2373/J XXVIII. GP
Eingelangt am 13.05.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Christofer Ranzmaier
an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur
betreffend Deutschlands Blockadehaltung beim Brennerbasistunnel und dem Nordzulauf
Der Brennerbasistunnel (BBT) ist eines der bedeutendsten Infrastrukturprojekte Europas und spielt eine zentrale Rolle für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Gerade für Österreich und insbesondere Tirol ist diese Verkehrsverlagerung von essenzieller Bedeutung, um die Bevölkerung entlang der Brennerachse vor den Belastungen des Transitverkehrs zu schützen. Während Österreich und Italien ihre Hausaufgaben gemacht haben, zeigt sich Deutschland als unzuverlässiger Partner.
Bereits 2012 wurde zwischen Österreich und Deutschland eine Rahmen-vereinbarung über den Ausbau der Zulaufstrecken zum BBT getroffen.[1] Diese Vereinbarung war nicht nur eine technische Abstimmung, sondern ein politisches Bekenntnis zur gemeinsamen Verantwortung für den Erfolg eines europäischen Schlüsselprojekts. Österreich hat den Ausbau der Unterinntalbahn vorangetrieben und Milliarden investiert. Deutschlands Verzögerungen beim Nordzulauf hingegen kommen einem faktischen Vertragsbruch gleich, der den verkehrspolitischen Nutzen des BBT massiv schmälert und Österreich wirtschaftliche sowie umwelt-politische Nachteile bringt.
Wie aktuelle Medienberichte zeigen, steht der Ausbau der 54 Kilometer langen Nordzulaufstrecke in Bayern vor dem kompletten Aus. Sowohl die bayerische Staatsregierung (CSU und Freie Wähler) als auch Bürgerinitiativen blockieren die Umsetzung. Die neue deutsche Bundesregierung setzt andere Prioritäten im Bahnausbau – der Brenner-Nordzulauf findet im Koalitionsvertrag keine Erwähnung, während Verbindungen nach Polen und Tschechien forciert werden.
Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle forderte in einem Transitbrief an Deutschland ein klares Bekenntnis zum Nordzulauf, Landesrat Zumtobel sprach von einer „ernüchternden“ Entwicklung.[2] Ohne Zulaufstrecken droht der BBT ein teures Nadelöhr zu werden, während der Transitverkehr ungebremst Tirol belastet.
Vor dem Hintergrund des Ausbaustopps auf deutscher Seite und der anhaltenden Blockadehaltung stellt sich die Frage, wie die österreichische Bundesregierung darauf reagiert und welche Maßnahmen sie setzt, um den verkehrspolitischen Nutzen des BBT sicherzustellen und die Interessen der Tiroler Bevölkerung zu wahren.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundesminister für Mobilität, Innovation und Infrastruktur nachstehende
Anfrage
1. Welche offiziellen Informationen liegen der Bundesregierung über den aktuellen Stand der Planungen und Umsetzungen der nördlichen Zulaufstrecke zum Brennerbasistunnel auf deutscher Seite vor?
2. Wie bewertet das Ministerium die Auswirkungen des fehlenden Bekenntnisses der neuen deutschen Bundesregierung zum Brenner-Nordzulauf auf das Gesamtprojekt Brennerbasistunnel?
3. Welche diplomatischen Initiativen hat Österreich bislang gesetzt, um auf die Bundesregierung in Berlin einzuwirken, ihren Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung von 2012 nachzukommen?
4. Wurde seitens des Ministeriums in offiziellen Gesprächen mit deutschen Vertretern auf die möglichen Konsequenzen der Verzögerungen hingewiesen?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
5. Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, um Deut-schland zur Einhaltung der Rahmenvereinbarung von 2012 zu verpflichten?
6. Welche Konsequenzen sieht die Bundesregierung für die weitere Zusammenarbeit mit Deutschland in anderen Verkehrsprojekten, wenn die Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung von 2012 weiterhin nicht erfüllt werden?
