2530/J XXVIII. GP

Eingelangt am 16.06.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 93 Abs. 1 GOG-NR

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend Österreichs Neutralität in Gefahr – Besuch des ukrainischen Präsidenten Selenskyj am 16. Juni 2025

 

 

Heute, am 16. Juni 2025, wird der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, in Wien erwartet. Dieser Besuch wirft schwerwiegende Fragen hinsichtlich der außenpolitischen Positionierung Österreichs auf – insbesondere im Hinblick auf die verfassungsmäßig verankerte immerwährende Neutralität unseres Landes, deren Beschluss sich heuer – ebenso wie der Staatsvertrag – zum 70. Mal jährt.

 

Der Besuch erfolgt in einem Umfeld zunehmender militärischer Eskalation – nicht nur in der Ukraine –, wachsender Spannungen zwischen NATO und Russland sowie stetig anwachsender Forderungen Selenskyjs nach westlicher Militärhilfe. Es ist daher höchst problematisch, dass Österreich als neutrales Land diesem Präsidenten einen staatsaktartigen Empfang bereitet.

 

Österreich ist ein neutraler Staat. Doch mit dem geplanten Empfang eines Staatsoberhauptes, das sich weltweit für immer mehr Waffenlieferungen, den NATO-Beitritt seines Landes und weitere Eskalationsschritte im Krieg mit Russland einsetzt, gerät die Glaubwürdigkeit der österreichischen Neutralität erneut massiv unter Druck. Die FPÖ sieht diesen Besuch als Teil einer politisch motivierten Inszenierung, die weder im Interesse der österreichischen Bevölkerung noch im Einklang mit unserer Neutralitätsverpflichtung steht.

 

Zudem wurde durch die Anfragebeantwortung 1011/AB XXVIII. GP vom 11. Juni 2025 durch Außenministerin Meinl-Reisinger bekannt, dass Österreich bereits über 294 Millionen Euro an staatlicher und humanitärer Hilfe für die Ukraine geleistet hat.[1]

 

In dieser Situation stellt sich die Frage, ob der bevorstehende Besuch tatsächlich dem Frieden und der Diplomatie dient oder lediglich eine Inszenierung auf Kosten der österreichischen Steuerzahler darstellt.

 

Mit Blick auf die Sicherheit Österreichs und seiner Bürger besonders besorgniserregend ist, dass die Ukraine bis heute sogenannte „Staatsfeindelisten“ wie die Webseiten Mirotworez und Molfar betreibt bzw. duldet, auf denen auch österreichische Staatsbürger, darunter Journalisten und Politiker, als „Feinde der Ukraine“ gelistet werden – teils mit persönlichen Daten. Auch der ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz und mehrere FPÖ-Mandatare finden sich auf diesen Listen wieder. Derartige Praktiken widersprechen nicht nur grundlegenden rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien, sondern stellen eine unmittelbare Bedrohung für die Betroffenen dar.

 

Es ist daher völlig unverständlich, dass derartige Vorgänge von der österreichischen Bundesregierung bisher nicht öffentlich verurteilt wurden – nicht einmal angesichts eines Staatsbesuchs des ukrainischen Präsidenten.[2]

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordnete an Bundeskanzler nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Wer hat den Besuch von Präsident Selenskyj initiiert und wie wurde er diplomatisch vorbereitet?

2.    Hat es dazu im Ministerrat Beratungen gegeben und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

3.    Wie haben Sie in Hinblick auf den Besuch Ihre Koordinierungsfunktion der Bundesregierung wahrgenommen, insbesondere was die beteiligten Ministerien für Äußeres, Inneres und Landesverteidigung betrifft?

4.    Wird Präsident Selenskyj mit allen protokollarischen Ehren empfangen – und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage?

5.    Welche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wird Selenskyj im Rahmen seines Besuchs treffen und welche konkreten Themen sollen bei diesen Gesprächen jeweils behandelt werden?

6.    Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl dieser Persönlichkeiten, und wurde diese durch die österreichische Bundesregierung oder auf Wunsch der ukrainischen Seite getroffen?

7.    Wann, durch wen und in welcher Form wurden die betreffenden Personen über die geplanten Gespräche informiert?

8.    Gab es Interventionen oder Wünsche einzelner Personen oder Institutionen, in das Besuchsprogramm aufgenommen zu werden?

9.    Gab es Absagen oder Ablehnungen von Persönlichkeiten, die zu einem Treffen eingeladen wurden?

10. Wer ist außer Selenskyj Teil der ukrainischen Delegation?

11. Welche Medienvertreter wurden durch den zum BKA ressortierenden Bundespressedienst wann und in welcher Form über den Besuch von Präsident Selenskyj informiert, und welche inhaltlichen Informationen wurden ihnen dabei konkret übermittelt (z. B. Zeitplan, Pressezugang, Themen der Gespräche)?

12. Nach welchen Kriterien wurde die Auswahl der Medienvertreter getroffen, die im Vorfeld informiert wurden?

13. Welche Medienvertreter wurden zu welchen konkreten Programmpunkten im Rahmen des Besuchs von Präsident Selenskyj eingeladen?

14. Wann und auf welchem Weg erfolgte diese Einladung?

15. Nach welchen Kriterien wurde die Auswahl der eingeladenen Medienvertreter getroffen?

16. Wurden alle Medienvertreter, die darum angesucht haben, zu den einzelnen Programmpunkten akkreditiert?

a.    Wenn nein, welche Medien waren von verweigerten Akkreditierungen betroffen und mit welcher Begründung?

