2501/J XXVIII. GP

Eingelangt am 03.06.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Bayr, MA MLS, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend: Investitionsgeschäft der russischen RBI-Tochter Raiffeisen Capital

Mehr als drei Jahre nach Beginn des illegalen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine bildet das umsatzstarke Geschäft der Raiffeisen Bank International (kurz: RBI) weiterhin das umfangreichste westliche Bankengeschäft in Russland.

Während die Europäische Union weitere Sanktionsmaßnahmen einführt, um dem Kreml die Mittel für den Angriffskrieg zu unterbinden, leistet die RBI in Russland jährlich noch immer mehrere hundert Millionen Euro Steuerzahlungen an die russische Staatskasse.

Trotz der wiederholten Beteuerungen des Bankenvorstandes, die RBI arbeite an einem vollständigen Ausstieg aus ihrem Russland-Geschäft, hat sich bislang noch immer kein klarer Ausstiegsplan kristallisiert. Anstelle eines klaren Ausstiegsplans setzt der Vorstand der RBI derzeit laut eigenen Aussagen auf einen beschleunigten Abbau der Kreditportfolios in Russland sowie auf “Überwachungs- und Kontrollsysteme [...] um sicherzustellen, dass alle Transaktionen und Geschäftstätigkeiten strikt den geltenden Sanktionsgesetzen entsprechen.”[1]

In den vergangenen Wochen stand die Raiffeisen Bank International mehrfach medial mit Berichten im Vordergrund, die eben diese Überwachungs- und Kontrollsysteme in Frage stellen.

Vor kurzem erschienen unter anderem Reportagen zum Finanzgeschäft der RBI, laut denen die Bank Milliarden Euro Bargeld in Fremdwährung nach Russland geliefert und Kundenbeziehungen mit Lieferanten der russischen Rüstungsindustrie unterhalten haben soll.[2] Neben diesen Reportagen fiel die RBI auch mit einem Bericht im Standard auf, laut dem nach Recherchen der Organisationen BankTrack und B4Ukraine eine Tochter der russischen Raiffeisenbank mit dem Namen Raiffeisen Capital russische Staatsanleihen erwarb, die nach Beginn des Ukraine-Krieges ausgestellt wurden.[3]

Laut Standard-Artikel hat der Asset-Manager Raiffeisen Capital Kundengelder im Wert von ca. 22 Millionen Euro in sog. “Ersatzanleihen” investiert, welche das russische Finanzministerium im Dezember 2024 ausstellte, um ältere, in Fremdwährung notierte Anleihen zu ersetzen. Hinzu kommen laut den Recherchen von BankTrack und B4Ukraine weitere Investitionen im Wert von rund 260 Millionen Euro in russische Staatsunternehmen wie Gazprom und Sberbank, welche aufgrund ihrer Verstrickung mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zum Ziel von US- bzw. EU-Sanktionen geworden sind.[4]

Neben erheblichen moralischen und politischen Fragen, die Raiffeisen Capitals Handel mit den Aktien und Anleihen aufwirft, werfen nach Einschätzung des Standard-Berichts insbesondere die Investitionen in die sog. Ersatzanleihen sanktionsrechtliche Fragen auf. Eine Passage aus der EU-Sanktionsverordnung 2022/262 verbietet den Handel mit Wertpapieren der russischen Regierung, die nach dem 9. März 2022 ausgestellt wurden.[5] Nach einer Passage der Verordnung 2024/1745 haben EU-Unternehmen seit dem 24. Juni 2024 die Pflicht, “nach besten Kräften” sicherzustellen, dass auch ihre Nicht-EU-Tochterunternehmen dieses Verbot einhalten.[6]

Ob die RBI nach besten Kräften versucht hat, sicherzustellen, dass die russische Raiffeisen Capital den Handel mit diesen Anleihen unterlässt, ist unklar. Auf Anfragen von Journalist:innen zu diesem Thema antwortete die RBI bislang eher allgemein und leistete keine konkreten Ausführungen zum umstrittenen Staatsanleihen-Erwerb. Die Konformität der RBI mit den EU-Sanktionen ist in diesem Fall bislang also noch nicht geklärt.

Die finanziellen und politischen Risiken, die sich aus den Tätigkeiten der russischen Tochtergesellschaft AO Raiffeisenbank ergeben, sind allgemein bekannt. Nun werfen die Aktivitäten des Raiffeisen-Netzwerkes zusätzliche Fragen darüber auf, ob das Geschäft über die bereits öffentlich bekannten Risiken hinaus zusätzliche EU- Sanktionsrisiken mit sich bringen könnte.

Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachfolgende

Anfrage

1.    War Ihnen oder Ihren Vorgängern vor Veröffentlichung im Standard bekannt, dass die Raiffeisen Capital-Gesellschaft Geld in russische Staatsanleihen, die nach dem 9. März 2022 begeben wurden, angelegt hat?

a.    Falls ja, zu welchem Zeitpunkt wurde der Sachverhalt erstmals bekannt?

