2317/J XXVIII. GP

Eingelangt am 13.05.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Bildung

betreffend Schulbücher und Schulbuchkommission

BEGRÜNDUNG

Schulbücher sind essenziell für den Unterricht. Sie bieten eine strukturierte und verlässliche Grundlage für die Wissens- und Kompetenzvermittlung und decken die Kompetenzen und Anwendungsgebiete der Lehrpläne systematisch ab und unterstützen Schüler:innen beim eigenständigen Lernen. Darüber hinaus fördern sie – im Idealfall – kritisches Denken und dienen Lehrkräften als Arbeitsinstrument im schulischen Alltag.

Zur Sicherung der inhaltlichen und didaktischen Qualität werden Schulbücher von eigens eingerichteten Gutachter:innenkommissionen begutachtet. Nur nach positiver Approbation durch diese Kommissionen können Schulbücher über die Schulbuchaktion beschafft und im Unterricht eingesetzt werden.

Trotz dieser wichtigen Funktion bleibt der Approbationsprozess weitgehend intransparent: Weder ist öffentlich einsehbar, wer den Kommissionen angehört, noch ist nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Auswahl der Mitglieder erfolgt oder wie der genaue Ablauf der Begutachtung aussieht.

Eine transparente und diversitätsbewusste Gestaltung dieser Prozesse ist jedoch essenziell, um sicherzustellen, dass möglichst alle Aspekte in Unterrichts­materialien angemessen repräsentiert sind.

Gerade in einer zunehmend diversen Gesellschaft ist es entscheidend, dass Schulbücher diskriminierungskritisch gestaltet sind, stereotype Darstellungen vermeiden und unterschiedliche Lebensrealitäten abbilden. Der Gesetzgeber selbst verlangt in § 9 Abs. 1 Z 1 der entsprechenden Verordnung explizit die Berücksichtigung von Geschlechtergleichstellung, Antidiskriminierung und Vielfalt – auf Wort- und Bildebene. Dennoch ist zu beobachten, dass stereotype Narrative auch heute noch in Unterrichtsmaterialien enthalten sind – insbesondere bei sensiblen Themen wie Rassismus, Kolonialgeschichte oder Geschlechterrollen.

Hier stellt sich die Frage, ob die bestehenden Kontrollmechanismen ausreichen und ob die Diversität innerhalb der begutachtenden Kommissionen selbst diesem Anspruch gerecht wird.

Darüber hinaus stellen sich auch neue Herausforderungen: Digitale Unterrichtsmaterialien und interdisziplinäre Lernplattformen gewinnen im Schulalltag zunehmend an Bedeutung, sind aber bisher nur unzureichend im Rahmen der Schulbuchaktion berücksichtigt. Der langwierige und schwerfällige Approbationsprozess erschwert Innovation zusätzlich. Eine Reform der Schulbuchaktion sowie eine Modernisierung des Prüfverfahrens wären daher dringend geboten, um aktuellen pädagogischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

ANFRAGE

 

Zur Gutachterkommission:

1.    Wer entscheidet über die Größe der jeweiligen Kommission, die laut Verordnung aus drei bis 20 Mitglieder bestehen kann? Nach welchen Kriterien wird der Umfang festgelegt?

2.    Welche Stellen oder Organe sind für die Auswahl der Mitglieder der Gutachter:innenkommissionen zuständig?

3.    Nach welchen fachlichen, beruflichen oder sonstigen Kriterien erfolgt die Auswahl der Mitglieder der Kommissionen?

4.    Wie viele Gutachterkommission sind derzeit bestellt und wie viele Personen sind derzeit insgesamt als Gutachter:innen tätig? Bitte um Aufschlüsselung nach Kommission, Geschlecht, Alter, fachlichem Hintergrund, beruflicher Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft.

