2507/J XXVIII. GP

Eingelangt am 05.06.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Verwaltungskosten und deren Entwicklung in der ÖGK

BEGRÜNDUNG

 

Die österreichischen Sozialversicherungen stehen seit Jahren im politischen Fokus – insbesondere die 2018 initiierte Reform, die unter dem Schlagwort „Patientenmilliarde“ startete. Diese Reform ist heute jedoch vor allem als Beispiel gebrochener Versprechen und nicht erfüllter Ziele bekannt. Berichte des Rechnungshofs sowie Medienrecherchen belegen seit Jahren strukturelle Defizite, die nun durch einen aktuellen profil-Artikel vom 27.05.2025 erneut bestätigt werden.

Die 2019 vollzogene Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sollte durch Synergieeffekte und vereinfachte Verwaltungsstrukturen Einsparungen im dreistelligen Millionenbereich bringen. Tatsächlich zeigen die Zahlen jedoch das Gegenteil: Die Verwaltungskosten der ÖGK stiegen von 326 Mio. Euro (2020) auf 453 Mio. Euro (2024, prognostiziert) – ein Anstieg um 38 % binnen fünf Jahren. Parallel dazu verzeichnet die ÖGK ein Defizit von 900 Mio. Euro, das trotz Beitragserhöhungen nicht gedeckt werden kann.

Besonders kritisch ist die mangelnde Transparenz dieser Entwicklung. Weder in öffentlichen Stellungnahmen der ÖGK noch in deren Budgetprognosen wurde die Kostenexplosion offengelegt. Der profil-Artikel identifiziert zentrale systemische Schwachstellen:

              Fehlende Harmonisierung trotz Fusion (z. B. neun unterschiedliche Landesverträge mit Ärztekammern, parallele Abrechnungssysteme)

              Hohe Ausgaben für externe Dienstleistungen, insbesondere für IT-Projekte und Fusionsbegleitung

              Ineffizienzen durch manuelle Prozesse und veraltete Verwaltungs-strukturen

Vor diesem Hintergrund stellen sich dringende Fragen zur Wirksamkeit der staatlichen Aufsicht, zur Umsetzung der Rechnungshof-Empfehlungen und zur Verantwortung für die Fehlentwicklungen.

Bezugnehmend auf die gesetzliche Aufsichtspflicht des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über die Sozialversicherungsträger (§ 448 ASVG, Art. 120b B-VG) stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgende parlamentarische Anfrage zur Entwicklung der Verwaltungskosten der ÖGK im Zeitraum 2020–2024.

Die Anfrage dient der Klärung möglicher Mängel in der Verwaltungsführung der ÖGK und der Sicherstellung einer effizienten Verwendung von Beitragsmitteln. Die Diskrepanz zwischen den proklamierten Zielen der Kassenfusion und der realen Kostenentwicklung erfordert eine umfassende Aufarbeitung.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

I. Verwaltungskostenentwicklung ÖGK (2020–2024) 

1.    Wie haben sich die Verwaltungskosten der ÖGK von 2020 bis 2024 entwickelt? Bitte um detaillierte Aufschlüsselung nach Jahren. 

2.    Wie erklären Sie die Steigerung der Verwaltungskosten im genannten Zeitraum im Lichte der ursprünglichen Zielsetzung der Kassenfusion, Einsparungen zu erzielen? 

3.    Inwiefern wurden die gestiegenen Verwaltungskosten in den jährlichen Berichten und Pressemitteilungen der ÖGK transparent kommuniziert?

4.    Ab wann ist damit zu rechnen, dass sich die Kosten im Bereich Verwaltung so weit senken, dass mit einer realen Ersparnis zu rechnen ist?

 

II. Vergleich mit BVAEB und SVS 

5.    Wie haben sich die Verwaltungskosten im selben Zeitraum (2020–2024) bei der BVAEB und der SVS entwickelt? Bitte um jährliche Aufschlüsselung, Angabe des Anteils am Gesamtbudget im jeweiligen Jahr und dazu gestellt der Vergleich mit der ÖGK. 

6.    Welche strukturellen oder organisatorischen Unterschiede erklären die Verwaltungskostenunterschiede zwischen ÖGK, BVAEB und SVS? 

7.    Wie hoch sind die Aufwände der BVAEB und SVS zur Abwicklung der Selbstbehalte der Versicherten? Welchen Anteil an den Verwaltungskosten der BVAEB und SVS haben diese?

 

III. Ursachen und Zusammensetzung der Kostensteigerungen 

8.    Welche Hauptfaktoren haben zur Steigerung der Verwaltungskosten in der ÖGK von 2020 bis 2024 beigetragen (z.B. externe Beratungsleistungen, IT-Kosten, Personalkosten, Energiepreise, Fusionskosten)? 

9.    Wie hoch waren die jährlichen Ausgaben der ÖGK für externe Dienstleistungen (z.B. Beraterverträge, IT-Projekte) im Zeitraum 2020 bis 2024? 

