2115/J XXVIII. GP

Eingelangt am 06.05.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer

an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Änderung der Pandemiedefinition der WHO im Zusammenhang mit Corona als Grundlage für globale Ausnahmezustände - Finanzierung der WHO und mögliche ungerechtfertigte Einflussnahme auf Pandemieentscheidungen

 

 

Im Jahr 2009 änderte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihre Definition einer Pandemie. Zuvor war ein wesentliches Kriterium, dass es sich um eine weltweite Krankheit mit außergewöhnlich hoher Sterblichkeit handelt. Dieses entscheidende Merkmal wurde gestrichen - seither genügt das weltweite Auftreten eines neuen Erregers, auch wenn Erkrankungen durch diesen milde verlaufen.

 

Diese Änderung erfolgte im Kontext der aufkommenden H1N1-Influenza, bekannt als Schweinegrippe. Schon damals gab es harsche Kritik im Europarat, weil der WHO vorgeworfen wurde, die Schweinegrippe voreilig zur Pandemie erklärt zu haben. Kritiker wie der deutsche Arzt und ehemalige Bundestagsabgeordnete Dr. Wolfgang Wodarg warnten bereits damals, dass mit dieser neuen Pandemie-Definition künftig auch harmlose Erkrankungen als weltweite Pandemie eingestuft werden könnten.[1] Wodarg argumentierte, dass dies erheblichen wirtschaftlichen Nutzen für Impfstoff-hersteller zur Folge habe und dass die Schwelle für das Ausrufen einer Pandemie damit künstlich abgesenkt worden sei.

 

Die alte Definition lautete:

„Eine Influenza-Pandemie tritt auf, wenn ein neues Influenzavirus auftritt, gegen das die Bevölkerung keine Immunität besitzt, was zu gleichzeitig Auftretenden, weltweit außergewöhnlich hohen Erkrankungs- und Todeszahlen führt.“[2]

 

Die geänderte Definition (ab 2009):

„Eine Pandemie ist die weltweite Ausbreitung einer neuen Krankheit.“[3]

 

Diese Änderung hatte weitreichende Folgen. Auch im Fall von COVID-19 wurde im März 2020 auf Grundlage der neuen Definition eine Pandemie ausgerufen, obwohl laut WHO-Daten am 11. März 2020 weltweit lediglich 118.000 bestätigte Fälle und 4.291 Todesfälle registriert waren. Das entsprach einem statistisch äußerst geringen Anteil der damaligen Weltbevölkerung von rund 7,8 Milliarden.

 

Trotz dieser niedrigen Zahlen erklärte der Generaldirektor der WHO, Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, COVID-19 offiziell zur Pandemie. Er berief sich dabei auf die globale Ausbreitung, die „alarmierende Untätigkeit“ einzelner Länder und die Sorge, dass das Virus sich rasch und unkontrolliert ausbreiten könnte. Grundlage dafür waren unter anderem frühe Modellrechnungen, etwa vom Imperial College London, und erste Studien zu möglichen Reproduktionszahlen (R) zwischen 2 und 3.

 

Gerade das Imperial College unter Leitung von Prof. Neil Ferguson hatte im März 2020 ein Worst-Case-Szenario prognostiziert, in dem es bei Ausbleiben von Maßnahmen bis zu 510.000 Todesfälle im Vereinigten Königreich geben könnte. Diese Modellierung wurde weltweit medial verbreitet und politisch stark rezipiert. Später wurden diese Prognosen jedoch von internationalen Experten als massiv überzogen kritisiert, insbesondere in Bezug auf die mangelnde Transparenz der Daten und unrealistische Annahmen.

