2/J XXVIII. GP
Eingelangt am 24.10.2024
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Genoss:innen
an den Bundeskanzler
betreffend Vorbereitungen auf die Informationsfreiheit
Mit 1. September 2025 wird die Amtsverschwiegenheit Geschichte sein. Ab diesem Tag treten die neuen Bestimmungen zur Informationsfreiheit, insbesondere das Grundrecht auf Zugang zu Informationen gemäß Art 22a Abs 2 B‑VG in Kraft. Gleichzeitig dürfen einfachgesetzliche Verschwiegenheitspflichten in Zukunft diesem Grundrecht nicht mehr widersprechen. In diesem Zusammenhang sollten auch die bislang vorrangig in der Judikatur (insbesondere des EGMR) entwickelten Grundsätze des Rechts auf Zugang zu staatlichen Informationen im Anwendungsbereich des Art 10 EMRK für „public watchdogs“ jeglicher Art Berücksichtigung finden, da der Anwendungsbereich des Art 10 EMRK über jenen des Art 22a Abs 2 B‑VG hinausgeht und insbesondere alle Staatsgewalten erfasst.
Mit dem neuen Grundrecht auf Information werden erstmals auch ausgegliederte staatliche Einheiten von der Informationsverpflichtung erfasst. Diese unterlagen bislang nur in einzelnen, in der Rechtsprechung entwickelten Fällen einer Auskunftspflicht bzw insoweit, als sich solche ohnehin aus dem Wertpapier- und Börserecht ergaben. Für diese Organisationen wird der 1. September 2025 daher besondere Bedeutung haben, müssen nunmehr unzweifelhaft alle ausgegliederten Rechtsträger entsprechende Informationsbegehren förmlich behandeln. Durch die Einführung eines (gerichtlichen) Rechtsschutzes wird deren Informationsverpflichtung wirksam effektuiert.
Darüber hinaus werden per 1. September 2025 aber auch die Vorschriften über die parlamentarische Interpellation geändert, sodass in Zukunft die Verweigerung der Beantwortung parlamentarischer Anfragen nur noch aus vier abschließend aufgezählten, schwerwiegenden und zudem eng auszulegenden Gründen gestattet ist.
Da es sich bei der Informationsfreiheit um einen Paradigmenwechsel in der österreichischen Verwaltung handelt, der entsprechend sorgfältig vorbereitet werden muss, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende
Anfrage
1. Welche Vorbereitungsmaßnahmen im Hinblick auf das Inkrafttreten der zusammenfassend als „Informationsfreiheit“ bezeichneten gesetzlichen Änderungen wurden bislang in Ihrem Ressort getroffen?
Gesetzlicher Anpassungsbedarf
2. Welche gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten in Ihrem Wirkungsbereich wurden bereits auf Ihre Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Art 10 EMRK sowie des Art 22a Abs 2 B‑VG überprüft und mit welchem Ergebnis?
3. Welche besonderen Informationszugangsregeln im Sinne des § 16 IFG (insbesondere zur Akteneinsicht) wurden bislang in Ihrem Wirkungsbereich identifiziert und wurden diese auf ihre Übereinstimmung mit Art 10 EMRK und Art 22a Abs 2 B‑VG überprüft? Mit welchem Ergebnis?
4. Welche Rechtsvorschriften wurden bislang in Ihrem Wirkungsbereich identifiziert, die an das Bestehen der Amtsverschwiegenheit anknüpfen und welche davon sind Strafbestimmungen?
5. Für welche Bereiche ergaben die Vorbereitungsarbeiten auf die Informationsfreiheit den Bedarf nach Einführung neuer, einfachgesetzlicher Verschwiegenheitspflichten (zB dienstrechtliche Verschwiegenheitspflichten)?
Verwaltungsabläufe
6. Befinden sich Rundschreiben, Erlässe, Empfehlungen, Leitfäden oder sonstige generelle Anordnungen in Zusammenhang mit der Informationsfreiheit in Vorbereitung oder wurden gar schon erlassen bzw den jeweiligen Adressat:innen zur Kenntnis gebracht?
7. Wie wird eine einheitliche Vollziehung der Bestimmungen des IFG in der mittelbaren Bundesverwaltung sichergestellt?
8. Wie erfolgt die Einbindung der Landes- und Gemeindeverwaltung in die praktische Ausgestaltung der neuen Verfahrensabläufe nach dem IFG?
9. Wurden die in Frage 6 genannten Informationen bereits als Informationen von allgemeinem Interesse veröffentlicht und wenn ja, wo (da das entsprechende Register noch nicht in Betrieb ist)?
10. Bestehen besondere Koordinierungsstrukturen wie spezifische Arbeits- oder Steuerungsgruppen, Task Forces, udgl, die sich mit den verwaltungsinternen Erfordernissen der per 1.9.2025 anstehenden gesetzlichen Änderungen zur Informationsfreiheit auseinandersetzen und wenn ja, welcher Art sind diese, wie sind diese zusammengesetzt und welche Zielsetzung wird damit verfolgt?
11. Wie erfolgt im Rahmen des Beteiligungsmanagements die Begleitung der Einführung der Informationsfreiheit durch ausgegliederte Einheiten, an denen Ihnen die Eigentümervertretung obliegt?
