205/J XXVIII. GP

Eingelangt am 11.12.2024
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Rechtsextreme pro-FPÖ-Demo, bewaffnete Neonazis und antisemitischer Angriff

Am Samstag den 30. November 2024 mobilisierten FPÖ-Anhänger zu einer Kundgebung am Wiener Heldenplatz. Zuvor angezeigte Demonstrationszüge in der Wiener Innenstadt sowie über die Ringstraße wurden behördlich untersagt. Es kam im Verlauf des Tages zu weiteren spontanen Versammlungen, die teilweise von der Polizei aufgelöst wurden. Insgesamt wurden laut dem veröffentlichten Polizeibericht etwa 400 Personen angezeigt. An den Protesten nahmen bekannte Neonazis und rechtsextreme Gruppierungen teil, wie „Defend Austria“, die „Identitären“ oder die „Freiheitliche Jugend“[1]. Bei den polizeilichen Maßnahmen und Durchsuchungen von Teilnehmenden der Demonstration sollen Bandagen, Box-Mundschutz, Messer und mindestens eine Schreckschuss-Pistole sichergestellt worden sein[2]. Im Anschluss an die Demonstration wurde ein orthodoxer Jude gegen 15.45 Uhr in der Schrottgießergasse im 2. Bezirk Wiens angegriffen - die mutmaßlichen Täter wurden polizeilich angehalten. Ein Bildabgleich mit Aufnahmen der Demonstration ergab, dass die angehaltenen Personen zuvor an der auf den Ring weitergezogenen Demonstration teilnahmen[3]. Laut Standard seien darunter mutmaßlich zwei bekannte Rechtsextreme, die der „Tanzbrigade“ zugerechnet werden könnten3. Dennoch kommunizierte die Landespolizeidirektion Wien, dass ein „Bezug zur gleichzeitig stattfindenden Kundgebung und bzw. oder einer politischen Gruppierung [...] nicht festgestellt“, werden konnte[4]. Diese Aussage wurde von rechten und rechtsextremen Medien und Akteuren umgehend aufgegriffen und dazu verwendet, Personen, die über den antisemitischen Angriff und den mutmaßlichen Zusammenhang zur FPÖ- Demonstration berichteten, zu diffamieren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.    Wie viele Polizeibeamt:innen waren am Samstag den 30. November 2024 bei der Kundgebung am Wiener Heldenplatz im Einsatz und wie lautete das Einsatzziel?

2.    Stellte sich die Landespolizeidirektion Wien nach der Untersagung der angezeigten Versammlungen „Frieden und Neutralität! Gegen die Zuckerlkoalition!“ und „Frieden und Neutralität!“ auf etwaige spontane Versammlungen ein und wie lautete das entsprechende Einsatzkonzept?

3.    Warum konnten sich dennoch Demonstrationszüge vom Heldenplatz aus formieren, die die Ringstraße blockierten und erst zu einem viel späteren Zeitpunkt gestoppt werden konnten?

4.    Wie viele nicht angezeigte spontane Versammlungen konnte die Landespolizeidirektion Wien im Zusammenhang mit der Versammlung am Heldenplatz registrieren?

5.    Wie viele Anzeigen wurden im Zusammenhang mit der Versammlung am Heldenplatz und den davon ausgehenden spontanen Demonstrationszügen gelegt, wie viele Personen wurden angezeigt und was war der Inhalt der zur Anzeige gebrachten Delikte?

6.    Wie viele Polizeibeamte wurden im Zuge der Versammlung am Heldenplatz und den davon ausgehenden spontanen Demonstrationszügen verletzt?

7.    Welche und wie viele gefährliche Gegenstände und Waffen (Messer, Schreckschusspistolen, Schlagstöcke, usw.) wurden im Zuge von Personenkontrollen und Durchsuchungen bei Versammlungsteilnehmer:innen am Heldenplatz oder bei den davon ausgehenden spontanen Demonstrationszügen sichergestellt?

8.    Wie viele Personenkontrollen wurden im Zusammenhang mit der Versammlung am Heldenplatz und den davon ausgehenden spontanen Demonstrationszügen durchgeführt und nach welchem Kriterium wurden Versammlungsteilnehmer:innen einer Durchsuchung zugeführt und andere nicht?

