2023/J XXVIII. GP
Eingelangt am 06.05.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Hermann Brückl, MA
an den Bundesminister für Bildung
betreffend Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Schulerfolg
Um den staatlichen Maßnahmen zu entgehen, entschied sich eine Rekordzahl von Familien dazu, ihre Kinder auch nach den Lockdowns der staatlichen Macht der Schulen zu entziehen. Sie nützten in Österreich die Möglichkeit des Heimunterrichts, gründeten Lerngruppen und wurden vom Staat zunehmend dafür kriminalisiert.
Bereits im Mai 2020 ermittelte die Studie „Lernen im Ausnahmezustand“ des Zentrums für Soziale Innovation (ZSI) verheerende Resultate.[1] Entsprechend war jeder dritte Schüler im sogenannten „Homeschooling“ überfordert. Kinder mit Migrations-hintergrund und jene, deren Eltern außerhalb von zu Hause ihrer Arbeit nachgingen, litten besonders unter der Situation. Waren die Eltern jedoch im „Homeoffice“, konnten diese mehr Zuspruch und Unterstützung bieten, wie das ZSI ermittelte.
Dennoch entschieden sich auch nach den Lockdowns unzählige Familien für den Heimunterricht. Die Zahl der Schulabmeldungen explodierte österreichweit. Spitzen-reiter war hierbei Oberösterreich. Dort verfünffachten sich die Abmeldungen der Kinder aus den Schulen im Schuljahr 2021/2022 von 299 Schülern im Heimunterricht auf 1.408. Österreichweit waren es rund 7.700 Schüler. Probleme mit dem Heimunterricht ergaben sich jedoch rasch, viele Eltern waren auf das Unterrichten ihrer Kinder ohne jegliche Unterstützung durch die Schulen nicht vorbereitet. 2022 blieben 1.268 Kinder in Folge des Heimunterrichts sitzen.[2]
Im September 2021 plante die Regierung rigorose Verschärfungen des Heim-unterrichts. Mehr Externistenprüfungen sollten vorgeschrieben werden. Lerngruppen aus mehreren Kindern im Heimunterricht wurden von der Regierung nicht gestattet[3], dies vor dem Hintergrund, dass Experten im Zusammenhang mit den (Einzel-) Heimunterricht stets den Wegfall der Schule als sozialem Ort, vor allem einem Ort der Begegnung mit Gleichaltrigen und Freunden problematisiert hatten.[4] Offensichtlich hatte die Regierung jedoch die Sorge, die Kontrolle über die Situation würde ihr angesichts der hohen Zahl an Abmeldungen vom Regelschulunterricht entgleiten.
Dies ging so weit, dass Razzien gegen „illegale Privatschulen“ durch die Behörden vollzogen wurden, wie zum Beispiel in Kärnten im September 2021, wo Medienberichten zufolge mehrere Kinder im Alter zwischen 6 und 13 Jahren in einem Privathaus unterrichtet wurden. [5]
Auch im Oktober 2021 schritten die Behörden in der Steiermark im Bezirk Murau ein. Nachbarn verrieten den Behörden, dass Kinder zielstrebig mit ihren Schultaschen täglich in eine Privatwohnung marschierten, wie die „Krone“ berichtete. [6] Eine „illegale Privatschule“ konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Hausherrin ließ die Exekutive – mangels richterlichem Durchsuchungsbeschluss – nicht eintreten.
Bis 2023 kehrte der Großteil der Kinder und Jugendlichen wieder in den Regelunterricht zurück.[7] 82,4% konnten die vorgeschriebenen Externistenprüfungen damals absolvieren. Dem System ist der Heimunterricht nach wie vor ein Dorn im Auge. Noch im Februar 2023 forderte die Lehrergewerkschaft die Einführung einer „Schulpflicht“ – die den Ausweg über den Heimunterricht durch die österreichische Realität der „Unterrichtspflicht“ abschaffen solle.[8]
In den Ergebnissen der PISA-Studie (für 2022) schlugen sich die Pandemiejahre erheblich nieder. Zudem wurde der lange vorhersehbare Lehrermangel aufgrund der Pensionswelle der geburtenreichen Jahrgänge von der Politik völlig außer Acht gelassen und kommt heute zu tragen. Auch unsere steten Warnungen vor der Überfremdung der Schulen wurden ignoriert – und werden letztlich durch die Messungen der Schulqualität bestätigt. Es sind sehr oft Kinder mit Migrationshintergrund, die besonders große Probleme in ihrer Bildungsqualität aufweisen – das zeigt auch der Nationale Bildungsbericht 2024 auf.[9]
Im PISA-Vergleich der 15-jährigen Schüler zeigt sich – im Vergleich zu 2018 – eine steile Abwärtskurve in Mathematik und dem Leseverständnis. Im Bereich „Wissenschaft“ konnte hingegen ein leichter Aufwärtstrend ermittelt werden.[10]

In Bezug auf die psychosoziale Gesundheit leiden laut der HBSC-Studie[11] (Health Behaviour in School-aged Children) der EU satte 22 % der Mädchen und 10 % der Burschen in Österreich möglicherweise an einer depressiven Verstimmung oder Depression.
