1982/J XXVIII. GP

Eingelangt am 06.05.2025
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Gerhard Kaniak

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten-schutz

betreffend Corona - Anstieg psychischer Erkrankungen

 

 

Seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat sich die psychische Gesundheit in Österreich deutlich verschlechtert. Zahlreiche Studien, Datenanalysen und Rückmeldungen aus dem Gesundheitswesen zeigen, dass psychische Belastungen in allen Bevölkerungs-gruppen zugenommen haben – teilweise massiv.

 

Die Pandemie führte durch wiederholte Lockdowns, soziale Isolation, wirtschaftliche Unsicherheit und veränderte Arbeits- und Lernbedingungen zu erhöhtem Stress. Viele Menschen litten unter Ängsten, Schlafstörungen, depressiven Verstimmungen oder chronischer Erschöpfung. Besonders stark betroffen waren dabei Kinder und Jugendliche. Die HBSC-Studie 2021/22 dokumentierte eine signifikante Zunahme psychosomatischer Beschwerden in dieser Altersgruppe, wobei vor allem Mädchen über Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit und Schlafprobleme klagten. Der schulische Druck durch Distance Learning, Leistungsanforderungen und fehlende soziale Interaktionen verschärfte diese Entwicklungen zusätzlich.[1]

 

Auch in der erwachsenen Bevölkerung wurde eine deutliche Zunahme psychischer Belastung festgestellt. Eine Studie der SORA im Auftrag des Fonds Soziales Wien zeigte etwa, dass der Anteil an Personen mit Erschöpfung in Wien von 36 % im Jahr 2020 auf 62 % im Jahr 2022 gestiegen ist. Noch alarmierender: Suizidgedanken wurden im selben Zeitraum fast viermal so häufig geäußert – ein Anstieg von 7 % auf 25 %.[2]

 

Diese Zunahme an psychischer Belastung trifft auf ein fragmentiertes Versorgungssystem. Österreich leidet unter einem Mangel an leistbaren und leicht zugänglichen Psychotherapieplätzen. Nur rund 40 % aller Therapieplätze sind kassenfinanziert, die restlichen müssen privat bezahlt werden – was für viele Betroffene eine kaum überwindbare Hürde darstellt. Lange Wartezeiten, regionale Unterschiede und bürokratische Hürden erschweren den Zugang zusätzlich.[3]

 

In den letzten Jahren wurden verschiedene Maßnahmen gesetzt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Dennoch bleibt der Handlungsbedarf groß. Die psychischen Folgen der Pandemie werden Österreich noch lange begleiten. Ein flächendeckender, niedrigschwelliger Zugang zu psychologischer Hilfe, mehr kassenfinanzierte Therapieplätze und gezielte Prävention – vor allem bei jungen Menschen – sind entscheidend, um der wachsenden Belastung gerecht zu werden.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundes-ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Liegen dem Ministerium Erhebungen oder Datenreihen zur Entwicklung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung seit dem Jahr 2019 bis dato vor?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Welche Schlüsse ziehen Sie zur Entwicklung der psychischen Gesundheit der Menschen in Österreich?

c.    Welche Problemfelder erkennen Sie prioritär und welche Maßnahmen setzten Sie zur Verbesserung?

2.    Wie hat sich laut diesen Daten die Häufigkeit folgender Beschwerden, gegliedert nach Jahr, Alter und Bundesland, seit 2019 verändert?

    1. Depressive Symptome
    2. Angststörungen
    3. Psychosomatische Beschwerden (z. B. Schlafstörungen, chronische Erschöpfung)
    4. Suizidgedanken bzw. -versuche

3.    Wie hat sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen und Kindern, gegliedert nach Jahr, Alter und Bundesland, seit 2019 entwickelt?

4.    Wie viele Personen, gegliedert nach Jahr, Alter und Bundesland, haben seit 2019 folgende Leistungen in Anspruch genommen?

    1. Psychotherapeutische Kassenleistungen
    2. Private Psychotherapie ohne Kassenfinanzierung
    3. Psychiatrische Behandlungen in Spitälern oder Ambulanzen
    4. Klinisch-psychologische Beratung

5.    Wie viele Kinder und Jugendliche, gegliedert nach Jahr, Alter und Bundesland, wurden seit 2019 psychiatrisch oder psychologisch betreut?

6.    Wie viele Kinder und Jugendliche, gegliedert nach Jahr, Alter und Bundesland, die seit 2019 einer psychiatrischen oder psychologischen Betreuung bedurften, wurden nicht betreut?

a.    Aus welchen Gründen wurden diese nicht betreut?