9.    Welche rechtsextremen und neonazistischen Gruppen nahmen an der Versammlung am Heldenplatz und den davon ausgehenden spontanen Demonstrationszügen teil?

10. Wurden im Zuge der Versammlung am Heldenplatz und den davon ausgehenden spontanen Demonstrationszügen teilnehmende Personen nach dem Verbots- und/oder Symbolegesetz angezeigt, zumal in diesem Zusammenhang die Zurschaustellung in Österreich verbotener Symbole fotographisch dokumentiert werden konnte? Wenn ja wie viele Personen aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage?

11. Infolge der Untersagung der angezeigten Versammlungen zerstreuten sich einige Versammlungsteilnehmer:innen in der gesamten Wiener Innenstadt in mehrere kleine Gruppen. Wurde der Abstrom von Versammlungsteilnehmer:innen polizeilich begleitet, wo doch aufgrund der Funde von gefährlichen Gegenständen und Waffen von einem erhöhten Gefahren- und Gewaltpotential ausgegangen werden konnte? Wenn nein, warum nicht?

12. Gegen 15.45 Uhr kam es im Bereich Schrottgießergasse im 2. Wiener Gemeindebezirk zu einem antisemitischen Angriff auf einen orthodoxen Juden. Dem 66-jährigen Passanten wurde seine religiöse Kopfbedeckung entrissen und entwendet. Die Polizei setze daraufhin einige Tatverdächtige fest. Ein Bildabgleich mit der Demonstration und Recherchen der Tageszeitung Der Standard ergaben, dass es sich bei den angehaltenen Personen mutmaßlich um bekannte Rechtsextreme aus dem Umfeld der „Tanzbrigade“ gehandelt haben soll, die zuvor an der pro-FPÖ-Demonstration in der Wiener Innenstadt teilnahmen[5]. Dennoch kommunizierte die Landespolizeidirektion Wien, dass ein „Bezug zur gleichzeitig stattfindenden Kundgebung und bzw. oder einer politischen Gruppierung [...] nicht festgestellt“, werden konnte[6]. Diese Aussage wurde von rechtsextremen Medien und Akteuren umgehend aufgegriffen und dazu verwendet, Personen, die über den antisemitischen Angriff und den mutmaßlichen Zusammenhang zur pro-FPÖ-Demonstration berichteten, zu diffamieren.

a.    Warum wurde ein möglicher Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen durch die Landespolizeidirektion ausgeschlossen und diese Einschätzung sofort öffentlich kommuniziert?

b.    Wurde überprüft, ob die von der Polizei angehaltenen Personen im Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Vorfall zuvor an der pro­FPÖ-Demonstration teilgenommen hatten? Wenn nein, warum nicht und weshalb wurde dann öffentlich ein Zusammenhang ausgeschlossen? Wenn ja, zu welchem Ergebnis kam diese Überprüfung und wie fand diese Überprüfung statt?

c.    Auf welcher Grundlage wurde diese Einschätzung getroffen und welche Stellen waren daran beteiligt?

d.    Haben weitere Ermittlungen im Zusammenhang mit dem antisemitischen Angriff im Bereich Schrottgießergasse ein anderes Bild ergeben als jenes, das die Landespolizeidirektion anfangs öffentlich kommunizierte?

e.    Wenn ja, welches und warum wurde dieses nicht öffentlich kommuniziert?

f.     Wenn nein, warum schließt die Landespolizeidirektion Wien weiterhin einen Zusammenhang mit Teilnehmenden der pro-FPÖ-Demonstration an diesem Tag aus?



[1] Siehe https://www.youtube.com/watch?v=cJXGNtUugAo Videosequenzen Sekunde 0:33 bis 1:03

[2] Ebd. Videosequenzen Sekunde 0:42 bis 0:54

[3] Ebd. Videosequenzen Sekunde 1:08 bis 1:29 und hier: https://www.derstandard.at/story/3000000247961/was-hinter-dem-antisemitischen-ueberqriff-in-wien-steckt

[4] https://kurier.at/chronik/wien/wien-pro-fpoe-demo-leopoldstadt-schrottgiessergasse-juedisch-antisemitisch-schtreimel/402982716

[5] https://www.youtube.com/watch?v=cJXGNtUugAo

[6] https://kurier.at/chronik/wien/wien-pro-fpoe-demo-leopoldstadt-schrottgiessergasse-juedisch- antisemitisch-schtreimel/402982716