2499/J XXVIII. GP
Eingelangt am 28.05.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Nina Tomaselli, Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur
betreffend Umsetzbarkeit, Finanzierbarkeit und Alternativenprüfung der S 18 Bodensee Schnellstraße
Über die Verbindung zwischen der österreichischen und der schweizerischen Autobahn – A 14 (A) bzw. A13 (CH) – im Rheintal wird seit beinahe 50 Jahren diskutiert. Enorme Kosten, ein hohes Genehmigungsrisiko, aber auch Widerstand aus der Bevölkerung aufgrund ökologischer Bedenken waren ständige Begleitmusik der S 18-Debatte. Währenddessen ersticken die Rheintalgemeinden, allen voran Lustenau, in immer mehr Verkehr.
Nach einem Nationalratsbeschluss 2017 ist die S 18 als Netzelement zwischen dem Knoten bei Dornbirn (A 14) und der Staatsgrenze bei Höchst im Bundesstraßengesetz verankert. Auf einer Länge von 8,5 Kilometern führt die Trasse (CP-Variante), die aktuell als Vorprojekt von der Asfinag geprüft wird, nicht nur am östlichen Siedlungsrand von Lustenau entlang, sondern auch im Nahbereich von Schutzgebieten. Aufgrund von ökologischen Untersuchungen wird von einer „erheblichen“ Beeinträchtigung des betroffenen Europaschutzgebietes Soren, Gleggen-Köblern, Schweizer Ried und Birken-Schwarzes Zeug sowie des Artenschutzes ausgegangen – trotz Untertunnelung. Für die Trassenlage Z – eine kürzere Verbindung der beiden Autobahnen – wurde die Erheblichkeit höher beurteilt, weswegen diese von der Asfinag nicht weiterverfolgt wurde.
Die Lustenauer Bevölkerung hat sich Ende 2023 mit 77,4 Prozent klar gegen die CP-Variante ausgesprochen. Das Votum wird von Landeshauptmann Markus Wallner gerne mit Verweis auf eine irreführende Fragestellung negiert[1], der neu gewählte Lustenauer Bürgermeister, Patrick Wiedl von der ÖVP, sieht sich daran gebunden.
Bundesministerin a.D. Leonore Gewessler ließ zuletzt auf Basis eines von ÖVP, Grünen, SPÖ und Neos breit unterstützten Entschließungsantrags[2] nicht nur die S18 grundsätzlich prüfen, sondern auch explizit eine mögliche Verbindung auf der Höhe Hohenems-Diepoldsau-Widnau/Balgach. Landeshauptmann Wallner ließ diesbe-züglich verlautbaren, dass diese Variante nicht weiterverfolgt werde. Die Asfinag habe ihm mitgeteilt, sie sei nicht umsetzbar[3].
Das ist bemerkenswert, denn im Evaluierungsbericht ist davon keine Rede. In einer Anfragebeantwortung von Mitte April 2025 gibt der zuständige Vorarlberger Landesrat, Christof Bitschi (FPÖ) an, dem Land würden keine Studien, Gutachten oder Unterlagen vorliegen, die über den Evaluierungsbericht hinausgehen[4].
In diesem Bericht wird von den Expert:innen angemerkt, dass für die Alternativvarianten „wenig detaillierte Grundlagen für eine detaillierte Beurteilung vorliegen und im Rahmen des S 18-Evaluierungsprozesses nicht in aller Tiefe untersucht werden konnten. Deshalb bleiben in jedem Fall Fragen offen, die in vertiefenden Untersuchungen geklärt werden müssen.“ Grundsätzlich beanspruche die von Gewessler ins Spiel gebrachte Alternative (3.1) nur ein Achtel der landwirtschaftlichen Flächen, die Errichtungskosten würden bei etwa 30 Prozent und die Betriebskosten bei etwa 20 Prozent der CP-Variante liegen. Die THG-Emissionen seien im Lebenszyklus außerdem deutlich geringer. Allerdings befänden sich auch hier Schutzgüter in unmittelbarer Nähe und eine raschere Errichtung wäre wohl nicht möglich[5].
Die Kosten für die CP-Variante könnten sich auf zwei Milliarden Euro belaufen. Ein zentraler Kostentreiber ist der schwer zu bebauende Untergrund, was auch im Evaluierungsbericht angemerkt wird. Entlang des Rheins ist es lehmiger Feinsand, in der Gemeindemitte Lehm und an den östlichen Gemeindegrenzen Torf. Historisch war das zu bebauende Gebiet vereinfacht gesagt eine Sumpflandschaft, sie ist gekennzeichnet durch ständigen Wasserüberschuss aus Niederschlägen oder durch austretendes Bodenwasser und einem meist hohen Grundwasserstand[6]. Zuletzt wurde von Kostenschätzungen Abstand genommen und auf die laufende Erstellung des Vorprojekts verwiesen, das dann auch eine neue Schätzung enthalten solle. Wenn das Vorprojekt vorliege, könne man die nächsten Schritte gehen, wird der Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur bei seinem Antrittsbesuch in Vorarlberg zitiert: Es gehe ihm bei der S18 in erster Linie um die Menschen, aber auch um die Frage, wo die Landespolitik hin möchte und die Frage der Machbarkeit und der Finanzierung. „Wir werden den Weg jedenfalls nicht verlassen“[7].
