2508/J XXVIII. GP

Eingelangt am 10.06.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Ausbildungsplätze für Ärzt:innen in österreichischen Spitälern – Bedarf, Besetzung und Zukunftsperspektiven

BEGRÜNDUNG

 

Die ärztliche Ausbildung in Österreich steht vor erheblichen Herausforderungen, die sowohl die Qualität der medizinischen Versorgung als auch die langfristige Sicherstellung des ärztlichen Nachwuchses betreffen. Obwohl Österreich im internationalen Vergleich eine hohe Ärzt:innendichte aufweist, gibt es in bestimmten Bereichen – insbesondere in der Kinder- und Jugendpsychiatrie – einen spürbaren Mangel. Auch in anderen Fächern wie Pathologie oder Anästhesiologie können regional Engpässe auftreten. Diese wirken sich direkt auf das Gesundheitssystem aus: Patient:innen müssen mit längeren Wartezeiten rechnen, das bestehende Personal ist überlastet, und die Versorgung in ländlichen Regionen ist eingeschränkt. Besonders alarmierend ist die Situation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo der Bedarf an Fachärzt:innen aufgrund der steigenden Zahl psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zunimmt. Auch in der Allgemeinmedizin erwarten Expert:innen mittelfristig einen Mangel, bedingt durch den demografischen Wandel.

Die Abwanderung von Absolvent:innen nach dem Medizinstudium stellt ein weiteres Problem dar. Schätzungen zufolge verlässt ein erheblicher Teil der Absolvent:innen – insbesondere ausländische Staatsbürger:innen – nach dem Medizinstudium Österreich, um die Facharztausbildung im Ausland, vor allem in Deutschland oder der Schweiz, zu absolvieren. Bei österreichischen Absolvent:innen liegt die Abwanderungsrate deutlich niedriger, insgesamt beträgt die Differenz zwischen Absolvent:innen und im Inland tätigen Ärzt:innen jedoch rund 30%. Dies verschärft den Ärzt:innenmangel in bestimmten Fächern zusätzlich. Berichten zufolge ist dieser Umstand teilweise hausgemacht, da die Ausbildung im Ausland oft als attraktiver wahrgenommen wird als in Österreich.

Zudem gibt es Hinweise auf erhebliche Unterschiede zwischen der Zahl der genehmigten Ausbildungsstellen und den tatsächlich besetzten Positionen in den Spitälern. In manchen Fachrichtungen, wie etwa der Radiologie, bleiben aktuell bis zu 46 % der Ausbildungsstellen unbesetzt. Hauptursache sind fehlende Dienstposten und nicht mangelndes Interesse an einer Ausbildung, was auf strukturelle Probleme im Ausbildungssystem hindeutet.

Darüber hinaus variieren die Wartezeiten für die Basisausbildung stark zwischen den Bundesländern. Dies führt zu einer ungleichen Verteilung des ärztlichen Nachwuchses und erschwert es insbesondere kleineren Krankenhäusern und ländlichen Regionen, ausreichend Personal zu gewinnen. In einigen Regionen haben sich die Wartezeiten auf einen Ausbildungsplatz in den letzten Jahren deutlich verlängert, was auch ein Grund sein kann, dass Absolvent:innen vermehrt Alternativen im Ausland suchen.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, könnte ein Blick auf internationale Modelle der ärztlichen Ausbildung hilfreich sein. Länder wie Deutschland setzen auf standardisierte Prüfungen und Austauschprogramme, während andere Staaten flexiblere Ausbildungsstrukturen bieten. Es stellt sich die Frage, ob solche Ansätze auch in Österreich umgesetzt werden könnten, um das System effizienter zu gestalten und den ärztlichen Nachwuchs besser zu fördern.

Diese Anfrage zielt darauf ab, Klarheit über die aktuelle Situation der Ausbildungsplätze für Ärzt:innen zu schaffen – von den genehmigten Stellen über deren Besetzung bis hin zu möglichen strukturellen Reformen. Gleichzeitig soll untersucht werden, wie sich die Situation in Mangelfächern entwickelt hat und welche Maßnahmen notwendig sind, um eine nachhaltige Sicherstellung des ärztlichen Nachwuchses zu gewährleisten.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

     I.        Bedarfserhebung und Ausbildungszahlen

 

1.    Gibt es eine Berechnung des Ministeriums, wie viele ausgebildete Mediziner:innen pro Jahrgang – aufgeschlüsselt nach Fachrichtungen – benötigt werden, um den aktuellen Bedarf im öffentlich finanzierten Gesundheitswesen zu decken?

Falls ja, wie sieht diese Prognose für die kommenden zehn Jahre aus?

