2498/J XXVIII. GP

Eingelangt am 27.05.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alma Zadic, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend heimgeschickte Richteramtsanwärter:innen

BEGRÜNDUNG

 

Die Justiz steht wie der gesamte öffentliche Dienst vor großen demographischen Herausforderungen. Nach einer massiven Überalterung im Bundesdienst sinkt seit ca. 8 Jahren das Durchschnittsalter geringfügig und beträgt aktuell 44,3 Jahre. Aufgrund der demografischen Zusammensetzung des Bundesdienstes werden in den kommenden 13 Jahren rd. 42 % des Personals in Pension gehen (Stand 31.12.2024).[1]

Die Vereinigung österreichischer Richterinnen und Richter wie auch die GÖD weisen diesbezüglich auf die Notwendigkeit ausreichender Ausbildungskapazitäten hin: „Auch die Altersstruktur erfordert zusätzliches richterliches (wie auch sonstiges) Personal für die Justiz. Es ist unerlässlich, gerade jetzt und in den kommenden Jahren die Planstellen für Auszubildende (Richteramtsanwärter:innen) deutlich zu erhöhen. Nur so kann der notwendige Wissenstransfer gesichert und gewährleistet werden, dass die Pensionsabgänge der nächsten Jahre nachbesetzt werden können und es zu keinen Verfahrensverzögerungen kommt.“[2]

Seit einigen Jahren gibt es deshalb vermehrt Bestrebungen, den öffentlichen Dienst generell wie auch die Justiz als attraktiven Arbeitgeber im Wettbewerb um die besten Köpfe zu bewerben.

Umso unverständlicher wirken daher die medialen Berichte über die Vorgänge am 29. April 2025 am Oberlandesgericht Wien, wo interessierte Berufeinsteiger:innen, die nach mündlichen Zusagen bereits ihre bisherigen Jobs aufgegeben hatten, überfallsartig abgewiesen wurden. DER STANDARD berichtete:

Enttäuschte Nachwuchskräfte durch Sparzwang in der Justiz

Utl.: Statt ihrer Angelobung erwartete in der Vorwoche über ein Dutzend angehende Richter und Richterinnen ein Schock: Ihr Traumjob ist aus Geldmangel gestrichen

Wien – Für 17 künftige Richter und Staatsanwältinnen hätte auch der 2. Mai ein Feiertag werden sollen: Nach dem Tag der Arbeit waren die Übernahmekandidatinnen und -kandidaten für ihre Angelobung als Richteramtsanwärterinnen zum Oberlandesgericht (OLG) Wien in den ehrwürdigen Justizpalast am Schmerlingplatz geladen.

Wenige Tage vor ihrem großen Tag erhielten die 17, darunter auch Quereinsteiger, die ihre Jobs in Rechtsanwaltskanzleien gekündigt hatten, um in den Staatsdienst zu wechseln, dann allerdings eine neue Nachricht der Justizverwaltung. Sie sollten bereits am 29. April kommen. Was sie hörten, war nicht das, was sie erwartet hatten: Dem Nachwuchs wurde erklärt, dass "aus budgetären Gründen" leider nur vier der 17 Bewerberinnen und Bewerber tatsächlich übernommen würden – der Rest habe quasi Pech gehabt.

Für die Ausgeschiedenen ein Schock – Zeugen berichten von Tränen und Fassungslosigkeit bei der Verkündung, im Nachgang wandten sich Betroffene an ihre Ausbildungsrichterinnen, die Standesvertretung, die Gewerkschaft und auch die Medien, um den Vorgang anzuprangern. Auch wenn es kein "Recht auf eine Übernahme" in den Staatsdienst gibt, entspricht es definitiv nicht den Usancen, beim Justizministerium (BMJ) bereits vorgeschlagene Übernahmekandidaten erst vier Tage vor ihrer Angelobung darüber zu informieren, dass sie sich mit Ende Mai neue Jobs suchen müssen.

Verstärkte Werbemaßnahmen

Noch dazu, da auch Gerichte und Anklagebehörden händeringend nach Fachkräften suchen. Selbst beim Surf-Opening in Podersdorf war die Justiz im vergangenen Jahr mit einem Werbestand vertreten, für Quereinsteiger aus der Privatwirtschaft wurden verkürzte Ausbildungsmöglichkeiten eingeführt.

Auf STANDARD-Anfrage an die "Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit", vulgo Pressestelle, des BMJ berichtet eine Referentin, dass vorerst nur der Oberlandesgerichtssprengel Wien, also die Justizbehörden in der Bundeshauptstadt, Niederösterreich und dem Burgenland, von einer solchen Maßnahme zur Budgetkonsoldierung betroffen sei, da es auch nur vier offene Planstellen gäbe.

Man bedauere den Vorgang zwar, stelle aber klar, dass es keine fixen Jobzusagen gegeben habe. Darüber hinaus seien mit Stand 1. April 99,8 Prozent der Planstellen im richterlichen und staatsanwaltlichen Bereich besetzt, wird betont. Interessanterweise wurden jedoch beispielsweise der Staatsanwaltschaft Wien, der größten der Republik, noch vor einigen Wochen zwei bis drei Richteramtsanwärter aus dem nun drastisch reduzierten Pool versprochen.

Justizinterner Unmut

Dementsprechend groß ist justizintern der Unmut über die überfallsartige Maßnahme. Der gewerkschaftliche Betriebsausschuss der Staatsanwaltschaft Wien kritisiert in einem dem STANDARD vorliegenden Schreiben, "dass damit die intensiven Bemühungen der letzten Zeit um Rekrutierung engagierten richter-/staatsanwaltschaftlichen Nachwuchses deutlich gelitten haben" und es schwierig werde, die damit bei vielen verlorene Vertrauensbasis wieder aufzubauen.

