. Wenn auf „Art 107 Abs. 2 lit b AEUV“ („Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind“), weshalb war hier die Europäische Kommission miteinzubeziehen, obwohl derartige Förderungen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind?
b. Wenn auf „Art 107 Abs. 3 lit b AEUV“ („Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“), wie erklärt sich, dass Förderungen mitunter auch auf Art 107 Abs. 2 lit b AEUV gestützt wurden, obwohl die COVID-19-Pandemie als ein einziges Ereignis anzusehen ist?
c. Wenn auf einen sonstigen Rechtsgrund, auf welchen?
3. Welche spezielleren beihilferechtlichen Rahmenbedingungen, die von der Europäischen Kommission vorgegeben wurden, waren für die im Titel genannte Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung) maßgebend? (Ersucht wird um Bekanntgabe der jeweiligen Rechtsakte und des Orts der Kundmachung)
4. Auf welchen Entscheidungen der Europäischen Kommission basiert die Genehmigung der im Titel genannte Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung)? (Ersucht wird um Angabe des Rechtsakts bzw. der Rechtsakte und des jeweiligen Orts der Kundmachung)
5. Welche beihilferechtlichen Obergrenzen waren demnach für die im Titel genannte Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung) maßgebend?
6. Wenn die Europäische Kommission in ihrer Entscheidung vom 23.05.2020 SA.57291 [2020/N] – Austria – COVID-19; Compensation Scheme: Directive for fixed cost subsidies] die Unterscheidung zwischen „undertaking“ und „group“ nachvollzieht [Rz 48, 49] und somit auf Basis der Begriffe „Unternehmen“ und „Konzern“ im Sinne des österreichischen Rechtsverständnisses operiert:
a. Wurde die Europäische Kommission mit diesem Einwand konfrontiert?
i. Wenn nein, warum nicht?
b. Inwiefern wurde die undifferenzierte Rechtsauffassung, wonach eine Unternehmensgruppe gleichsam stets als ein einziges Unternehmen anzusehen wäre, bereits in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof geprüft? (Ersucht wird um Angabe all jener Geschäftszahlen zu Gerichtsurteilen des EuGH, die bereits im Zusammenhang mit der gegenständlichen Problematik dokumentiert wurden)
7. Inwiefern wurden die Geschäftsführer der COFAG oder zumindest all jene Mitarbeiter, die tatsächlich mit der Förderabwicklung betraut waren, über die unionsrechtlichen Rahmenbedingungen des Beihilferechts, das diesbezüglich spezielle Verständnis des Rechtsbegriffs „Unternehmen“ und die sich daraus ergebende Mitberücksichtigung der Gesellschafterstruktur informiert?
a. Wenn ja, in welcher Form?
b. Wenn ja, wie konnte das folgenschwere Missverständnis, das in der o.a. Medienberichterstattung thematisiert wurde, dennoch geschehen?
c. Wenn nein, warum nicht?
8. Welches Fördervolumen wurde (insgesamt) aufgrund der im Titel genannte Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung), wenn auch nur vorläufig, zur Auszahlung genehmigt?
9. Welches Fördervolumen wurde (insgesamt) aufgrund der im Titel genannten Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung), wenn auch nur vorläufig, tatsächlich an Förderwerber ausbezahlt?
10. Inwiefern sind Medienberichte zutreffend, wonach infolge von Verhandlungen mit der Europäischen Kommission eine Auszahlung von 750 Millionen Euro nachträglich genehmigt wurde?
a. Auf welchen Entscheidungen der Kommission basierten diese Genehmigungen? (Ersucht wird um Angabe des Rechtsakts bzw. der Rechtsakte und des jeweiligen Orts der Kundmachung)
b. Welche Summen wurden nachträglich genehmigt aufgrund von Antragstellungen gemäß der Verordnung gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien zur beihilfenrechtskonformen Abwicklung von Spätanträgen durch die COVID-19 Finanzierungs-agentur des Bundes GmbH (COFAG) (Spätantragsrichtlinien)?
c. Welche Summen wurden nachträglich genehmigt aufgrund von Antragstellungen gemäß der Verordnung gemäß § 3b Abs. 3 des ABBAG-Gesetzes betreffend Richtlinien zur Umwidmung von Obergrenzen überschreitenden Beihilfen der COVID-19 Finanzierungs-agentur des Bundes GmbH (COFAG) in einen Verlustersatz, einen Schadensausgleich oder eine De-minimis-Beihilfe (Obergrenzen-richtlinien)?
11. Wie viele Förderwerber sind in Bezug auf die im Titel genannten Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung) von einer Rückforderung aus beihilfe-rechtlichen Gründen insgesamt betroffen?
12. Welche Summen wurden bisher von Förderwerbern aufgrund der im Titel genannte Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung), aufgrund des § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG oder einer Berufung auf fördervertragsrechtliche Ansprüche, die sich unmittelbar aus zivilrechtlichen Rahmenbedingungen bzw. der Nichtigkeit beihilferechtswidriger Zahlungen ergeben, zurückgefordert?
13. Welche Summen wurden insgesamt tatsächlich einbringlich gemacht?
14. Welche Summen sind als uneinbringlich abzuschreiben? (Ersucht wird um eine anonymisierte Aufschlüsselung (Fallzahl, Fördersumme, zurückgeforderter Teil, Höhe der abgeschriebenen Förderung))
15. Welche Verfahren aufgrund von Rückforderungen aus beihilferechtlichen Gründen aufgrund von Fördervergaben zu der im Titel genannten Verordnung (in ihrer jeweils geltenden Fassung) sind derzeit anhängig oder bereits rechtskräftig abgeschlossen? Ersucht wird um Aufschlüsselung nach
a. Verfahren vor den Abgabenbehörden (Anzahl + Rk-Anzahl gesondert),
b. Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht (Geschäftszahl),
c. Verfahren vor dem VwGH (Geschäftszahl),
d. Verfahren vor dem VfGH (Geschäftszahl),
e. Verfahren vor den Zivilgerichten (Geschäftszahl),
f. Verfahren vor der Europäischen Kommission,
g. Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.
[1] https://www.derstandard.at/story/2000144246274/oesterreich-im-visier-der-eu-wegen-ueberfoerderung-mit-corona-hilfen.
[2] https://www.derstandard.at/story/3000000182506/kommission-genehmigt-coronaf246rderungen- in-h246he-von-750-mio-euro
[3] § 14 Abs. 2 Z 2 COFAG-NoAG
https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20012651&FassungVom=2025-01-19&Artikel=&Paragraf=14&Anlage=&Uebergangsrecht=