12. Werden spezifische Fortbildungen oder sonstige Weiterbildungsangebote für die Bediensteten Ihres Ressorts angeboten und wenn ja, welche?
13. Wurde von Seiten der Datenschutzbehörde bereits eine Beratung in Aussicht gestellt und wenn ja, in welcher Form soll diese erfolgen?
14. Werden Angaben zur Informationsfreiheit (wie etwa, ob es sich um Informationen von allgemeinem Interesse handelt und wie lange allfällige einer Veröffentlichung widersprechende Geheimhaltungsgründe bestehen) vergleichbar mit den Angaben zur Archivierung in den (elektronischen) Aktenlauf eingebettet und wenn ja, in welcher Art? Wenn nein, auf welche Art erfolgt nach derzeitigem Planungsstand dann die systematische Erfassung von Informationen von allgemeinem Interesse und deren allfällige, wiederkehrende Überprüfung?
15. Sind Änderungen an der Informationssicherheitsordnung bzw Geheimschutzordnung Ihres Ressorts geplant und wenn ja, welcher Art?
16. Sind Ihres Wissens nach Änderungen an der Büroordnung 2004 geplant?
17. Ist die Einrichtung einer eigenen für Informationsbegehren zuständigen Organisationseinheit in Ihrem Ressort geplant oder werden diese in jeder jeweils zuständigen Abteilung gesondert bearbeitet?
18. Welchen Informationsstand haben Sie über die technische Umsetzung des zentralen Informationsregisters und dessen technische Ausgestaltung?
19. Wie wird die regelmäßige Überprüfung von Informationen von allgemeinem Interesse, deren Veröffentlichung ein Geheimhaltungsgrund entgegensteht, praktisch vollzogen werden?
20. Wurden bereits Kategorien und Beispiele von Informationen von allgemeinem Interesse, die in Ihrem Wirkungsbereich anfallen, gesammelt, um den einzelnen Beamt:innen die Vollziehung der entsprechenden Veröffentlichungspflicht zu erleichtern und wenn ja, um welche Kategorien bzw Beispiele handelt es sich?
21. Wie wurde bislang in den Vorbereitungsarbeiten berücksichtigt, dass Verträge über 100.000 Euro Auftragswert jedenfalls von allgemeinem Interesse sind?
22. Wurden bereits Muster für die verschiedenen, nach dem Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verfahrensschritte im Falle der Anbringung von Informationsbegehren erstellt?
23. Wurde ein Prüfschema für den Fall des Einlangens von Informationsbegehren erstellt und wenn ja, mit welchem genauen Inhalt?
24. Welcher Aufwand in Zusammenhang mit der Einführung der Informationsfreiheit ist haushaltsrechtlich für 2025 und 2026 vorgemerkt?
25. Wie viele zusätzliche Planstellen sind im Bereich der Verwaltungsgerichte des Bundes und der Länder erforderlich, um die deutlich verkürzten Entscheidungsfristen im Rechtsmittelverfahren einhalten zu können?
Interpellation
26. Welche Maßnahmen wurden bislang gesetzt, um dem aus der Einfügung des Art 52 Abs 3a B‑VG entstehenden Erfordernis der deutlich weiterreichenden Beantwortung parlamentarischer Anfragen unverzüglich ab 1.9.2025 zu entsprechen?
27. Inwiefern wurden die Standardverfahren zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen bereits überarbeitet?
28. Sind Richtlinien, Rundschreiben, Erlässe, Empfehlungen, Leitfäden oder sonstige generelle Anordnungen in Vorbereitung, die den neuen rechtlichen Rahmen für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen darlegen und wenn ja, mit welchem genauen Inhalt?
29. Wie wurde die (restriktive) Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur „rechtmäßigen Willensbildung der Bundesregierung und ihrer Mitglieder“ in diesen allgemeinen Anordnungen berücksichtigt?
30. Welche Kriterien wurden den Rechtsanwender:innen zur Durchführung der im Einzelfall gebotenen Abwägung von Interessen dritter Personen empfohlen?
31. Wie wurde im Zusammenhang mit den neuen Regelungen für die Beantwortung parlamentarischer Anfragen berücksichtigt, dass der OGH ein durch § 302 StGB geschütztes Recht des Nationalrates und Bundesrates auf richtige und vollständige Information sowie Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit gesetzter Behördenakte anerkannt hat (OGH 12.10.1993, 14 Os 125/92)?
32. Wie soll nach derzeitigem Stand sichergestellt werden, dass eine allfällige Klassifizierung von Informationen nach dem Informationsordnungsgesetz lediglich – wie gesetzlich vorgesehen – im unbedingt erforderlichen Ausmaß vorgenommen wird und diese Klassifizierung den in Ihrem Ressort zur Anwendung gelangenden Informationssicherheitsvorschriften äquivalent ist und somit nicht über diese hinausgeht?
33. Wie wird – dem entsprechenden Vorschlag in den Materialien folgend – im Sinne der Verfahrenseffizienz ermöglicht, parlamentarische Anfragen auch durch die Übermittlung von Kopien von Akten(teilen) zu beantworten?
34. Nachdem auch für mündliche Beantwortungen in Fragestunden nunmehr nur noch eingeschränkte Antwortverweigerungsgründe gelten, sind auch die dafür vorgesehenen Prozesse zu überarbeiten. Welche Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang bereits getroffen?