17. Nach welchen Kriterien wurde festgelegt, ob Akkreditierungswünsche berücksichtigt werden?

18. Welche Gesamtkosten entstehen Österreich durch diesen Besuch (Sicherheit, Logistik, Personal, Veranstaltungen etc.)?

19. Wie wird die Einhaltung der österreichischen Neutralität sichergestellt, wenn ein kriegsführender Präsident offiziell empfangen wird?

20. Wird der Bundeskanzler in Anwesenheit von Präsident Selenskyj ein klares Bekenntnis zur Neutralität ablegen – oder wird das bewusst vermieden?

21. Wie wird der Bundeskanzler sich gegenüber dem ukrainischen Präsidenten hinsichtlich eines möglichen EU-Beitritts der Ukraine äußern?

22. Wird Präsident Selenskyj öffentlich zur österreichischen Neutralität befragt bzw. Stellung beziehen?

23. Wann, in welcher Form und durch wen wurden die im Nationalrat vertretenen politischen Parteien über den Besuch von Präsident Selenskyj informiert und welche konkreten Informationen wurden dabei jeweils übermittelt (z. B. Inhalte des Besuchs, Programm, Teilnehmer, Sicherheitsmaßnahmen)?

24. Warum wurde der Hauptausschuss des Nationalrats nicht im Vorfeld über den Besuch und dessen Inhalte informiert?

25. Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu Österreichs Zahlungen an die Ukraine in Höhe von bereits zumindest 294 Millionen Euro?

26. Wird Österreich im Zuge dieses Besuchs weitere Finanzierungszusagen abgeben – direkt oder über internationale Organisationen?

a.    Wenn ja, zu welchem konkreten Zweck und in welcher Höhe?

27. Welche konkreten politischen, finanziellen oder wirtschaftlichen Abmachungen, Zusagen bzw. Versprechungen gegenüber der Ukraine erfolgen im Zuge des Besuchs von Präsident Selenskyj?

28. Mit welchen zusätzlichen Kosten für Österreich ist aufgrund dieser Abmachungen, Zusagen und Versprechungen zu rechnen?

29. Welche Abstimmungen haben Sie bezüglich weiterer finanzieller Zusagen mit dem Bundesminister für Finanzen getroffen?

30. Welche Rolle wird Österreich künftig innerhalb der EU bei der Finanzierung militärischer oder militärnaher Hilfeleistungen an die Ukraine einnehmen?

31. Verlangt die Bundesregierung die strikte Einhaltung der ukrainischen Verfassung und Europäischen Menschenrechtskonvention durch die ukrainische Staatsführung als Voraussetzung für jegliche österreichische Unterstützung, soweit diese mit der österreichischen Neutralität vereinbar ist?

32. Ist beabsichtigt, den Wiederaufbau der Ukraine zu thematisieren und für die Beteiligung österreichischer Firmen zu werben?

33. Welche Abstimmungen haben Sie bezüglich dieses Themas mit dem Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus getroffen?

34. Ist beabsichtigt, die hohe Zahl wehrfähiger ukrainischer Männer in Österreich zu thematisieren?

35. Betrachtet die Ukraine diese Personen als Wehrdienstverweigerer und verlangt die Aufhebung ihres Vertriebenenstatus?

a.    Wenn ja, wie verhält sich der Bundeskanzler zu diesen Forderungen?

36. Ist dem Bundeskanzler bekannt, dass auf den Seiten „Mirotworez“ und „Molfar“ zahlreiche österreichische Staatsbürger, darunter Journalisten und Politiker, namentlich als „Staatsfeinde“ gelistet werden?

37. Welche Schritte hat die Bundesregierung – insbesondere das Bundeskanzleramt – seit 2022 unternommen, um gegen die Veröffentlichung personenbezogener Daten österreichischer Staatsbürger auf diesen Seiten vorzugehen?

38. Hat der Bundeskanzler das Thema der sogenannten „Staatsfeindelisten“ jemals in bilateralen Gesprächen mit ukrainischen Regierungsvertretern thematisiert?

a.    Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

39. Wird der Besuch von Präsident Selenskyj am 16. Juni 2025 genutzt, um diese Problematik offen anzusprechen und die Löschung österreichischer Namen auf diesen Listen zu fordern?

40. Welche Haltung vertritt die ukrainische Regierung nach Kenntnis der Bundesregierung zur Existenz dieser Plattformen und zu deren Finanzierung (z. B. über EU-nahe Einrichtungen wie den European Endowment for Democracy)?

41. Wurden vom Bundeskanzleramt Sicherheitsbehörden mit der Analyse möglicher Gefahren für gelistete österreichische Politiker – etwa im Zusammenhang mit den Berichten über geplante Anschläge – beauftragt?

42. Gibt es nach Kenntnis des Bundeskanzlers einen Informationsaustausch mit anderen EU-Staaten über diese Bedrohungslage durch ukrainische „Feindeslisten“?

43. Ist die Bundesregierung bereit, finanzielle Unterstützungsleistungen für die Ukraine auszusetzen, sofern von ukrainischer Seite keine aktiven Schritte zur Löschung der betreffenden Daten und keine Distanzierung von diesen Listen erfolgen?

44. Sind in den nächsten Monaten (bis Ende 2025) weitere Besuche des ukrainischen Präsidenten oder anderer hochrangiger Politiker in Österreich geplant?

a.    Wenn ja, wer wird erwartet?

45. Sind in den nächsten Monaten (bis Ende 2025) weitere Besuche österreichischer Politiker in der Ukraine geplant?

a.    Wenn ja, wer wird in die Ukraine reisen?

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller
Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.



[1] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/AB/1011/imfname_1691961.pdf

[2] https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVIII/J/1073