2007/J XXVIII. GP

Eingelangt am 06.05.2025
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Barbara Kolm

an den Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus

betreffend Volkswirtschaftliche Grundlagen und Folgen der Corona-Politik

 

 

Die Corona-Politik hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft und Gesellschaft. Die Entscheidungen zur Schließung und Einschränkung von zehntausenden Betrieben sowie die Einführung von Maßnahmen wie Lockdowns und Zutrittsbeschränkungen haben erhebliche wirtschaftliche und soziale Folgen nach sich gezogen. Es ist von größter Bedeutung, die volkswirtschaftlichen Entscheidungs-grundlagen und die ökomischen Folgen dieser Corona-Politik umfassend zu analysieren und transparent darzulegen.

 

Die vorliegende Anfrage zielt darauf ab, eine detaillierte Abwägung des gesundheitlichen Nutzens gegenüber den entstandenen ökonomischen Schäden vorzunehmen und die Entscheidungsprozesse sowie die Kriterien, die diesen Maßnahmen zugrunde lagen, zu hinterfragen.

 

Sowohl die Gesundheitspolitik als auch die Wirtschaftspolitik wirken sich im Ergebnis auf den einzelnen Menschen, seine Lebensqualität und Lebensgestaltungsfreiheit aus. Nur durch eine gründliche Untersuchung und Offenlegung der Entscheidungs-grundlagen und eingetretenen Folgen können wir sicherstellen, dass zukünftige Krisenbewältigungs-strategien die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit, Subsidiarität und den Vorrang individueller und unternehmerischer Freiheit wahren. Die verantwortungsvolle Aufgabe einer (Krisen-)Politik war es, stets eine Gesamt-abwägung vorzunehmen und auf Basis eines objektiven Lagebildes fundierte Entscheidungen zu treffen - die Maxime „Koste es, was es wolle“[1] stand dem von Anfang an fundamental entgegen.

 

Insbesondere die Übertragung staatlicher Aufgaben von der Regierung auf die „COVID‑19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH“ (COFAG) wirft Fragen auf.[2] Die COFAG war bei Ausübung ihrer vom Bundesminister für Finanzen übertragenen Aufgaben (insb. nach dem Garantiegesetz 1977 und dem KMU-Förderungsgesetz) weisungsfrei. Gleichzeitig erhielten Unternehmen keine Bescheide und wurden gegen Entscheidungen der COFAG auf den teureren und längeren Zivilrechtsweg verwiesen. Bei der freihändigen Gewährung von Zuschüssen aus österreichischem Steuergeld waren die Wirtschaftskammer und der Gewerkschaftsbund mitbefasst, dies ohne jede interne Richtlinie über Entscheidungskriterien und -begründungen. Der Rechnungshof schrieb Anfang 2022 einen vernichtenden Rohbericht (erhebliches Risiko für Überförderungen), im Endbericht[3] ist für den Rechnungshof grundsätzlich unklar, wozu es überhaupt die COFAG als neue Abwicklungsstelle gebraucht habe. Der Verfassungsgerichtshof erklärte 2023 die COFAG von Amts wegen für verfassungswidrig und ordnete die Abwicklung an: Sowohl die Aufgabenübertragung an diese nach privatem Recht organisierte Gesellschaft als auch bestimmte Förderrichtlinien waren verfassungswidrig. Mit Stand 28.02.2025 wurden insgesamt 46,6 Mrd. € an Auszahlungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise aus dem Bundeshaushalt geleistet.[4]

 

 

In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Wirtschaft, Energie und Tourismus nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Auf welcher detaillierten volkswirtschaftlichen Analyse basierte die Entscheidung zur Schließung bzw. massiven Einschränkung von zehntausenden Betrieben? Legen Sie bitte eine quantifizierte Abwägung vor, die den behaupteten gesundheitlichen Nutzen dem nachweislich entstandenen ökonomischen Schaden (Wertschöpfungsverlust, Arbeitsplatzverluste, Insolvenzen) gegenüberstellt. Warum wurde das Recht auf Eigentum und freie wirtschaftliche Betätigung derart massiv beschnitten?

2.    Hat Ihr Ressort vor der Verhängung einschneidender Maßnahmen wie Lockdowns, Branchenschließungen oder Zutrittsbeschränkungen (2G/3G) umfassende, unabhängige Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt, die alle absehbaren volkswirtschaftlichen und sozialen Folgekosten berücksichtigten?

a.    Wenn ja, bitte um Vorlage.

b.    Wenn nein, auf welcher Grundlage traf Ihr Ressort wirtschaftspolitische Empfehlungen von solcher Tragweite?