2.    Liegen dem BMF, der OeNB und/oder der FMA, Informationen darüber vor, an welchen russischen Staatsanleihe-Emissionen seit dem 9. März 2022 die AO-Raiffeisenbank und/oder die Raiffeisen Capital als Zeichner und/oder als Investor teilgenommen haben?

a.   Falls ja, bitte um Aufführung der Anleihen nach ISIN sowie der Investitions- und/oder Garantwertmengen.

b.    Falls nein, erfasst ein anderes Staatsorgan diese Daten?

i.        Falls ja, welches?

ii.       Falls ja, haben Sie in diese Daten Einblick?

3.    Laut Standard-Artikel war der Erwerb der besagten sanktionsrechtlich fraglichen Ersatzanleihen freiwillig; die RBI dementierte dies in einer Aussage gegenüber den OÖ-Nachrichten und gab an, dass der Erwerb im Interesse der Raiffeisen Capital Anleger verpflichtend gewesen sei.[7]

a.    Liegt dem BMF, der OeNB und/oder der FMA, Informationen darüber vor, ob die Raiffeisen Capital-Gesellschaft die besagten russischen Staatsanleihen freiwillig erworben hat?

4.   Liegen dem BMF, der OeNB und/oder der FMA, Informationen darüber vor, welche Compliance-Richtlinien und Verfahren die RBI in Bezug auf ihre Investitions- und Bankaktivitäten unterhält, um anwendbare EU-, US- und UK- Sanktionen einzuhalten?

a.   Falls ja, liegen dem BMF, der OeNB und/oder der FMA, Informationen darüber vor, welche Maßnahmen die RBI getroffen hat, um sicherzustellen, dass ihre russischen Tochtergesellschaften diese Compliance-Maßnahmen einhalten?

b.    Falls nein, erfasst ein anderes Staatsorgan diese Daten?

i.        Falls ja, welches?

ii.       Falls ja, haben Sie in diese Daten Einblick?

 

5.   Hat das BMF, die OeNB und/oder die FMA eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob der Wertpapierhandel der Raiffeisen Capital- Gesellschaft gegen die Sanktionsverordnungen der Europäischen Kommission verstößt?

a.    Falls ja, wann wurde diese Untersuchung in Auftrag gegeben?

b.    Falls nein, warum nicht?

c.    Falls ja, wann rechnen Sie mit einem Ergebnis und wird dieses veröffentlicht?

d.    Falls nein, warum nicht?

6.   Die Website der Raiffeisen Capital-Gesellschaft, auf der bis März 2025 regelmäßig Übersichten der in den zehn von der Gesellschaft verwalteten Fonds enthaltenen Anlagen hochgeladen wurden, wurde nach Erscheinen des Standard-Artikels bearbeitet und die Fondsübersichten gelöscht. Hat das BMF, die OeNB und/oder die FMA eine Anfrage an die RBI gestellt, um die Begründung für das Löschen dieser Fonds-Übersichten zu ermitteln?

a.    Falls ja, wie lautete die Begründung?

b.    Falls nein, warum nicht?

c.    Liegen dem BMF, der OeNB und/oder der FMA aktuelle Informationen zu den Investitionsanlagen der Raiffeisen Capital-Gesellschaft vor?

7.   Gab es seit dem 9. März 2022 Gespräche seitens des BMFs, der OeNB oder der FMA mit Vertreter:innen der Europäischen Kommission (insbesondere der Generaldirektion FISMA) bezüglich möglichen sich aus dem Russland-Geschäft der RBI ergebenden Sanktionsrisiken?

a.    Falls ja, was waren die Ergebnisse dieser Gespräche?

b.    Falls nein, ist geplant solche noch zu führen und wenn ja, wann?

8.   Gab es in den letzten sechs Monaten direkte Gespräche seitens des BMF, der OeNB oder der FMA mit der RBI bezüglich möglichen sich aus dem Russland-Geschäft der RBI ergebenden Sanktionsrisiken?

a.    Falls ja, was waren die Ergebnisse dieser Gespräche?

b.    Falls nein, warum nicht?

c.     Falls nein, ist geplant solche Gespräche zu führen und wenn ja, wann?



[1] https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/putin-raiffeisenbank-kunden-helfen-den-ukraine-krieg-zu-finanzieren/100105303.html

[2] https://www.derstandard.at/story/3000000261063/raiffeisen-international-schaffte-kurz-vor-kriegsbeginn-milliarden-nach-russland

https://www.diepresse.com/19322886/russische-raiffeisenbank-kunden-sind-teil-von-putins-kriegsmaschinerie

[3] https://www.derstandard.at/story/3000000262092/die-russische-raiffeisen-tochter-hat-dem-putin-regime- geld-geborgt-darf-sie-das

[4] https://www.banktrack.org/news/raiffeisen_bank_international_subsidiary_still_invested_in_sanctioned_russian_entities_find_banktrack_and_b4ukraine#inform=1

[5] https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2022/262/oj/deu

[6] https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2024/1745/oj/deu

[7] https://www.nachrichten.at/wirtschaft/finanziert-rbi-russland;art15,4035762