10. Wie hoch waren die Kosten für externe Beratungsleistungen im Zusammenhang mit der Kassenfusion und der laufenden Verwaltung? 

11. Gibt es eine detaillierte Aufschlüsselung der Verwaltungskosten nach Kostenarten (z.B. Personal, IT, externe Dienstleistungen, Sachaufwand) für die Jahre 2020 bis 2024? 

12. Gibt es in der Kostenstruktur der ÖGK bei den Verwaltungskosten abseits der Gehaltskosten langfristige Verbindlichkeiten?

13. Mit welchen Unternehmen gibt es Beratungsverträge? Bis wann sind diese Beratungsverträge vereinbart und gültig?

14. Wie hoch sind die bisher für diese Beratungsverträge geflossenen Beträge an diese Unternehmen seit Beschluss der Kassenfusion im Jahr 2018?

15. Mit welchen Summen muss auf Grund dieser Beraterverträge in den kommenden Jahren noch gerechnet werden? Bitte um Aufgliederung nach Unternehmen und Summe samt Laufzeit.

16. Sind die in den Verträgen definierten Leistungen auch durch die ÖGK selbst erbringbar, oder muss dieses Know-How jedenfalls von externen Anbietern zugekauft werden?

17. Gibt es bei länger laufenden Beratungsverträgen auch die Option vorzeitig auszusteigen? Wenn ja, bei welchen Verträgen und bis wann könnte hier ausgestiegen werden? Welche Ersparnis würde ein vorzeitiger Ausstieg für die Verwaltungskosten bringen?

18. Sind in den Verwaltungskosten auch Ausgaben für den Fuhrpark der ÖGK enthalten?

19. Welche Kosten entstehen der ÖGK pro Jahr für den eigenen Fuhrpark? Bitte um Aufstellung der jährlichen Kosten für Anschaffung, Instandhaltung, laufende Kosten, etc. in den Jahren 2020 bis heute.

20. Welche Ausgaben sind seitens der ÖGK für den Fuhrpark für die kommenden 5 Jahre geplant? Bitte um Aufschlüsselung pro Jahr und Zweck der geplanten Ausgaben.

 

IV. Kosten durch fehlende Vereinheitlichungen und strukturelle Ineffizienzen 

21. Welche Kosten entstehen jährlich durch die fortbestehende Parallelität von neun unterschiedlichen Landesverträgen mit den Ärztekammern und parallelen Abrechnungssystemen? 

22. Gibt es Berechnungen oder valide Schätzungen in Ihrem Haus zu den Mehrkosten, die durch die nicht erfolgte Vereinheitlichung der Verträge und Verwaltungsstrukturen seit der Fusion entstanden sind? 

23. Welche Maßnahmen wurden seitens des Ministeriums als Aufsichtsbehörde gesetzt, um eine Harmonisierung der Systeme und Verträge zu erreichen? Welche Hindernisse bestehen weiterhin?

24. Gibt es in ihrem Ministerium Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen, österreichweit gültigen Gesamtvertrags zwischen niedergelassenen Ärzt:innen und ÖGK, wie dies im Regierungsprogramm als Zielbestimmung verankert ist?

25. Sind Sie nötigenfalls im Fall einer allgemeinen Blockade durch einen der Vertragspartner auch zu gesetzlichen Änderungen bereit, um die oben erwähnte Zielbestimmung eines einheitlichen, gesamtösterreichischen Vertrags zwischen niedergelassenen Ärzt:innen und ÖGK zu verankern?

 

V. Aufsicht und Kontrolle 

26. Wie hat das Bundesministerium als zuständige Aufsichtsbehörde gemäß § 448 und § 449 ASVG sowie Art. 120b B-VG die Entwicklung der Verwaltungskosten in der ÖGK in den Jahren 2020 bis 2024 überwacht? 

27. Wie bewerten Sie die vom Rechnungshof in seinem Bericht zur Fusion der ÖGK erstellten Empfehlungen, und welche davon wurden bisher umgesetzt?

28. Sollte die ÖGK Selbstbehalte, wie von mehreren hochrangigen ÖGK-Vertretern immer wieder in der Debatte eingebracht, einführen, braucht es dafür eine gesetzliche Änderung? Wenn ja, ist ihr Ministerium bereit eine solche umzusetzen?

29. Gibt es bereits konkrete Überlegungen für die Einführung von Selbstbehalten, die über die bestehenden (z.B. Rezeptgebühren) hinausgehen? Wenn ja, welche Modelle werden von ihnen präferiert?

30. Sind Ihrem Ministerium berufliche Unvereinbarkeiten bei den Funktionären der ÖGK auf Bundesebene oder in den Landessstellenausschüssen bekannt?

31. Liegt Ihrem Ministerium eine Liste der Funktionäre und ihrer beruflichen Tätigkeit auf Bundesebene bzw. in den Landesstellenausschüssen vor? Wenn ja, bitte um Übermittlung dieser Liste samt beruflicher Tätigkeit.