Die Unruhe scheint groß zu sein. Mittwochvormittag versandte eine Gewerkschaftsvertreterin die kurzfristige Einladung an alle interessierten Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richteramtsanwärterinnen und -anwärter im OLG- beziehungsweise Oberstaatsanwaltschaftssprengel Wien, am Nachmittag an einer Zoom-Konferenz mit Katharina Lehmayer, der Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien, teilzunehmen.

Budget in den Sternen

Dort können Fragen zur Causa gestellt werden, allzu konkrete Auskünfte dürfen sich die Teilnehmenden aber nicht erwarten. Denn im Schreiben findet sich der Hinweis, dass bei dem Zoom-Treffen "Informationen, wie das Justizbudget und die Planstellensituation in den nächsten Jahren aussehen wird, nicht erteilt werden können (weil bis dato nicht bekannt)".

Im Justizressort bleibt man in der Frage ebenso vage. "Das Recruiting wird im notwendigen Ausmaß wie bisher fortgesetzt", findet sich in der Antwort der Pressestelle. Jene Hoffnungsvollen, die ihre Posten in der Privatwirtschaft gekündigt haben, um in der Justiz Karriere zu machen, bekommen jedenfalls keine Entschädigungszahlungen oder Überbrückungshilfen.“[3]

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wurde Ihnen in der oben geschilderten Causa vom OLG Wien ein Besetzungsvorschlag vorgelegt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, mit wie vielen Bewerber:innen?

c.    Wenn ja, für wie viele Planstellen?

2)    Haben Sie bzw. die zuständige Fachabteilung im Ministerium die Entscheidung getroffen, lediglich vier Übernahmswerber:innen in den richterlichen Vorbereitungsdienst übernehmen zu wollen?

3)    War Ihnen bekannt, dass mehrere der Interessent:innen bereits Ihre bisherigen Jobs für den Zweck der Übernahme gekündigt hatten?

4)    Haben Sie mit abgelehnten Kandidat:innen vom 29. April das Gespräch gesucht?

5)    Ist Ihnen bekannt, ob der Staatsanwaltschaft Wien vorab Richteramtsanwärter:innen von den 17 Kandidat:innen als Unterstützung versprochen worden waren?

a.    Wenn ja, fällt diese Unterstützung nunmehr weg?

6)    Wie viele Personen befinden sich zum Stand der Anfrage im richterlichen Vorbereitungsdienst (bitte um Aufschlüsselung nach Sprengel)?

7)    Wie viele Personen sind derzeit Übernahmswerber:innen (bitte um Aufschlüsselung nach Sprengel)?

8)    Wie viele von diesen Übernahmswerber:innen (bitte um Aufschlüsselung nach Sprengel) sind derzeit Quereinsteiger:innen?

9)     Wie viele Planstellen stehen für RiAAs 2025 zur Verfügung?

a.    Werden diese Planstellen in diesem Jahr besetzt werden können?

10)  Wie viele von diesen Übernahmswerber:innen und Quereinsteiger:innen können bei erfolgreicher Auswahl in den richterlichen Vorbereitungsdienst aufgenommen werden?

11)  Wie viele Richter:innen und Staatsanwält:innen treten bis 2030 in den Ruhestand (Bitte um Aufschlüsselung nach OLG-Sprengel und Jahr)?

12)  Wie viele Richteramtsanwärter:innen bzw. Quereinsteiger:innen sollen nach derzeitigen Planungen bis 2030 die Richteramtsprüfung bzw. die Richteramtsprüfung als Ergänzungsprüfung ablegen (bitte um Aufschlüsselung nach OLG-Sprengel und Jahr)?

13)  Sind für die in Frage 12 genannten Richteramtsanwärter:innen die entsprechenden Planstellen vorgesehen?

14)  Mit wie vielen sonstigen Abgängen (Auflösungen des Dienstverhältnisses, Karenzierung, längerfristige Krankenstände etc.) pro Jahr bis 2030 wird in der internen Personalplanung auf Grund der Erfahrungswerte der letzten Jahrzehnte nach derzeitigem Stand kalkuliert (bitte um Aufschlüsselung nach OLG-Sprengel und Jahr)?

15)  Wie groß beziffern Sie den Reputationsschaden für die Justiz als Arbeitgeberin durch die medial bekanntgewordenen, in der Einleitung angeführten Vorgänge am 29. April?

16)  Welche Maßnahmen setzen Sie, um den Schaden durch die medial bekanntgewordenen Vorgänge vom 29. April wieder auszugleichen?

17)  Wie stellen Sie künftig sicher, dass sich sogenannte Quereinsteiger:innen für die Übernahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst bewerben wollen?

18) Inwiefern planen Sie, künftig bei Surf-Events wieder Quereinsteiger:innen aus der Privatwirtschaft für die Justiz zu gewinnen?

19)  Haben eine oder mehrere der 13 abgewiesenen Interessent:innen Amtshaftungsansprüche geltend gemacht?

20)  Haben in der Vergangenheit Interessent:innen für den richterlichen Vorbereitungsdienst Amtshaftungsansprüche wegen nicht eingehaltener Zusagen für eine Übernahme geltend gemacht?

a.    Wenn ja, wie viele Interessent:innen?

b.    Wenn ja, in welcher Höhe?

c.    Wenn ja, in welcher Höhe wurden Ersatzansprüche zuerkannt?



[1] Budgetunterlagen 2025

[2] RiV/GÖD: Forderungen der Richter:innen an die künftige Bundesregierung,

[3] https://www.derstandard.at/story/3000000268698/enttaeuschte-nachwuchskraefte-durch-sparzwang-in-der-justiz