3.    Nach welchen objektiven, transparenten und ökonomisch fundierten Kriterien erfolgte die politisch definierte Einteilung von Betrieben in „systemrelevant“ bzw. „essenziell“ und „nicht-essenziell“?

a.    Wie rechtfertigen Sie die dadurch entstandene massive Wettbewerbs-verzerrung und die faktische Enteignung jener Betriebe, denen die Geschäftsgrundlage entzogen wurde?

4.    Stand Ihr Ressort mit dem Gesundheitsministerium bzw. dessen zuständigen Stellen für die Corona-Politik der Bundesregierung im Austausch und wurden wirtschaftliche Aspekte, Daten und Analysen durch das Gesundheits-ministerium in die gesundheitspolitischen Entscheidungen einbezogen, um damit ein gesamtgesellschaftliches Fundament zu erstellen samt Berücksichtigung der wirtschaftlichen Auswirkungen?

5.    Können Sie anhand von Daten zweifelsfrei belegen, dass die COVID-Wirtschaftshilfen (wie Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz, Kurzarbeit) zielgerichtet und effizient eingesetzt wurden?

6.    Wie hoch sind die gesamten Zahlungen gemäß § 36 Absatz 1 lit. i. des Epidemiegesetzes 1950 bezüglich Vergütungen für den Verdienstentgang seit Pandemiebeginn?

7.    Haben die Corona-Hilfen primär einen Strukturwandel verzögert, eine „Zombie-Ökonomie“ gefördert und zu erheblichen Mitnahmeeffekten sowie bürokratischem Chaos geführt?

a.    Wenn nein, warum nicht?

8.    Liegen Ihrem Ressort Informationen über Gründe oder Erwägungen vor, warum die Abwicklung der Corona-Wirtschaftshilfen an die COFAG GmbH übertragen wurden?

9.    Auf Basis welcher Informationen und Begründungen Ihres Ressorts hat die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck im Ministerrat ihre Zustimmung zur Gründung der COFAG erteilt?

10. Welchen konkreten Beitrag leistete die expansive Ausgabenpolitik Ihres Ressorts zur massiven Staatsverschuldung und zur aktuellen Inflation, die die Kaufkraft der Bürger und die Ersparnisse enteignet?

11. Wie plant Ihr Ressort, zur fiskalischen Nachhaltigkeit zurückzukehren, ohne die Unternehmen weiter zu belasten?

12. Hat die exzessive Nutzung der Kurzarbeit den notwendigen Strukturwandel behindert, Fachkräfte in subventionierter Unproduktivität gehalten und zu einer Verschleierung der tatsächlichen Arbeitslosigkeit geführt?

a.    Sind Ihnen oder Ihrem Ressort aktuelle Studien zu den langfristigen negativen Effekten der österreichischen Lockdownpolitik auf Produktivität und Arbeitsmarktflexibilität bekannt?

                                          i.    Wenn ja, welche?

13. Hat die Kombination aus Hilfszahlungen und der zeitweisen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht eine normale Marktbereinigung verhindert und eine Insolvenzwelle lediglich aufgeschoben, die nun umso heftiger ausfällt und gesunde Unternehmen mitreißt?

14. Können Sie die zusätzlichen Kosten und den bürokratischen Aufwand beziffern, der den Unternehmen durch die Umsetzung und Kontrolle der COVID-Maßnahmen (Test-/Impfnachweiskontrollen, Abstandsregeln, Dokumentations-pflichten, Antragsverfahren für Hilfen) aufgebürdet wurde?

15. Welche konkreten negativen Auswirkungen hatten die 2G/3G-Regeln bzw. die Impfpflicht-Debatte auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich Kündigungen, Arbeits- und Fachkräftemangel, und zusätzlicher administrativer Last für Betriebe?

16. Sind Ihnen oder Ihrem Ressort Indizien oder Studien bekannt, die belegen, dass die im internationalen Vergleich oft besonders restriktive und sprunghafte österreichische Corona-Politik dem Wirtschaftsstandort Österreich geschadet hat (Investitionszurückhaltung, Abwanderung von Fachkräften, Verlust an Attraktivität)?

a.    Wenn nein, warum nicht?

17. Welche konkreten wirtschaftspolitischen Konsequenzen zieht Ihr Ressort aus den Lieferkettenproblemen?

18. Welche wirtschaftlichen Effekte wären zu erwarten gewesen, wenn Österreich einen liberaleren Weg (analog zu Schweden oder bestimmten US-Staaten) mit weniger Lockdowns und mehr Fokus auf Eigenverantwortung und gezielten Schutz vulnerabler Gruppen gewählt hätte?

a.    Wurden solche Szenarien in Ihrem Ressort jemals durchgerechnet?