  1. Warum ist nicht öffentlich einsehbar, wer den jeweiligen Gutachter:innen­kommissionen angehört?
  2. In welchem Ausmaß und in welcher Form werden die Mitglieder der Kommissionen für ihre Tätigkeit entlohnt bzw. finanziell abgegolten?
  3. Wie wird sichergestellt, dass in jeder Kommission eine ausreichende fachliche Breite vorhanden ist, um alle inhaltlichen, didaktischen und gesellschaftlichen Anforderungen und zu prüfenden Erfordernisse abzudecken?
  4. Erfolgt eine Schulung oder Sensibilisierung der Mitglieder der Kommissionen, um sicherzustellen, dass alle inhaltlichen, didaktischen und gesellschaftlichen Anforderungen und zu prüfenden Erfordernisse abgedeckt werden können? Wenn ja, in welcher Form? Und ist die Teilnahme verpflichtend?
  5. Gibt es Überlegungen, die Zusammensetzung der Gutachter:innen­kommissionen diversitätsbewusster zu gestalten, etwa durch gezielte Einbindung von Gesellschaftsgruppen wie Jugendvertreter:innen, Expert:innen mit Migrationsbiografie, Vertreter:innen von Minderheiten, einzuhaltende Geschlechterparität etc.?

Zum Approbationsprozess und Qualitätsmanagement

  1. Für welchen Zeitraum werden Schulbücher in der Regel approbiert?
  2. In welcher Form wird im Approbationsverfahren sichergestellt, dass die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 der VO über die Eignungserklärung von Unterrichtsmitteln „…hinsichtlich der Berücksichtigung des Ziels der Geschlechtergleichstellung, der Antidiskriminierung sowie der Berücksichtigung vielfältiger Lebensrealitäten in der Gesellschaft unter Vermeidung von einseitigen und klischeehaften Darstellungen von sozialen und geschlechterspezifischen Rollen auf der Wort- und Bildebene…“ tatsächlich eingehalten werden?
  3. Gibt es standardisierte Kriterien, Checklisten oder Leitfäden, die bei der Beurteilung dieser Erfordernisse herangezogen werden? Wenn ja, bitte um Übermittlung.
  4. Welche Schritte setzt das Ministerium, wenn nach erfolgter Approbation eines Schulbuches Mängel oder Lücken festgestellt werden? Kann eine Approbation nachträglich widerrufen oder angepasst werden?
  5. Besteht die Möglichkeit, einzelne Inhalte, Kapitel oder Abbildungen eines bereits approbierten Schulbuches nachträglich zu ändern, ohne ein erneutes Approbationsverfahren durchlaufen zu müssen? Falls ja, bis zu welchem Umfang ist dies zulässig? Ab wann ist ein Schulbuch inhaltlich so stark verändert, dass ein erneuter Approbationsprozess erforderlich ist?
  6. Gibt es einen formellen Austausch zwischen dem Bildungsministerium und den Schulbuchverlagen zur Qualitätssicherung und Weiterentwicklung von Lehrmaterialien? Wenn ja, in welchem Format, in welchen Abständen und mit welchen Inhalten?
  7. Welche Maßnahmen setzt das Ministerium, um Lehrkräfte gezielt für stereotype Narrative und diskriminierende Inhalte in Schulbüchern zu sensibilisieren?
  8. Gibt es grundsätzlich spezifische Fort- oder Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte zu diskriminierungskritischer Didaktik und rassismuskritischer Bildung? Wenn ja, in welchem Umfang werden diese angeboten und wie viele Lehrpersonen nehmen jährlich daran teil?

In die Zukunft gerichtet

  1. Gibt es ernsthafte Überlegungen seitens des Ministeriums die Schulbuchaktion umfassend zu reformieren und an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen, vor allem in Hinblick auf den Einsatz von digitalen und interdisziplinären Lern- und Lehrplattformen, die derzeit nicht aus dem Grundlimit pro Kind finanziert werden können? Wenn ja, welche konkreten Maßnahmen sind derzeit in Planung bzw. Umsetzung und was ist der Zeithorizont dafür? Gab es in diesem Zusammenhang bereits Gespräche oder Abstimmungen mit dem Bundesministerium für Familie, das für Finanzierung und etwaige gesetzliche Änderungen (FLAF) im Bereich der Schulbuchaktion zuständig ist?
  2. Liegen seitens des Ministeriums bereits konkrete Überlegungen, Planungen oder Initiativen vor, den derzeit langwierigen und schwerfälligen Approbationsprozess für Unterrichtsmittel zu reformieren und an moderne Bildungsbedarfe anzupassen – insbesondere im Hinblick auf die Qualitätssicherung digitaler Unterrichtsmaterialien sowie digitaler und interdisziplinärer Lern- und Lehrplattformen?