 

Darüber hinaus kam es innerhalb Europas zu sehr unterschiedlichen politischen Reaktionen auf das Virus. Während viele Länder strenge Lockdowns verhängten, wählte Schweden unter der Leitung von Staatsepidemiologe Anders Tegnell einen anderen Weg: Es setzte auf Eigenverantwortung, ließ Schulen und Gastronomie weitgehend offen und verzichtete auf harte Ausgangsbeschränkungen. Im Unterschied dazu setzte Österreich ab Mitte März 2020 auf einen der frühesten und schärfsten Lockdowns Europas, inklusive Schul- und Geschäftsschließungen sowie Ausgangs-beschränkungen.

 

Trotz internationaler Kritik wurde Schweden im Nachhinein vielfach als erfolgreiches Gegenmodell betrachtet: Zwar hatte es höhere Fallzahlen als seine skandinavischen Nachbarn, jedoch blieb das Gesundheitssystem stabil, die wirtschaftlichen Schäden waren geringer und das Land wurde nicht durch monatelange Schulschließungen belastet.

 

Um wirklich die Auswirkungen der geänderten Pandemie-Definition zu verstehen, ist aber auch die enorme finanzielle Abhängigkeit der WHO von ihren Geldgebern zu beachten: rund 71 % der Gelder der WHO sind zweckgebundene Spenden. Das heißt, sie werden nur gegeben, wenn damit spezielle, vom Spender gewünschte Programme und Ziele verfolgt und umgesetzt werden. Für aus dem Pharmabereich stammende Geldgeber ist es jedoch von entscheidender Bedeutung für die Zulassung neuer Arzneimittel, ob diese zufälligerweise in einer Pandemie benötigt werden oder nicht. Sollte nämlich beispielsweise eine neue Impfung gerade für diese Pandemie benötigt werden, kommen statt der regulären Zulassungsverfahren sogenannte „teleskopierte“, also verkürzte Zulassungsverfahren zur Anwendung, deren Dauer statt 10-15 Jahre dann nur wenige Monate beträgt. Freilich sind aber die Kosten eines 10-15 Jahre dauernden Zulassungsverfahrens um ein Vielfaches höher, als wenn dieses nur wenige Monate dauert. Vorrangige wirtschaftliche Eigeninteressen der mit der Pharmaindustrie verbundenen Geldgeber sind daher hier nicht auszuschließen.

 

Die langen Zulassungsfristen haben aber einen Sinn, sie dienen der Erprobung und Testung der neuen Arzneimittel und sind damit unabdingbare Voraussetzung für einen sicheren und wirklich wirksamen Einsatz neuer Arzneimittel.

 

Dazu kommt noch, dass die Entscheidungen über die Ausrufung einer Pandemie interessanterweise nicht aufgrund einer Entscheidung eines Expertengremiums erfolgt, sondern einzig aufgrund der diesbezüglichen Entscheidung des WHO-Generaldirektors als Einzelperson. Dass eine Einzelperson aber weit leichter in ihren Entscheidungen zu beeinflussen ist als ein großes Gremium von Fachleuten, ist dabei eindeutig. Falschentscheidungen aufgrund ungerechtfertigter Einflussnahme auf den WHO-Generaldirektor ist damit Tür und Tor geöffnet, noch dazu, nachdem er und all seine Mitarbeiter völlige diplomatische Immunität genießen und für die Pandemie-Entscheidungen des WHO-Generaldirektors auch keinerlei Kontrollgremium vorgesehen ist. Auch eine ganz klar falsche Entscheidung kann daher nicht durch ein Gericht oder unabhängiges Expertengremium aufgehoben werden. Dabei ist zu beachten, dass die Schweinegrippe nicht die einzige Pandemie war, deren Ausrufung als unberechtigt kritisiert wurde. Auch aufgrund der Affenpocken wurde von der WHO eine Pandemie ausgerufen.

 

Gegen viele Änderungen dieses Systems können wir uns durch Widerspruch gegen die nunmehrigen Änderungsvorschläge gar nicht mehr wehren. Deshalb gehört endlich das Gesamtsystem der WHO überdacht. Wir brauchen eine Weltgesundheits-organisation, darüber besteht kein Zweifel, denn Viren machen vor Ländergrenzen bekanntlich nicht halt. Aber wir können das besser als in der vorliegenden, von finanziellen Abhängigkeiten und möglicher ungerechtfertigter Einflussnahme geprägten Form.