19. Welchen Einfluss hatten die Sozialpartner auf die Ausgestaltung der Maßnahmen und Hilfsprogramme?

a.    Wurden bestimmte Branchen oder Unternehmensgrößen bevorzugt behandelt?

20. Welche dauerhaften Schäden für die österreichische Wirtschaftsstruktur (z.B. in Tourismus, Gastronomie, Stadtkerne, Veranstaltungswesen) sind durch die Corona-Politik festzustellen?

a.    Welche Strategie verfolgt Ihr Ressort, um diese Schäden zu beheben, ohne erneut massiv markteingreifend tätig zu werden?

21. Liegen Ihnen oder Ihrem Ressort Daten, Studien oder Informationen vor, ob das Klima der politischen Unsicherheit in Österreich, die staatlichen Eingriffe und die hohe Staatsverschuldung die Gründungsdynamik und das Innovationsklima in Österreich beeinträchtigt haben?

a.    Welche Maßnahmen setzt Ihr Ressort, um Unternehmertum aktiv zu befördern statt zu behindern?

22. Welchen konkreten Zeitplan und welche Maßnahmen verfolgen Sie oder Ihr Ressort für den vollständigen Rückbau der pandemiebedingten staatlichen Eingriffe, Subventionen und Regulierungen, um zu einer freien Marktwirtschaft zurückzufinden?

23. Welche wirtschaftspolitischen Lehren zieht Ihr Ressort, um sicherzustellen, dass bei zukünftigen Krisen die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit, der Subsidiarität und der Vorrang individueller und unternehmerischer Freiheit gewahrt bleiben?

24. Welche konkreten wirtschaftspolitischen Fehleinschätzungen oder Fehlentscheidungen während der Pandemie räumt Ihr Ressort im Nachhinein ein und welche Konsequenzen wurden daraus für zukünftiges Handeln gezogen?

25. Bitte legen Sie eine detaillierte Aufschlüsselung der Unternehmensinsolvenzen für die Jahre 2019 bis 2024 vor – gegliedert nach Branchen (insb. Gastronomie, Hotellerie, Eventbranche, körpernahe Dienstleistungen, Einzelhandel), Unternehmensgröße und Bundesländern. Wie erklären Sie signifikante Anstiege nach dem Auslaufen der Stundungen und der Insolvenzantragspflicht-Aussetzung?

26. Inwieweit führt Ihr Ressort die Insolvenzen seit 2021/2022 direkt auf die Schäden durch staatliche Zwangsschließungen und Betriebsbeschränkungen zurück und nicht nur auf eine allgemeine Marktbereinigung?

a.    Sind Ihnen oder Ihrem Ressort Analysen bekannt oder liegen solche vor, wie viele Unternehmen ohne diese Eingriffe überlebensfähig gewesen wären?

27. Wie viele der angemeldeten Insolvenzen sind auf eine Überschuldung zurückzuführen, die (auch) durch die Rückzahlungsverpflichtungen für erhaltene COVID-Staatshilfen (wie Kredite, Garantien) entstanden ist? Hat der Staat zuerst künstlich beatmet und dann den Stecker gezogen?

28. Legen Sie bitte die detaillierte Umsatzentwicklung (Index oder absolute Zahlen) für kleine und mittlere Unternehmen im Sektor Handwerk und Gewerbe für die Jahre 2019 bis 2024 vor. Welche spezifischen Gewerbezweige (z.B. Friseure, Masseure, Installateure, Bäcker, etc.) verzeichneten wann die größten Einbrüche und warum?

29. Wie stellt sich die Umsatzentwicklung im Handwerk und Gewerbe im Vergleich zu Branchen dar, die von keinen oder nur geringfügigen direkten Schließungen betroffen waren?

a.    Lassen sich die Unterschiede in den Umsatzentwicklungen bzw. der direkte Schaden durch die staatlichen Eingriffe für die betroffenen KMU quantifizieren?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

30. Können Sie beziffern, zu wieviel Prozent der durch Lockdowns und Beschränkungen verursachten Umsatzverluste bei KMU im Handwerk und Gewerbe tatsächlich durch staatliche Hilfen ausgeglichen wurde?

a.    Wenn nein, warum nicht?