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1) Im Evaluierungsbericht zur S 18 wird angemerkt, dass es für eine detaillierte Beurteilung der Alternativvarianten vertiefende Untersuchungen brauchen würde („… bleiben in jedem Fall Fragen offen, die in vertiefenden Untersuchungen geklärt werden müssen.“) Sind ihnen solche über den Evaluierungsbericht hinausgehenden Untersuchungen bekannt?
i. Wenn ja, weshalb wurden diese weder dem Land Vorarlberg noch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt bzw. wann werden diese veröffentlicht?
2) Bei Ihrem Besuch in Vorarlberg haben Sie angemerkt, es gehe neben der Machbarkeit auch um die Finanzierung. Wie sieht ein möglichst realistischer Zeitplan bis zur Inbetriebnahme derzeit aus?
3) Was ist die aktuellste Kostenschätzung, die Ihnen zur CP-Variante vorliegt?
4) Bislang ist von Kosten in der Höhe von zwei Milliarden Euro die Rede gewesen. Angesichts der aktuellen Budgetlage und des Sparpakets: Wäre diese Straße in absehbarer Zukunft finanzierbar?
5) Wie sehen die Sparvorgaben für die Asfinag derzeit aus und welche Konsequenzen haben diese für den Straßenausbau im Allgemeinen? Inwiefern müssen oder sollten neue Projekte angesichts des Sparzwangs Sanierung und Erhaltung bestehender Infrastruktur weichen?
6) Im in Ihrem Haus erstellten Evaluierungsbericht wurden auch kurzfristige Maßnahmen erarbeitet, die die betroffenen Gemeinden vom Verkehr entlasten sollen. Diese liegen großteils im Zuständigkeitsbereich des Land Vorarlberg. Ist Ihnen bekannt welche dieser kurzfristigen Maßnahmen bereits in Umsetzung bzw. in Planung sind?
i. Wird die Umsetzung von Seiten des BMIMI verfolgt bzw. evaluiert? Falls nein, warum nicht?
ii. Kann sich das BMIMI eine finanzielle Beteiligung bei einzelnen im Evaluierungsbericht genannten kurzfristigen Maßnahmen, die im Zuständigkeitsbereich des Land Vorarlberg liegen, vorstellen, um die Bevölkerung rasch zu entlasten? Wenn ja, welche?
iii. Wäre es vorstellbar, die Variante 1, Anschluss im Bereich Brugger Horn / Brugger Loch, vorzuziehen um rasche Entlastung zu gewähren?
7) Wäre für Sie vorstellbar den Fokus auf kleinere, günstigere und kurzfristig wirkende Maßnahmen und niederrangige Straßen statt auf die risikobehaftete und teure S18 zu lenken? Wenn nein, warum nicht?
8) Vor dem Hintergrund, dass im Evaluierungsbericht für alle Trassen-Varianten von einem hohen Genehmigungsrisiko ausgegangen wird und vor dem Hintergrund des BVwG-Entscheids gegen den Bau der S 8 mit just einer Begründung in diese Richtung: Wäre die Umsetzung von Sofortmaßnahmen nicht dringend notwendig und auch im Sinne des BMIMI?
9) Die Lustenauer Bevölkerung hat in einer Volksbefragung die CP-Variante klar abgelehnt. Wie fließt dieser Volksentscheid in die Beurteilung der Trassenführung mit ein?
10) Wie soll die Bevölkerung der betroffenen Gemeinden auf beiden Seiten der Grenze in Zukunft einbezogen werden? Welche Möglichkeiten sind im Detail angedacht?
11) Wie sieht die Abstimmung und Kommunikation mit den Verantwortlichen in der Schweiz derzeit aus? Gab es bereits Kontakt und Gespräche? Sind solche geplant? Wenn ja, wann?
[1] https://vorarlberg.orf.at/stories/3233152/
[2] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/UEA/599 vom 19.07.2021
[3] https://www.vol.at/deswegen-ist-die-gewessler-entlastungsvariante-gestorben/9367064
[4] https://vorarlberg.at/web/landtag/lis
[5] https://www.bmimi.gv.at/themen/verkehr/strasse/infrastruktur/projekte/schnellstrassen/s18.html
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Ried_(Vorarlberg)
[7] https://vorarlberg.orf.at/stories/3303022/