2446/J XXVIII. GP
Eingelangt am 21.05.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Elisabeth Götze, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend dient die Forschungsprämie der Forschungs- oder der Unternehmensförderung?
Österreich ist ein starker Forschungsstandort. Bei der jüngsten Forschungsquote, also dem Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) am Bruttoinlandsprodukt, kam Österreich auf beachtliche 3,35 %. Damit erreicht Österreich den höchsten Wert seit Beginn der Erfassung der Forschungsquote und den dritten Platz innerhalb der EU.[1] Das sind erfreuliche Nachrichten, auch wenn der Effekt teilweise durch die schlechtere Konjunkturentwicklung entsteht: Während die Forschungsausgaben um 5,5 % stiegen, wuchs das nominale BIP um nur 2,8 %, was die Forschungsquote positiv beeinflusste.[2]
Die Forschungsquote erfasst Ausgaben der staatlichen Stellen, der Unternehmen und aus dem Ausland. Unternehmerische F&E ist in Österreich ein wichtiger wirtschaftlicher Motor. Auf sie entfallen nach Berechnungen der Statistik Austria zwei Drittel der Forschungsausgaben innerhalb Österreichs. Eingerechnet sind darin jedoch auch die vom Finanzamt ersetzten F&E-Ausgaben im Rahmen der sogenannten Forschungsprämie.
Auf die Forschungsprämie entfällt ein beträchtlicher Teil der Forschungsausgaben in Österreich – über 1,1 Mrd. von insgesamt 16,1 Mrd. Euro. Im Rahmen des steuerlichen Förderinstruments erstattet das Finanzamt auf Antrag eines Unternehmens oder Einzelunternehmers 14 % der F&E-Ausgaben auf das Abgabenkonto des Steuerpflichtigen. Welche F&E-Ausgaben im Rahmen der Forschungsprämie erstattet werden, ist in der österreichischen Forschungsprämienverordnung festgelegt.[3] Dazu zählen neben unmittelbaren Investitionen in Forschungsaktivitäten auch die Löhne und Gehälter von Forscherinnen und Forschern sowie Investitionen in Grundstücke und Gemeinkosten, sofern diese der F&E zuzuordnen sind. Diese Vorgehensweise orientiert sich am Frascati-Handbuch der OECD, welches der Staatengemeinschaft als Leitlinien für die Erhebung und Meldung von F&E-Daten dient.[4]
Allerdings steigen (und schwanken) viele der prämienbegünstigten F&E-Ausgaben oft aus Gründen, die nichts mit der Forschungsleistung an sich zu tun haben. Die Höhe der Forschungsprämie kann daher die Aussagekraft der Forschungsquote verzerren. Die Übersicht der Bruttoinlandsausgaben für die F&E-Finanzierung aus dem Forschungs- und Technologiebericht 2024 (siehe Tabelle 1) zeigt, wie sehr die Forschungsprämie verglichen mit der direkten Forschungsförderung seitens des Bundes oder den Ausgaben des Unternehmenssektors schwankt. Würde die Forschungsquote auf Basis dieser Daten ohne die Forschungsprämie berechnet, betrüge sie noch ca. 3,14 % (siehe Abbildung 1).
Tabelle 1, Quelle: Forschungs- und Technologiebericht 2024[5]


Abbildung 1: Forschungsquote und Forschungsausgaben (rechte Achse) mit und ohne Forschungsprämie (eigene Darstellung; Daten: Statistik Austria; Y-Achsen verkürzt dargestellt.)
Auf Basis der aggregierten Daten lässt sich zudem kaum auf die Breiten- und Tiefenwirkung der Forschungsprämie schließen, also darauf, wie sich die Förderung auf das Forschungsverhalten österreichischer Unternehmen einerseits und auf verwertbare Forschungsergebnisse, Beschäftigung und Standortattraktivierung andererseits auswirkt. Die letzte formelle Evaluierung wurde vom BMF im Jahr 2017 in Auftrag gegeben.[6] Bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung gab es Kritik an den kurzen Fristen und dem geringen Umfang der für die Evaluierung zur Verfügung stehenden Daten.[7] Letztendlich war auch nur ein kleiner Teil der befragten Unternehmen bereit, Angaben zu ihrem Forschungsverhalten zu machen, was die Aussagekraft der damaligen Untersuchung weiter einschränkt. Angesichts der fehlenden Datenerhebung durch die zuständigen Stellen liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei der Forschungsprämie im Wesentlichen um Unternehmensförderung und weniger um Forschungsförderung handelt.
Auch im Ergebnis muss die Wirksamkeit der Forschungsprämie als Förderinstrument in Frage gestellt werden. Der Anteil von High-Tech-Gütern an der Exportquote Österreichs stagnierte zuletzt im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Andererseits weist Österreich mit fast 40 Prozent den höchsten Exportanteil an Low- und Medium-Low-Tech innerhalb der EU auf.[8] Es ist also dringend geboten, Transparenz über die Empfänger und die Auswirkungen der Forschungsprämie herzustellen, um die F&E-Förderung gezielter zu gestalten.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1) Wie hoch waren die geltend gemachten Forschungsprämien insgesamt in den Jahren 2019 - 2024? Bitte um tabellarische Auflistung sortiert nach Bundesländern und Unternehmensgröße (Klein-, Mittel- und Großbetriebe sowie Einzelunternehmer:innen).