Gleichzeitig berichten Experten von einem enormen Anstieg der minderjährigen Drogenkonsumenten. So erklärte die leitende Kinder- und Jugendpsychiaterin des Wiener AKHs, Katrin Skala:
„Ich habe in den vergangenen zehn Jahren nicht so viele abhängige Minderjährige gesehen, wie in den letzten eineinhalb Jahren.“ [12]:
Vor allem Mädchen würden verstärkt der Drogensucht verfallen. Als mögliche Ursache benennt die Expertin die Lockdowns.
Martin Busch, Abteilungsleiter im „Kompetenzzentrum Sucht“, sprach von einem Anstieg „der drogenbezogenen Todesfälle in den letzten Jahren, auch wenn es sich dabei um eine statistisch kleine Zahl handelt"[13]. Auch er machte die Lockdowns für die Problematik verantwortlich. Laut Skala bestehe eine zeitliche Korrelation zwischen der Anzahl an Drogenabhängigen und den Jahren 2021 und 2022.
Um eine nachträgliche Objektivierung und Beurteilung der Coronamaßnahmen, deren Auswirkungen auf bildungspolitische, sozialpolitische und finanzpolitische Aspekte abschließend möglich zu machen, richtet der unterfertigte Abgeordnete in diesem Zusammenhang an den Bundesminister für Bildung nachstehende
Anfrage
1. Gibt es mittlerweile vergleichende Studien, die die Leistungsergebnisse der österreichischen Schüler bei der PISA-Studie, bei TIMSS, bei PIRLS und bei der ICILS über einen längerfristigen Zeitraum vergleicht, um die Auswirkungen der Schulschließungen auf das Beschulungsniveau nachhaltig abschätzen zu können?
a. Wenn ja, wie lauten die Ergebnisse (aufgeschlüsselt auf die Jahre 2015 bis 2024)
b. Wenn nein, warum nicht und wann gedenkt das Ministerium sich mit diesem Leistungsvergleich auseinanderzusetzen?
2. Wie viele Prozent der Schüler konnten während der Phase des sogenannten „Homeschoolings“ nicht erreicht werden?
3. Welche Maßnahmen wurden während der Phase des sogenannten „Homeschoolings“ ergriffen, um Schüler, die aus dem Focus verschwunden waren, wieder zu erreichen?
4. Gibt es statistische Aufzeichnungen darüber, wie oft in den Jahren nach der Corona-Pandemie die schulpsychologischen Beratungsstellen in den Schulen konsultiert wurden?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, wie hat sich die Frequenz der Besuche nach der Pandemie entwickelt?
c. Wenn ja, wie haben sich diese Besuche im Vergleich zu den 5 Jahren vor der Pandemie (also ab 2015) entwickelt?
5. Welche Maßnahmen wurden bislang ergriffen, um für mögliche künftige Schulschließungen ein möglichst engmaschiges Netz der umfassenden Betreuung (sowohl schulisch als auch psychologisch) der Kinder und Jugendlichen zu spannen?
[1] Vgl. https://orf.at/stories/3167356/ (abgerufen am 10.04.2025)
[2] Vgl. https://www.sn.at/panorama/oesterreich/wegen-heimunterricht-blieben-1268-kinder-sitzen-124420600 (abgerufen am 10.04.2025)
[3] Vgl. https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/6028877/Haeuslicher-Unterricht_Regeln-fuer-Schulabmeldungen-sollen (abgerufen am 10.04.2025)
[4] Vgl. https://www.salzburg24.at/news/salzburg/heimunterricht-und-kinderpsyche-welche-folgen-haben-schulabmeldungen-109897105 (abgerufen am 10.4.2025)
[5] Vgl. https://www.kleinezeitung.at/kaernten/villach/6038771/Villach_Privatschule-von-CoronaMassnahmengegnern-aufgedeckt (abgerufen am 10.04.2025)
[6] Vgl. https://www.krone.at/2530147 (abgerufen am 10.04.2025)
[7] Vgl. https://www.derstandard.at/story/3000000183921/unterricht-zu-hause-ist-wieder-stark-zurueckgegangen (abgerufen am 10.04.2025)
[8] Vgl. https://www.derstandard.at/story/2000143973318/streit-um-schulpflicht-steht-dem-haeuslichen-unterricht-das-ende-bevor (abgerufen am 10.04.2025)
[9] Vgl. https://www.bmb.gv.at/dam/jcr:44811bb5-3206-4d80-bb90-9d31063bef13/nbb2024.pdf
[10] Vgl. https://www.oecd.org/media/oecdorg/satellitesites/berlincentre/pressethemen/ AUSTRIA_Country-Note_PISA-2022.pdf (abgerufen am 10.04.2025)
[11] Vgl. https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Kinder--und-Jugendgesundheit/HBSC.html (abgerufen am 10.04.2025)
[12] https://www.puls24.at/news/chronik/suechtig-mit-16-jahren-wird-drogenkonsum-bei-jugendlichen-zum-problem/316240 (abgerufen am 10.04.2025)
[13] Ebd.