2316/J XXVIII. GP
Eingelangt am 13.05.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Abschiebung um jeden Preis? Riskieren Sie Menschenrechte für Showpolitik, Herr Minister Karner?
Am 27. April 2025 traf Bundesminister Gerhard Karner im Rahmen eines trilateralen Arbeitsgesprächs mit seiner deutschen Amtskollegin Nancy Faeser sowie dem syrischen Innenminister Anas Khattab zusammen. Besprochen wurden unter anderem Fragen der Sicherheitslage in Syrien, der Terrorismusbekämpfung sowie die Rückführung von syrischen Staatsangehörigen, sowohl freiwillige Rückkehr als auch Abschiebungen von Straftäterinnen und Straftäter.
Innenminister Khattab betonte die Notwendigkeit eines Umbaus der syrischen Sicherheitsarchitektur, um den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten und Dokumente für die Rückführung ausstellen zu können. Innenminister Karner erklärte nach dem Treffen, man habe konkrete Schritte zur Umsetzung vereinbart insbesondere zur Ausbildung syrischer Sicherheitskräfte sowie zur Rückführungspolitik.
Diese Äußerungen geben Anlass zu großer Sorge. Der derzeitige Interimspräsident Syriens, Abu Mohammed al-Dscholani, ist früherer Anführer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) und ehemaliges Mitglied der Al-Nusra-Front – einem Ableger von Al-Kaida – und muss sich erst als glaubwürdiger Partner beweisen. Innenminister Khattab selbst war in der Vergangenheit Teil dieser Gruppierungen und steht Berichten zufolge noch immer auf internationalen Terrorlisten[1]. Angriffe auf Minderheiten von syrischen Sicherheitskräften und Milizen zeigen auf, wie schwierig es ist, Rechtstaatlichkeit in den eigenen Reihen durchzusetzen – Syrien ist gesellschaftlich und regional stark fragmentiert – das ist wohl eine der größten Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund erscheint eine Ausbildung syrischer Sicherheitskräfte durch österreichische oder europäische Stellen höchst problematisch. Wiederholt haben sich internationale Ausbildungsinitiativen als kontraproduktiv erwiesen, wenn ehemalige Milizen mit militärischer Expertise gegen Zivilgesellschaft oder demokratische Institutionen vorgehen. Solche Maßnahmen bergen daher ein erhebliches Risiko für eine Verstetigung autoritärer oder gar gewaltförmiger Strukturen.
Langfristige Sicherheit in Syrien kann nur gelingen, wenn sich die dortige Übergangsregierung glaubhaft zu rechtsstaatlichen Prinzipien, dem Schutz von Menschenrechten – insbesondere von Frauen, Minderheiten und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen – und einem pluralistischen Staatsaufbau bekennt. Jegliche Ausbildungsunterstützung sollte deshalb zwingend an diese Bedingungen geknüpft sein und entsprechende Inhalte (z. B. gemäß den UN-Resolutionen zu Women, Peace and Security sowie Youth, Peace and Security) umfassen.
Wieder einmal scheint es, dass Karner fragwürdige Showpolitik auf Kosten der Menschenrechte macht - und das wieder einmal, um von seinen eigenen Versäumnissen in Innenministerium und Polizei abzulenken.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Welche Art der Zusammenarbeit mit syrischen Sicherheitskräften ist konkret geplant?
2) Welche Vereinbarungen wurden beim Treffen mit dem syrischen Innenminister am 27. April 2025 konkret getroffen?
a) Auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage erfolgt diese Zusammenarbeit?
3) Wie stellen Sie sicher, dass keine (ehemaligen) Mitglieder terroristischer Organisationen im Rahmen dieser Zusammenarbeit ausgebildet werden?
4) Welche Hintergrundprüfungen oder Sicherheitsüberprüfungen sollen im Vorfeld einer möglichen Zusammenarbeit durchgeführt werden?
5) Hat der syrische Innenminister glaubhaft versichern können, dass die von ihm geleiteten Sicherheitskräfte rechtsstaatliche Prinzipien und Menschenrechte achten?
a) Falls ja: Wie wurde diese Zusicherung dokumentiert?
b) Falls ja: Wie wurde mit der Tatsache umgegangen, dass auch unter seiner Amtsführung Berichte über Verfolgung von Minderheiten vorliegen?
c) Falls nein: sehen Sie das als Ausschließungsgrund für eine Unterstützung syrischer Sicherheitskräfte?
6) Welche Inhalte sollen bei einer etwaigen Ausbildung syrischer Sicherheitskräfte vermittelt werden?
7) Werden Aspekte wie Frauenrechte, Minderheitenschutz, zivile Konfliktbearbeitung und menschenrechtskonforme Polizeiarbeit explizit behandelt?
8) Werden internationale Standards und UN-Resolutionen zur Einbindung von Frauen und Jugendlichen in Friedensprozesse berücksichtigt?
9) Welche Kontrollmechanismen sieht das Innenministerium vor, um die Wirkung und Zielgenauigkeit der Zusammenarbeit zu evaluieren?
10) Gibt es Abbruchkriterien für die Zusammenarbeit, falls sich syrische Partner nicht an rechtsstaatliche Grundsätze halten?
11) Wie wird gewährleistet, dass eine Kooperation nicht zur Stabilisierung autoritärer oder extremistischer Strukturen beiträgt?
12) Mit welchen Kosten rechnen Sie für die Unterstützung der syrischen Regierung?
13) Soll Personal für die Unterstützung der syrischen Regierung in Österreich oder in Syrien eingesetzt werden?
a) Wenn ja: wie viele Personaleinheiten?
b) Wenn ja: wie werden diese Personen eingesetzt?
[1] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/syrien-milizenfuehrer-al-dscholani-100.html und https://kurier.at/politik/inland/innenminister-gerhard-karner-syrien-anas-khattab-asyl-migration/403035961