7.    Wie lange betrug die durchschnittliche Wartezeit auf einen kassenfinanzierten Psychotherapieplatz in den Jahren 2019 bis dato?

8.    Welche aktuellen Zahlen gibt es zu nicht versorgten Personen mit psychischem Behandlungsbedarf?

a.    Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, damit diese Personen eine Behandlung erhalten können?

9.    Welche psychischen Beschwerden wurden seit 2020 verstärkt bei Schülern dokumentiert?

a.    Gibt es hier aussagekräftige Dokumentation von Schulärzten, Beratungslehrern oder externen Studien?

b.    Welche konkreten Corona-Maßnahmen haben in den Jahren seit 2020 psychische Beschwerden begünstigt?

                                          i.    Welche Daten gibt es dazu?

                                        ii.    Wann waren diese dem Ministerium zugänglich?

                                       iii.    Seit wann war bekannt, dass sich etwa Schulschließungen negativ auf die psychische Gesundheit der Schüler auswirken könnten?

                                       iv.    Seit wann war bekannt, dass sich etwa die Maskenpflicht negativ auf die psychische Gesundheit der Schüler auswirken könnte?

10. Welche Maßnahmen hat Ihr Ministerium und/oder das Bildungsministerium seit 2020 ergriffen, um psychische Gesundheit an Schulen zu fördern?

11. Wie werden die sogenannten „Mental Health Days“ evaluiert?

a.    Gibt es Rückmeldungen zur Wirksamkeit?

12. Welche Studien liegen dem Ministerium zur psychischen Belastung infolge der Corona-Maßnahmen vor?

13. Welche spezifischen Maßnahmen wurden seit 2020 gesetzt, um die psychosozialen Folgen der Pandemie abzufedern?

14. Wie viele Menschen wurden seit 2020 aufgrund pandemiebedingter Belastungen (z. B. Isolation, Lockdowns, Arbeitsplatzverlust) psychologisch oder psychiatrisch behandelt, aufgegliedert nach Jahr, Alter und Bundesland?

a.    In welcher Relation steht das zu den Zahlen psychologisch oder psychiatrisch behandelten Personen vor und nach der Pandemie?

15. Wie viele kassenfinanzierte Psychotherapieplätze standen seit 2019, aufgegliedert nach Jahr und Bundesland, zur Verfügung?

16. Wie hoch lag der Anteil kassenfinanzierter gegenüber privat zu zahlender Therapieangebote in Österreich, aufgegliedert nach Jahr und Bundesland?

a.    In welcher Relation steht das zum Versorgungsbedarf?

b.    Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um kassenfinanzierte Therapieangebote auszubauen?

17. Wie viele private bzw. Vertragspsychotherapeuten gibt es derzeit in Österreich?

a.    Wie hat sich deren Zahl seit 2019 entwickelt?

b.    Inwiefern weicht das vom tatsächlichen Bedarf in Österreich ab?

18. Welche Budgets wurden seit 2019 jährlich für psychische Gesundheits-versorgung bereitgestellt (getrennt nach Erwachsenen- und Kinder-/ Jugendbereich)?

19. Wie viele kassenfinanzierte bzw. private Einrichtungen für Kinder- und Jugendpsychiatrie existieren in Österreich und wie haben sich deren Kapazitäten seit 2019 verändert?

20. Wie hat sich die Suizidrate in Österreich seit 2019 entwickelt, gegliedert nach Jahr und Altersgruppen?

a.    Wie viele Personen haben sich in den Jahren 2019 bis 2025 an Kriseninterventionsdienste (z. B. psychosoziale Notdienste, Rat auf Draht, Telefonseelsorge) gewandt?

b.    Welche neuen Maßnahmen zur Suizidprävention wurden seit 2020 umgesetzt?

                                          i.    Zeigen diese Maßnahmen Wirkung?

21. Welche konkreten Maßnahmen enthält die „Nationale Strategie zur psychischen Gesundheit“, die in Österreich noch umgesetzt werden müssen?

a.    Wann ist ihre vollständige Umsetzung geplant?

b.    Welche Ziele wurden bisher erreicht, welche befinden sich noch in Umsetzung?

c.    Gibt es eine regelmäßige Evaluation der Strategie?

                                          i.    Wenn ja, was besagt diese?



[1]   https://www.sozialministerium.gv.at/Services/Neuigkeiten-und-Termine/Archiv-2023/Maerz-2023/hbsc-studie-2021-22.html

[2]   https://www.fsw.at/downloads/kundinnenbefragung/sora-psychosoziale-gesundheit-2023.1721306057.pdf

[3]   https://health.ec.europa.eu/system/files/2024-01/2023_chp_at_german.pdf