2) Wie viele Klein-, Mittel- und Großbetriebe nahmen in den Jahren 2022, 2023 und 2024 die Forschungsprämie in Anspruch? Bitte um tabellarische Auflistung sortiert nach Bundesländern.
3) Sofern die Art der prämienbegünstigten Ausgaben erfasst wird, bitte um tabellarische Auflistung nach Kostenart für die Jahre 2019 – 2024. Nach Möglichkeit sollten zumindest die folgenden Kostenarten berücksichtigt werden:
a. Löhne und Gehälter sowie Vergütungen
b. Investitionen in Grundstücke und Gebäude
c. Investitionen in technische Ausstattung
d. Restliche Investitionen
e. Unmittelbare Aufwendungen für Forschung und Entwicklung
f. Gemeinkosten
g. Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Werbung
4) Wie hoch war der Frauenanteil bei den Dienstverhältnissen, welche als Teil der prämienbegünstigten Ausgaben geltend gemacht wurden? Bitte um Angabe des Anteils weiblicher Personen jeweils an der Zahl der Dienstverhältnisse und an der Lohn- und Gehaltssumme für die Jahre 2019 – 2024.
5) In welchen Branchen waren die Unternehmen tätig, die in den Jahren 2019 – 2024 eine Forschungsprämie in Anspruch genommen haben? Bitte um tabellarische Auflistung sortiert nach Klein-, Mittel- und Großbetrieben.
6) Laut oben zitierter Presseaussendung des BMWET ist Österreich „in der Mid-Tech-Falle gefangen“. Liegen dem BMF Analysen oder Untersuchungen darüber vor, für welche Technologie-Niveaus die Forschungsprämie ausgezahlt wird (Low-, Mid-, Hightech)?
a. Wenn ja, zu welchen Ergebnissen kam(en) die Analyse(n)?
b. Wenn nein, warum nicht?
7) Werden vom BMF bzw. den zuständigen Dienststellen Prüfungen im Vorfeld oder Nachgang der Prämiengewährung durchgeführt?
a. Wenn ja, nach welchem System werden Prüffälle ausgewählt?
b. Wenn ja, wie läuft eine Prüfung im Regelfall ab?
c. Wenn ja, wie viele Prüfungen wurden jeweils in den Jahren 2019 – 2024 durchgeführt?
d. Wenn nein, warum nicht?
8) Wurden seit der letzten Evaluierung der Forschungsprämie im Jahr 2017 weitere Analysen oder Untersuchungen vom BMF angestellt, um die Wirkung der Forschungsprämie zu analysieren?
a. Wenn ja, welche Aspekte wurden untersucht und zu welchen Ergebnissen kam(en) die Analyse(n)?
b. Wenn nein, warum nicht?
9) Welche Daten liegen dem BMF zur Wirkung der Forschungsprämie auf die Additionalität der Förderung vor, also dazu, ob die Forschungsprojekte ohne steuerliche Förderung nicht durchgeführt worden wären?
10) An welchen internationalen Richtlinien oder Empfehlungen orientieren sich die in der Forschungsprämienverordnung gelisteten prämienbegünstigten Ausgaben?
11) Gibt es andere Länder, welche ein der Forschungsprämie ähnliches Förderinstrument besitzen?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn ja, welche Anforderungen muss ein Unternehmen im jeweiligen Land erfüllen, um die Förderung zu erhalten?
c. Wenn ja, werden diese Förderungen als Unternehmens- oder als staatliche Ausgaben erfasst?
12) Welche BMF-internen Entscheidungsprozesse haben dazu geführt, dass die im Rahmen der Forschungsprämie erlassenen Abgaben für die Zwecke der Forschungsquotenberechnungen als F&E-Ausgaben des Unternehmenssektors oder des staatlichen Sektors gezählt werden?
13) Sind dem BMF konkrete Maßnahmen oder Überlegungen auf EU-Ebene bekannt, welche dazu beitragen sollen, die Forschungsausgaben der EU-Mitgliedsstaaten zu erhöhen?
[1] https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2025/04/20250422Globalschaetzung2024.pdf
[2] ibid.
[3] https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20008172
[4] https://www.oecd.org/de/publications/frascati-handbuch-2015_9789264291638-de.html
[5] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/1170/imfname_1632179.pdf
[6] https://www.bmf.gv.at/dam/jcr:b4f7477e-f6ff-420e-af89-7f0cde971a1e/BMF_Evaluierung_der_Forschungspraemie_Endbericht.pdf
[7] https://www.derstandard.at/story/2000041117246/oekonomen-kritisieren-hast-bei-pruefung-der-forschungspraemie