 

2.    Wie viele Mediziner:innen wurden in den letzten zehn Jahren jährlich im öffentlichen Gesundheitswesen in Österreich ausgebildet? Bitte um Angabe der jährlichen Abschlüsse des Turnus bzw. der Facharztausbildungen.

3.    Wie groß war jeweils die Differenz zwischen dem ermittelten Bedarf und der tatsächlichen Zahl der ausgebildeten Ärzt:innen? Bitte um jährliche und fachrichtungsbezogene Aufschlüsselung.

 

    II.        Abwanderung von Absolvent:innen

 

4.    Liegen Ihrem Haus Zahlen vor, wie viele Absolvent:innen nach dem Medizinstudium in Österreich verbleiben und wie viele ins Ausland – insbesondere nach Deutschland und die Schweiz – abwandern?

5.    Wie hat sich die Abwanderung von Absolvent:innen in den letzten zehn Jahren entwickelt?

6.    Liegen ihrem Ministerium Daten darüber vor, wie viele deutsche Staatsbürger:innen nach Abschluss des Studiums in Österreich bleiben und wie viele wieder nach Deutschland zurückkehren? Falls ja, bitte um Aufschlüsselung für die letzten zehn Jahre.

7.    Liegen ihrem Ministerium Daten dazu vor, wie viele österreichische Staatsbürger:innen ihre Facharztausbildung in Deutschland oder der Schweiz absolvieren? Falls ja, bitte um Aufschlüsselung für die letzten zehn Jahre.

8.    Welche Maßnahmen werden ergriffen oder sind geplant, um die Abwanderung von Absolvent:innen des Medizinstudiums ins Ausland zu reduzieren?

 

  III.        Genehmigte Ausbildungsplätze und Besetzung

 

9.    Wie viele Ausbildungsplätze für Mediziner:innen sind derzeit in österreichischen Spitälern genehmigt? Wie hat sich diese Zahl in den letzten zehn Jahren entwickelt? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern.

10. Wie viele dieser genehmigten Ausbildungsplätze sind tatsächlich in den Dienstpostenplänen der Spitäler abgebildet und wie viele davon sind aktuell besetzt? Bitte ebenfalls nach Bundesländern aufschlüsseln.

11. In welchen Fachrichtungen gibt es besonders große Unterschiede zwischen genehmigten Ausbildungsplätzen und tatsächlich besetzten Stellen? Bitte um bundeslandspezifische Aufstellung.

12. Wie viele Ausbildungsstellen können nicht besetzt werden, weil im strikten 1:1-Ausbildungsschema (eine auszubildende Person pro ausbildender Fachärzt:in) keine entsprechend qualifizierten Ausbildner:innen zur Verfügung stehen?

13. Welche Fachrichtungen sind davon besonders betroffen? Wie ist das Verhältnis zwischen genehmigten Ausbildungsplätzen, tatsächlich besetzten Stellen und dem benötigten Nachwuchs?

 

  IV.        Internationale Vergleichsmodelle

 

14. Hat sich Ihr Ministerium bereits mit Modellen der ärztlichen Ausbildung in anderen Ländern beschäftigt? Falls ja, welche Länder wurden untersucht und welche Erkenntnisse wurden daraus gewonnen?

15. Gibt es Berechnungen oder Überlegungen, welche Auswirkungen eine Abkehr vom bisher in den meisten Fachbereichen praktizierten „1:1-Ausbildungsschema“ auf die Zahl der ausgebildeten Mediziner:innen und auf die Ausbildungsqualität hätte?

16. Liegen belastbare Daten vor, die belegen, dass im Ausland ausgebildete Mediziner:innen, die in größeren Gruppen und nicht strikt nach dem „1:1“-Prinzip ausgebildet wurden, eine schlechtere Ausbildungsqualität aufweisen?

17. Besteht die Bereitschaft, das österreichische Ausbildungssystem zu reformieren? Wenn ja, welche konkreten Änderungen sind geplant und bis wann sollen diese umgesetzt werden? Gab oder gibt es dazu Gespräche mit der Ärztekammer?

 

   V.        Wartezeiten für die Basisausbildung

 

18. Wie haben sich die Wartezeiten für die Basisausbildung in den einzelnen Spitälern der Bundesländer seit deren Einführung am 1. Juni 2015 verändert? Bitte um Angabe der durchschnittlichen Wartezeiten nach Bundesländern und pro Jahr seit Einführung.

 

  VI.        Maßnahmen zur Sicherstellung des Nachwuchses

 

19. Welche Schritte unternimmt das Ministerium, um sicherzustellen, dass ausreichend Nachwuchs für Mangelfächer wie Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Pathologie zur Verfügung steht?

20. Gibt es spezielle Förderprogramme oder Anreize für Studierende, sich für diese Mangelfächer zu entscheiden?