2299/J XXVIII. GP

Eingelangt am 09.05.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft

betreffend die Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnung, Wahlfreiheit und des Vorsorgeprinzips im Zusammenhang mit neuen genomischen Techniken (NGT1) sowie einer möglichen Nichtigkeitsklage gegen die geplante EU-Verordnung

BEGRÜNDUNG

 

Der Verein „Arbeitsgemeinschaft für Gentechnik-frei erzeugte Lebensmittel“ (kurz: ARGE Gentechnik-frei) - eine unabhängige Plattform von Mitgliedsunternehmen aus dem Lebensmittelhandel, der Lebensmittelherstellung und der Futtermittelproduktion sowie von Organisationen und Verbänden aus den Bereichen Umweltschutz, Konsument:innenschutz und Bäuer:innenvertretungen - hat im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 alle kandidierenden Parteien zu ihren Positionen bezüglich der neuen genomischen Techniken (NGT) befragt[1][2]. ÖVP und SPÖ haben in diesem Zusammenhang explizit zugesagt, sich auf nationaler und europäischer Ebene für folgende Punkte einzusetzen:

Im Regierungsprogramm findet sich der folgende Passus: „Die Bundesregierung setzt sich auf europäischer Ebene dafür ein, dass neue genomische Techniken eine Risikobewertung sowie ein Zulassungsverfahren durchlaufen und die Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit garantiert wird, insbesondere um die Koexistenz zu gewährleisten (z.B. mit der biologischen Produktion).“ Da insbesondere der zweite Teil (Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Koexistenz) nur Sinn macht, wenn sich der Absatz auf die mit neuen genomischen Verfahren hergestellten Pflanzen bzw. aus diesen hergestellte Produkte bezieht, wird angenommen, dass dies auch so gemeint war.

Diese Positionen stehen nun im Kontext eines aktuell diskutierten Verordnungsvorschlags der Europäischen Kommission zu NGT. Mehrere unabhängige juristische Gutachten stellen die Vereinbarkeit des Kommissionsvorschlags mit grundlegenden europäischen und völkerrechtlichen Prinzipien in Frage:

  1. Ein Gutachten von Dr. Georg Buchholz (GGSC) vom 14.09.2023[3] im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen kommt zum Ergebnis, dass der Verordnungsvorschlag gegen das in den EU-Verträgen verankerte Vorsorgeprinzip verstoße.
  2. Ein weiteres Gutachten im Auftrag des deutschen Landwirtschaftsministeriums stellt eine Unvereinbarkeit mit dem Cartagena-Protokoll über biologische Sicherheit fest – einem völkerrechtlich verbindlichen Vertrag, dem auch die EU sowie ihre Mitgliedstaaten beigetreten sind[4].

Diese Bedenken werfen die Frage auf, ob und inwieweit die österreichische Bundesregierung, insbesondere die zuständigen Mitglieder im Bereich Gesundheit und Landwirtschaft, entsprechend vorbereitet ist, um gegebenenfalls eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubringen – insbesondere dann, wenn die Verordnung im derzeit diskutierten Format verabschiedet wird und den im Wahlkampf geäußerten Zusagen der Regierungsparteien nicht entspricht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

  1. Welche konkreten Maßnahmen wurden bislang von Ihnen bzw. Ihrem Ministerium gesetzt, um
    1. die Rückverfolgbarkeit von NGT1-Produkten gesetzlich zu verankern,
    2. eine verpflichtende Kennzeichnung bis hin zur Endkonsumentin/zum Endkonsumenten sicherzustellen,
    3. die Wahlfreiheit für Landwirtschaft, Handel und Konsument:innen zu garantieren,
    4. das Vorsorgeprinzip zu wahren sowie eine unabhängige Risikobewertung beizubehalten,
    5. europaweit einheitliche Koexistenzmaßnahmen (z. B. Abstandsregelungen, Mitteilungspflichten) zu fordern und umzusetzen?

  2. Inwieweit beteiligt sich Österreich im EU-Gesetzgebungsverfahren zur geplanten Verordnung über NGT1 an der kritischen Prüfung der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht und internationalen Abkommen, insbesondere dem Cartagena-Protokoll?

  3. Wurden seitens Ihres Ministeriums bereits eigene rechtliche Gutachten in Auftrag gegeben, um die Kompatibilität des Verordnungsvorschlags mit dem Vorsorgeprinzip und internationalen Verpflichtungen zu bewerten?
    1. Wenn ja, wann wurden diese in Auftrag gegeben und wann werden die Ergebnisse veröffentlicht?

  4. Besteht innerhalb der Bundesregierung bereits ein abgestimmter Fahrplan für das weitere Vorgehen im Hinblick auf das Inkrafttreten der Verordnung und etwaige juristische Schritte?
    1. Wenn ja, ersuchen wir um Erläuterung der Pläne der Bundesregierung.
    2. Wenn nein, ersuchen wir um Begründung wieso nicht.

  5. Werden Sie sicherstellen, dass Österreich im Falle eines Inkrafttretens der Verordnung in der derzeitigen Fassung eine Nichtigkeitsklage beim EuGH einbringt?
    1. Haben Sie bzw. die Mitarbeiter:innen Ihres Ministeriums seit Ihrem Amtsantritt mit anderen Ministerien Gespräche über die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage beim EuGH geführt? Wenn ja, bitte um Nennung der Gesprächstermine und Ministerien. Wenn nein, bitte um Begründung weshalb nicht.
    2. Welche konkreten rechtlichen, politischen oder administrativen Vorbereitungen werden derzeit getroffen, um eine solche Klage rechtzeitig und fundiert einzubringen?

  6. Wie stellen Sie sicher, dass die im Zuge des Wahlkampfs von ÖVP und SPÖ gemachten Zusagen zur Regulierung von NGT1 – insbesondere hinsichtlich Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit, Wahlfreiheit und Vorsorgeprinzip, welche teilweise auch Eingang ins Regierungsprogramm gefunden haben – auch nach der Wahl konsequent auf europäischer Ebene vertreten und dass Österreich alle Möglichkeiten als EU-Staat ausschöpft, damit diese umgesetzt werden?

 



[1] ARGE Gentechnik-frei „Parteien-Check“: Konsens für Weiterführung der kritischen Gentech-Haltung - ARGE Gentechnik-frei

[2] Der Parteien Check - ARGE Gentechnik-frei

[3] Gutachten: Kommissionsvorschlag einer Verordnung über neue genomische Techniken (NGT): Zur Verletzung des Vorsorgeprinzips

[4] https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Landwirtschaft/Gruene-Gentechnik/NGT-Gutachten-EU-Vorschlag.pdf?__blob=publicationFile&v=4