2448/J XXVIII. GP
Eingelangt am 21.05.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Polizei verstellt Zugang zu Gedenktafel beim Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Wiener Ballhausplatz
Das sogenannte Deserteursdenkmal ist der zentrale Erinnerungs- und Gedenkort der Republik für die Verfolgten der NS-Militärjustiz, welches 2014 am Wiener Ballhausplatz unweit des Bundeskanzleramts und der Präsidentschaftskanzlei feierlich eingeweiht wurde. Das Denkmal wird aufgrund seiner zentralen Lage von Passant:innen, Schulklassen, eigenen Stadtführungen häufig frequentiert und aufgesucht, dementsprechend ist der Zugang zu Informationen zum Denkmal vor Ort in Form der Gedenktafeln von besonderer Wichtigkeit.
Bei den Deserteuren handelt es sich um eine Opfergruppe des NS-Regimes, die viel zu lange verleugnet oder verleumdet wurde. Die juristische Aufhebung der NS-Unrechtsurteile und die gesellschaftliche Rehabilitierung all jener Personen, die aus welchen Gründen auch immer den Dienst für die Wehrmacht verweigerten, wurde erst im Jahr 2009 durch das Aufhebungs- und Rehabilitationsgesetz vom Parlament beschlossen. Hauptmotor der jahrelangen Debatte war das "Personenkomitee 'Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz'" und dessen Ehrenobmann Richard Wadani (1922-2020), der selbst Deserteur der Wehrmacht war. Während Wadani seine späte Rehabilitierung noch miterleben konnte, kam der Parlamentsbeschluss für die meisten Deserteure der Wehrmacht zu spät.
Umso wichtiger ist es, dass ihnen mit einem so zentral gelegenen Denkmal eine späte Würdigung an einem zentralen Platz der Republik zu Teil wurde. Das Denkmal erinnert an alle, die sich dem Dienst in der Wehrmacht und damit an der Teilnahme am NS-Vernichtungskrieg verweigerten und dies mit ihrer Freiheit oder mit ihrem Leben bezahlten. Es ist ein Ort, an dem viele Angehörige ihren zu Unrecht verurteilten Verwandten gedenken. Und es ist ein Gedenkort, der vor allem mit Hilfe der Erinnerungs- und Gedenktafel informiert und zum Nachdenken anregt.
Seit mindestens 1. Mai 2025 ist der Zugang zur Erinnerungs- und Gedenktafel beim Deserteursdenkmal am Wiener Ballhausplatz durch das Abstellen von Polizeigittern auf der Denkmalfläche versperrt. Die beigelegten fotografischen Aufnahmen wurden am 19. Mai von einem Mitarbeiter des Grünen Parlamentsklubs erstellt. Das bedeutet, dass über zwei Wochen der Zugang zur Erinnerungs- und Gedenktafel beim Deserteursdenkmal für Besucher:innen und Passant:innen nicht möglich ist – und das während der zentralen Gedenktage wie dem 5. Mai, dem Jahrestag der Befreiung des KZ-Mauthausen, und dem 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom NS-Regime, wo am Wiener Heldenplatz, also unweit des Denkmals, große Gedenkveranstaltungen wie das „Fest der Freude“ des Mauthausenkomitees, des Bundeskanzleramts und der Israelitischen Kultusgemeinde stattgefunden haben.
Das Deserteursdenkmal sowie die gesamte dazugehörige Denkmalsfläche sind kein Abstellplatz für polizeiliche Absperrgitter! Die Würde des Denkmals im Andenken an Zehnttausende zu Unrecht verurteilte Wehrmachtsdeserteure die über Jahrzehnte diskriminiert wurden, ist auch und gerade durch die Vertreter:innen der Polizei zu respektieren.






Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Halten Sie eine Denkmalfläche zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus oder der NS-Militärjustiz für einen geeigneten Ort, um dort Gerätschaften der Polizei abzustellen oder zu lagern?
2) Wer war bzw. ist für die Entscheidung, die Denkmalfläche des Deserteursdenkmals als Abstellplatz für polizeiliche Gerätschaften wie Polizeigitter zu benützen, verantwortlich?
3) Wer erteilte die Genehmigung für das Abstellen der Polizeigitter auf der Denkmalsfläche? Auf welcher rechtlichen Basis geschah dies?
4) Welche Stellen des Bundes und des Landes, welche Abteilungen der Sicherheitsbehörden und welche sonstigen Stellen oder Einrichtungen waren darin eingebunden? Bitte diese listenmäßig aufzuzählen.
5) Seit wann und wie lange wurde die Denkmalfläche als Abstellplatz für Polizeigitter verwendet? Bitte um Angabe des genauen Zeitraums.
6) Wurde die Denkmalfläche des Öfteren als Abstellplatz für Polizeigitter oder andere Gerätschaften der Polizei verwendet? Wenn ja, wann, wie lange und welche Gerätschaften?
7) Die Benützung eines öffentlichen Denkmals als Abstellplatz für polizeiliche Gerätschaften wie Polizeigitter, die den Zugang zur Gedenk- und Erinnerungstafel versperren, ist möglicherweise geeignet, in der Öffentlichkeit den Eindruck einer Geringschätzung des Denkmalinhalts und der durch das Denkmal geehrten Personengruppe hervorzurufen. Welche Schritte werden Sie setzen, um dies für die Zukunft zu verhindern?
8) Werden sie dafür Sorge tragen, dass Einsatzkräfte der Polizei in Zukunft Gerätschaften wie Absperrgitter auf der Denkmalfläche des Deserteursdenkmals nicht mehr abstellen oder lagern?
9) Werden sie dafür Sorge tragen, dass Einsatzkräfte der Polizei in Zukunft Einsatzfahrzeuge nicht mehr auf der Denkmalfläche des Deserteursdenkmals abstellen?
10) Die Beschäftigung mit der konkreten Geschichte der NS-Militärjustiz, gerade auch was die Grenzen von Befehl und Gehorsam innerhalb der österreichischen Sicherheitsbehörden betrifft, wäre zweifellos ein wichtiger Bestandteil von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Was wurde bisher in diesem Zusammenhang konkret von Ihrer Seite unternommen? Bitte um Auflistung der Fortbildungen im Zusammenhang mit der Geschichte der NS-Militärjustiz.
11) Verschiedene Einrichtungen und Organisationen bieten Stadtspaziergänge und Workshops zum Themenbereich der Verfolgung durch die NS-Militärjustiz an. Wie viele Stadtspaziergänge und Workshops wurden von dem BMI unterstellten Stellen, Abteilungen, Einrichtungen oder Einheiten seit der Errichtung des Denkmals im Jahr 2014 bereits besucht?
12) Im Zuge der Ausschreibung der künstlerischen Gestaltung des Denkmals durch die Stadt Wien/KÖR stand die gesamte Fläche der Volksgarten-Ecke am Ballhausplatz zur Verfügung (exklusive des Gehwegs und einem Streifen entlang des Zauns). Auch nach Errichtung des Denkmals wurde mehrfach unterstrichen, dass auch die das Denkmal umgebende Fläche zum Denkmal zählt und für beides – Denkmal wie Denkmalsfläche – die gleichen Regeln gelten. Sehen sich das Bundesministerium für Inneres und die ihm unterstehenden Abteilungen und Organe der Sicherheitsbehörden an diese inhaltliche Widmung und vertragliche Vereinbarung gebunden? Wenn ja: Wie wird die Würdigung durch die Sicherheitsbehörden sichergestellt? Wenn nein: Welchen Charakter messen die Sicherheitsbehörden der Denkmalsfläche zu?