204/J XXVIII. GP

Eingelangt am 11.12.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Wolfgang Gerstl

Kolleginnen und Kollegen

an die Frau Bundesminister für Justiz

betreffend „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaats­anwaltschaft samt Beratungsleistung“

Auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz findet sich unter Service/Publikationen/Veröffentlichungen gemäß Art. 20 Abs. 5 B-VG folgender Eintrag samt der dazugehörenden Datei:

„Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft samt Beratungsleistung (PDF, 491 KB); 04-09/2024; 14.400 Euro inklusive Umsatzsteuer“.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgende

Anfrage:

1.         Von wem (von Ihnen als Justizministerin, von einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter Ihrer Stabstelle [Kabinett] oder von einer Mitarbeiterin bzw. einem Mitarbeiter des Bundesministeriums für Justiz) und wann wurde dieser „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ beauftragt?

2.         Wenn nicht Sie persönlich den Auftrag zur Erarbeitung des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ erteilt haben: Zu welchem Zeitpunkt wurden Sie persönlich über die Auftragserteilung informiert?

3.         Wann wurde der fertiggestellte „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ an das Bundesministerium für Justiz übermittelt? Wann erfolgte die Veröffentlichung?

4.         Aus welchem Grund wurde die Erarbeitung eines „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ in Auftrag gegeben?

5.         Wurden Sie als Justizministerin, Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Ihrer Stabstelle (Kabinett) oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter des Justizministeriums von Vertreterinnen bzw. Vertretern anderer Organisationen, wie z.B. dem Grünen Parlamentsklub oder der Partei „Die Grünen - Die Grüne Alternative“ gebeten oder aufgefordert, den „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ ausarbeiten zu lassen?

6.         Wie lautete konkret der Auftrag, dessen Ergebnis der „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ ist?

7.         Wer hat den „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaats­anwaltschaft“ ausgearbeitet?

8.         Bestand während der Ausarbeitung des ,,Entwurf[s] verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ Kontakt zwischen Ihnen, Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter Ihrer Stabstelle (Kabinett) oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter des Bundesministeriums für Justiz und der den Entwurf ausarbeitenden Person?

9.         Gab es Vorversionen zum „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“? Wenn ja, wie unterscheiden sich diese von der nunmehr auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz veröffentlichten Version?

10.      Wer hat die Beratungsleistung erbracht?

11.      Aus welchem Grund wird die Autorin bzw. der Autor des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ und die Person, die die Beratungsleistung erbracht hat, weder im Entwurf selbst noch auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz genannt?

12.      Wurden vor der Beauftragung Vergleichsangebote einholt? Wenn ja, wer wurde zur Legung von Vergleichsangeboten eingeladen und wer hat Vergleichsangebote gelegt?

13.      Welcher Anteil der Gesamtkosten in der Höhe von €14.400,- entfällt auf die Beratungsleistung und welche Beratungsleistung wurde erbracht?

14.      In welcher Form wurden die Beratungsleistungen erbracht? In schriftlicher Form? Fanden persönliche Termine statt oder Telefonate? Wem gegenüber wurden diese Beratungsleistungen erbracht? Wurden Sie direkt beraten, oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter Ihrer Stabstelle (Kabinett) oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter des Bundesministeriums für Justiz?

15.      Wer konkret ist als Zahlungsempfänger in der Rechnung betreffend die Erstellung des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ und betreffend die Erbringung der Beratungsleistung angeführt? Diese Frage kann auch durch die Übermittlung der Rechnung an den Nationalrat beantwortet werden.

16.      Wurde das Bundeskanzleramt (Verfassungsdienst) bzw. die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt, das bzw. die für Angelegenheiten der staatlichen Verfassung gemäß Bundesministeriengesetz 1986 bzw. gemäß der Entschließung des Bundespräsidenten BGBl. II Nr. 17/2020 zuständig ist, ersucht, einen entsprechenden Entwurf zu erarbeiten oder sich an der Erarbeitung zu beteiligen? Gab es im Zuge der Erarbeitung des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine General­staatsanwaltschaft“ Kontakt mit Vertreterinnen bzw. Vertretern des Bundeskanzler­amtes? Wenn ja, mich welchen? Wenn nein, warum nicht?

17.      Wie würden Sie als Bundesministerin für Justiz reagieren, wenn das Bundeskanzleramt eine externe Person mit der Erarbeitung eines Entwurfs einer Novelle zur Strafprozessordnung entgeltlich beauftragen würde?