 

Die Finanzierung der WHO gehört dringend geändert, zum Beispiel in der Form, dass die finanziellen Mittel durch die Geldgeber für einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren zur völlig freien Verfügung der WHO gegeben werden. Auch sind die Entscheidungen über das Vorliegen einer Pandemie nicht allein vom WHO-Generaldirektor zu treffen, sondern von tatsächlich unabhängigen Expertengremien und dennoch sind auch hier Kontrollmöglichkeiten vorzusehen, denn auch Experten können sich irren. Es ist auch nicht einzusehen, dass die WHO-Mitarbeiter völlige Immunität genießen und daher keinerlei Verantwortung für ihr Handeln übernehmen müssen, auch das gehört geändert.

 

Nur mit diesen doch sehr großen Änderungen bei der WHO kann eine unabhängige Tätigkeit der WHO im Sinne der Gesundheit der Weltbevölkerung ermöglicht werden.

 

Festzuhalten ist: Die Entscheidung zur Pandemieausrufung und die Ableitung weit-reichender globaler Maßnahmen erfolgten zentral durch den WHO-Generaldirektor, ohne verbindliche wissenschaftliche Mehrheitsmeinung oder demokratische Einbindung breiter Expertengremien. Dass sich daraus künftig ein international verbindliches Machtinstrument für einen einzelnen Funktionär entwickeln soll, ist aus freiheitlicher und demokratischer Sicht in höchstem Maße bedenklich.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für europäische und internationale Angelegenheiten nachstehende

 


 

Anfrage

 

1.    Seit wann ist Ihnen bekannt, dass die WHO im Jahr 2009 ihre Pandemie-definition geändert hat?

2.    Wie lautete die Definition vor und nach der Änderung konkret?

a.    Wird diese Unterscheidung in den österreichischen Pandemieplänen berücksichtigt?

3.    War die Änderung der Definition Gegenstand einer Prüfung durch österreichische Behörden oder Institutionen?

4.    Welche konkreten Kriterien lagen der Ausrufung der Corona-Pandemie in Österreich im März 2020 zugrunde?

5.    Auf welche konkreten Zahlen, Daten und Fakten hat sich das österreichische Expertengremium der Bundesregierung bei seinen Entscheidungen zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 gestützt?

a.    Mit welchen wissenschaftlichen Instituten, Organisationen oder Behörden wurde dabei im Inland konkret zusammengearbeitet?

6.    Wurden bei den Entscheidungsprozessen der österreichischen Bundes-regierung zu Beginn der sogenannten Corona-Pandemie auch Daten, Empfehlungen oder Einschätzungen des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) herangezogen?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Einfluss auf die Maßnahmen in Österreich?

7.    Halten Sie es im Nachhinein für gerechtfertigt, dass bereits bei rund 4.000 weltweiten Todesfällen von einer Pandemie gesprochen wurde?

8.    Welche Rolle hat die WHO bei der österreichischen Corona-Politik offiziell und faktisch gespielt?

a.    Gab es Weisungen oder Empfehlungen?

9.    Welche offiziellen Kontakte gab es seitens österreichischer Behörden mit WHO-Vertretern im Zeitraum 2020 bis 2022?

10. Wie stehen Sie zum geplanten WHO-Pandemievertrag, insbesondere zu den Punkten: Zentrale Entscheidungsgewalt bei Pandemien, globale Maßnahmen-verpflichtung, Eingriffsrechte in nationale Systeme?

11. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass der WHO-Generaldirektor Entscheidungen über Pandemien treffen kann, ohne sich mit anderen Expertengremien oder Wissenschaftlern absprechen zu müssen?