31. Wie hat sich die Zahl der unselbständig Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) und der Lehrlinge in KMU des Handwerks und Gewerbes von 2019 bis 2024 entwickelt?

a.    Wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze gingen verloren oder wurden nicht geschaffen?

32. Welchen Anteil hatten Betriebe aus Handwerk und Gewerbe an den gesamten Kurzarbeitsausgaben?

a.    Führte die Corona-Politik-bedingte Kurzarbeit zur Bindung von Fachkräften in subventionierter Untätigkeit, während anderswo Mangel herrschte?

                                          i.    Wenn nein, warum nicht?

33. Inwieweit hat die Corona-Politik (Unsicherheit, Betriebsschließungen, Abwanderung aus betroffenen Branchen, Impfpflicht-Diskussion) den bereits bestehenden Fachkräftemangel im Handwerk und Gewerbe zusätzlich verschärft?

34. Stellen Sie bitte die Entwicklung der österreichischen Importe und Exporte sowie der Handelsbilanz von 2019 bis 2024 dar. Welche Korrelationen sehen Sie zwischen Einbrüchen/Erholungen und spezifischen nationalen/ internationalen Maßnahmen (Lockdowns, Grenzschließungen, Lieferketten-probleme)?

35. Wie stark waren kleine und mittlere Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe und Handwerk, die exportorientiert sind, von den Störungen der Lieferketten und den internationalen Reise-/Transportbeschränkungen betroffen?

36. Haben Sie oder Ihr Ressort Daten bzw. Schätzungen, wie viele Exportchancen österreichische Unternehmen aufgrund von Produktionsausfällen, Logistik-problemen oder internationaler Unsicherheit, die durch die Pandemiepolitik mitverursacht wurden, verpasst haben?

37. Beziffern Sie bitte die Zuwächse des Online-Handels in Österreich (Umsatz, Marktanteil) für 2019-2024, differenziert nach Warengruppen. Wie viel Prozent dieses Zuwachses schreiben Sie direkt den staatlich angeordneten Schließungen des stationären Handels zu?

38. War es eine aktive wirtschaftspolitische Entscheidung, den stationären Handel lahmzulegen, während globale Online-Plattformen ungehindert weiter operieren und massiv profitieren konnten? Hat der Staat hier nicht massiv in den Wettbewerb eingegriffen und lokale Strukturen geschwächt?

a.    Wenn ja, lag im Vorhinein eine Folgenabschätzung vor?

b.    Wenn nein, warum nicht?

39. Sehen Sie oder Ihr Ressort einen Zusammenhang zwischen der Beschleunigung des Strukturwandels zulasten des stationären Handels und der damit verbundenen Verödung von Ortskernen und dem Verlust von Arbeitsplätzen im lokalen Handel?

a.    Wenn nein, warum nicht?

40. Gibt es Analysen Ihres Ressorts zum Vergleich der Arbeitsbedingungen, der Bezahlung und der regionalen Verteilung von Arbeitsplätzen im boomenden Online-Logistiksektor versus den schrumpfenden stationären Einzelhandel?

41. Legen die Daten zu Insolvenzen, Umsatzrückgängen und der Marktanteils-verschiebung den Schluss nahe, dass die Corona-Wirtschaftspolitik in ihrer Gesamtwirkung systematisch zulasten kleiner und mittlerer Unternehmen ging und große, insbesondere digitale oder industrielle Konzerne, bevorteilte?

a.    Wenn nein, warum nicht?

42. Welche konkreten Lehren zieht Ihr Ressort aus diesen Erfahrungen, um sicherzustellen, dass bei zukünftigen Krisen die spezifischen Bedürfnisse und die Existenzgrundlage von KMU, Handwerk und Gewerbe nicht erneut durch pauschale staatliche Eingriffe gefährdet werden?

43. Wie ist der Umsetzungsstand des EU Aufbau- und Resilienzplans durch Österreich?

44. Die Umsetzung des EU Aufbau- und Resilienzplans erfolgt in Österreich oft durch die Wirtschaftskammer, wie erfolgt die Vergütung für welche Dienstleistungen und in welcher Höhe? (Bitte um genaue Auflistung)



[1]    https://www.diepresse.com/5787203/koste-es-was-es-wolle-regierung-stemmt-sich-gegen-coronakrise

[2]    https://www.vfgh.gv.at/downloads/VfGH-Erkenntnis_G_233_2021_vom_15._Dezember_2021.pdf

[3]    https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Bund_2022_31_COFAG.pdf

[4]    https://www.bmf.gv.at/services/startseite-budget/Monatliche-Berichterstattung/covid-19.html