7. Welche Schritte plant die Bundesregierung, um den Bestand und die Gültigkeit der Rahmenvereinbarung von 2012 auf europäischer Ebene erneut zu bekräftigen?
8. Welche Risiken sieht das Ministerium für Tirol und die betroffene Bevölkerung, sollte Deutschland weiterhin keine funktionierende Anbindung an den Brennerbasistunnel sicherstellen, insbesondere im Hinblick auf:
a. die Umwelt- und Gesundheitsbelastung der Tiroler Bevölkerung durch zunehmenden Transitverkehr und wie bewertet das BMIMI die Entwicklungen der letzten Jahre hinsichtlich der Belastung auf Basis aktueller Luftgüte- und Lärmmessungen in Tirol?
b. die wirtschaftlichen Kosten für Österreich durch die eingeschränkte Nutzung des Tunnels,
c. die Glaubwürdigkeit europäischer Infrastrukturprojekte?
9. Welche Schätzungen liegen der Bundesregierung über die volks-wirtschaftlichen Folgekosten für Tirol und Österreich vor, sollte der Güterverkehr weiterhin in hohem Ausmaß über die Brennerautobahn anstatt über den Brennerbasistunnel abgewickelt werden?
10. Gibt es seitens des Ministeriums Berechnungen darüber, welche Umweltschäden (z.B. CO₂-Emissionen, Feinstaubbelastung, Lärm-belastung) durch die Verzögerungen beim Brenner-Nordzulauf für Tirol entstehen?
11. Wie beurteilt die Bundesregierung die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf die Verkehrssituation in Tirol, insbesondere unter Berücksichtigung der bevorstehenden Sanierungen und Neubauten (z.B. Luegbrücke, Gschnitztalbrücke, Europabrücke)?
12. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Bundesregierung zum Schutz der Tiroler Bevölkerung, sollte sich der Ausbau der Nordzulaufstrecke auf deutscher Seite weiter verzögern?
13. Wie hoch wären die zusätzlichen Einsparungen an CO₂-Emissionen und anderen Schadstoffen, wenn der Brennerbasistunnel mit voll funktions-fähigen Zulaufstrecken auf beiden Seiten betrieben werden könnte, verglichen mit dem aktuellen Transitaufkommen über die Straße?
14. 1Welche konkreten Kosten sind Österreich bislang infolge der Verzögerungen auf deutscher Seite im Zusammenhang mit dem Brennerbasistunnel entstanden, inklusive etwaiger indirekter Folgekosten, die durch notwendige Maßnahmen wie Transitbeschränkungen verursacht wurden?
15. Welche zusätzlichen Mehrkosten könnten entstehen, sollte sich der Betrieb des Brennerbasistunnels durch das Fehlen der Zulaufstrecken nicht wie geplant entfalten lassen?
16. Welche Optionen sieht das Ministerium auf europäischer Ebene, um politischen Druck auf Deutschland auszuüben, den Brenner-Nordzulauf voranzutreiben?
17. Ist die Bundesregierung bereit, den Projektstatus des Brennerbasistunnels in der EU neu zu bewerten und gegebenenfalls Sanktionen gegen säumige Mitgliedstaaten einzufordern?
18. Plant das Ministerium den Umstand der mangelnden Kooperations-bereitschaft Deutschlands in puncto Nordzulauf zum BBT in europäischen Gremien zu thematisieren?
a. Wenn ja, wann und welcher Form?
[1] Rahmenvereinbarung über Zulaufstrecken, unterzeichnet am 24.07.2012
https://tirol.orf.at/v2/news/stories/2537306/
[2] Tiroler Tageszeitung, 18.04.2025: „Es ist sehr ernüchternd“,
https://www.tt.com/artikel/30906539/es-ist-sehr-ernuechternd-brenner-nordzulauf-steht-vor-dem-aus
Tiroler Tageszeitung, 19.04.2025: „Transitbrief an Deutschland ist unterwegs“