12. Halten Sie es für legitim und mit den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaats vereinbar, dass eine einzelne Person - der Generaldirektor der WHO - im Rahmen einer nicht-demokratisch legitimierten Organisation das alleinige Entscheidungsrecht hat, wann und wie eine Pandemie für die ganze Welt ausgerufen wird, ohne sich dabei auf ein verbindliches wissenschaftliches Beratungsgremium, nationale Expertengremien oder konkrete Belege stützen zu müssen, und damit die Möglichkeit erhält, nationale Regelungen und verfassungsrechtliche Hürden in Österreich zu umgehen?

13. Halten Sie es für legitim und mit den Grundprinzipien eines demokratischen Rechtsstaats vereinbar, dass die WHO über derart wichtige Fragen der Gesundheitspolitik entscheiden und de facto verbindliche Empfehlungen abgeben kann, obwohl die WHO finanziell in einem derart großen Abhängigkeitsverhältnis von ihren Geldgebern steht, bei denen ungerechtfertigte Einflussnahme aufgrund eigener wirtschaftlicher Interessen nicht ausgeschlossen werden kann?

14. Wird die österreichische Souveränität im Bereich der Gesundheitspolitik auch künftig unangetastet bleiben?

a.    Wenn ja, wie genau soll das sichergestellt werden?

15. Werden die von der WHO erlassenen Maßnahmen auch von Österreich geprüft, ob diese tatsächlich zum Wohle der Gesundheit des österreichischen Volkes beitragen und in dieser Hinsicht nötig sind?

16. Werden Sie durch Ihre Regierungskollegen, wie der Gesundheitsministerin, neuartige Weiterentwicklungen der Impfstofftechnologie wie jetzt gerade die self-amplifying mRNA durch tatsächlich unabhängige Experten prüfen lassen, um sicherstellen zu können, dass diese auch tatsächlich im Sinnen und Interesse des Wohles der österreichischen Bevölkerung sind?

17. Planen Sie, an eine Reformierung der Weltgesundheitsorganisation anzustoßen bzw. an einer solchen Reformierung mitzuarbeiten, damit in Hinkunft sichergestellt werden kann, dass WHO-Entscheidungen zu Pandemien nicht von einer Einzelperson, sondern von einem weitestgehend unabhängigen Expertengremium getroffen werden?

18. Planen Sie, eine Reformierung der Weltgesundheitsorganisation anzustoßen bzw. an einer solchen Reformierung mitzuarbeiten, damit in Hinkunft sichergestellt werden kann, dass auch die finanzielle Abhängigkeit der WHO aufgrund der großteils als zweckgebundenen Spenden gewährten Gelder unterbunden wird und durch eine Finanzierung über völlig frei über mehrere Jahre zur Verfügung gestellte finanzielle Mittel ersetzt wird?

19. Ist eine Zustimmung Österreichs zum WHO-Pandemievertrag oder zu den neuen IHR-Verträgen geplant?

a.    Wenn ja, wann und mit welcher parlamentarischen Einbindung?

20. Wurde der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes mit einer Prüfung der Verträge und ihrer Vereinbarkeit mit der österreichischen Bundesverfassung beauftragt?

21. Wird die Bevölkerung in Österreich - etwa über eine Volksbefragung - in die Entscheidung über ein derart weitreichendes Abkommen eingebunden werden?

22. Wird Österreich - im Sinne der staatlichen Eigenverantwortung - ein Opt-Out aus künftigen WHO-Maßnahmenregelungen rechtlich und politisch prüfen?

23. Ist es für Sie denkbar, im Falle eines weiteren Kompetenzausbaus der WHO auch einen Rückzug oder Ausstieg aus dieser Organisation in Erwägung zu ziehen?



[1]    https://www.deutschlandfunk.de/panik-oder-pandemie-100.html

[2]    Vgl. https://iris.who.int/bitstream/handle/10665/44123/9789241547680_eng.pdf

[3]    Vgl. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC3127276/pdf/BLT.11.088815.pdf