18.      Wie können Sie den Einsatz zusätzlicher öffentlicher Gelder für einen Vorgang (Erarbeitung des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine General­staatsanwaltschaft“) rechtfertigen, der nicht in Ihre (alleinige) Zuständigkeit bzw. in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz, sondern in erster Linie in die Zuständigkeit des Bundeskanzleramts fällt?

19.      Wie können Sie den Einsatz zusätzlicher öffentlicher Gelder für einen Vorgang (Erarbeitung des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“) rechtfertigen, der zu einem Zeitpunkt begonnen wurde, zu dem bereits absehbar war, dass es in der 27. Gesetzgebungsperiode keinen Regierungsbeschluss zu diesem Thema mehr geben wird.

20.      Das Bundesministerium für Justiz verfügt aber auch selbst über bestausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Bereich Legistik über eine große und langjährige Erfahrung verfügen. Warum wurde der „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ nicht von den Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern des Justizministeriums ohne zusätzlichen finanziellen Aufwand, sondern von externen Personen erarbeitet?

21.      Entspricht die Beauftragung der Erarbeitung des „Entwurfs verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ und die Inanspruchnahme von Beratungsleistung durch externe Personen den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit?

22.      Entspricht der „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaats­anwaltschaft“ Ihren persönlichen Vorstellungen einer Neuorganisation der Staats­anwaltschaften in Österreich?

23.      Entspricht der „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaats­anwaltschaft“ den Vorstellungen der für diese Frage zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Justizministeriums?

24.      Warum wurden in den „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ keine persönlichen Voraussetzungen für die Leitung der Generalstaatsanwaltschaft (Berufserfahrung, Kenntnisse über Strafverfolgungs­behörden anderer [europäischer] Länder oder über europäische Strafverfolgungs­behörden) aufgenommen, sondern diesbezüglich im Verfassungstext bloß auf einfachgesetzliche Bestimmungen verwiesen?

25.      Der „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ legt nahe, dass die Tätigkeit von Staatsanwältinnen und -anwälten nicht mehr umfassend dem parlamentarischen Fragerecht (z.B. Fragestunde, aktuelle Stunde) unterliegen soll, sondern auf „Angelegenheiten des Aufsichts- und Weisungsbereichs“ eingeschränkt werden soll. Außerdem ergibt sich aus dem Entwurf nicht bzw. findet sich auch  kein  Hinweis  in  der  Begründung,  ob  die  Tätigkeit  der  Staatsanwältinnen  bzw. -anwälte und die Tätigkeit der Generalstaatsanwaltschaft von einem Unter­suchungsausschuss des Nationalrates untersucht werden können soll. Des Weiteren soll die Justizministerin bzw. der Justizminister nicht mehr gegenüber dem Nationalrat für die Tätigkeit der Staatsanwältinnen und -anwälte rechtlich und politisch (Entfall der Ingerenz) verantwortlich sein. Schließlich soll die neu zu schaffende Leitung der Generalstaatsanwaltschaft dem Nationalrat nur mehr äußerst eingeschränkt politisch und rechtlich verantwortlich sein. Wodurch ist diese massive Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle gerechtfertigt?

26.      Was ist der Vorteil der im „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ beschriebenen Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle und des damit einhergehenden Entfalls der demokratischen Legitimation der Weisungsspitze der Staatsanwältinnen bzw. Staatsanwälte gegenüber der geltenden Rechtslage?

27.      Was ist der Vorteil der im „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaatsanwaltschaft“ beschriebenen Einschränkung der parlamentarischen Kontrolle und der damit einhergehenden Schwächung des gewaltentrennenden Prinzips, das sich insbesondere durch das System des „Checks and Balances“ auszeichnet, welches die gegenseitige Kontrolle von Staatsorganen und ein Gleichgewicht der Macht zwischen ihnen zum Ziel hat?

28.      Gemäß dem „Entwurf verfassungsrechtlicher Bestimmungen für eine Generalstaats­anwaltschaft“ soll die Tätigkeit der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aus dem durch unsere Bundesverfassung vorgezeichneten System der weisungsgebundenen Verwaltung samt „Ministerverantwortlichkeit“ gegenüber dem Nationalrat ausgegliedert werden. Fordern Sie für die „Sicherheitsbehörden des Bundes“, für das „Bundesheer“ oder für den Vollzug des Abgabenrechts auch die Einrichtung vergleichbarer Weisungsspitzen, die der parlamentarischen Kontrolle nicht mehr unterliegen? Wenn nein, warum nicht?