2580/J XXVIII. GP
Eingelangt am 16.06.2025
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ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer
an den Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus
betreffend Smart Meter - Zwangseinbau, wirtschaftliche Fragwürdigkeit und Verletzung der Wahlfreiheit
Die Einführung sogenannter „intelligenter Messgeräte“ (Smart Meter) in Österreich wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Bürgerinnen und Bürger berichten über massive Informationsdefizite, sowie über fragwürdige Praktiken einzelner Netzbetreiber, darunter Stromabschaltungen bei Ablehnung, gesundheitliche Bedenken sowie datenschutzrechtliche Unsicherheiten.
Besonders in der Kritik steht der Umstand, dass die ursprünglich im § 83 ElWOG verankerte Wahlfreiheit im Zuge der IME-VO Verordnungsänderung in eine bloße Opt-out-Variante abgeschwächt wurde. Trotz erklärter Ablehnung verbleibt damit die technische Infrastruktur, einschließlich Kommunikationsmodule und Powerline-Technologie, im Haushalt der Verbraucherinnen und Verbraucher, ein Zustand, der das Prinzip echter Wahlfreiheit aushebelt.
Laut EU-Vorgabe dürfen Smart Meter nur dann flächendeckend eingeführt werden, wenn eine Kosten-Nutzen-Rechnung zeigt, dass sich das wirklich lohnt.
In Österreich wurde die Einführung trotzdem beschlossen, gestützt auf eine Analyse, die später stark kritisiert wurde. Eine Überprüfung im Mai 2024 zeigt nun klar: Die versprochenen Vorteile sind in der Realität nicht eingetreten. Unter realistischen Bedingungen wäre die flächendeckende Einführung also nicht gerechtfertigt gewesen.
Zum Vergleich: Deutschland hat nach kritischer Prüfung der Wirtschaftlichkeit nur einen selektiven Roll-out beschlossen. Dort gilt die Verpflichtung zur Smart-Meter-Installation bislang nur für Verbraucher mit einem Jahresverbrauch über 6.000 kWh - eine Schwelle, die künftig sogar auf über 10.000 kWh angehoben werden könnte.
Österreich hingegen hat mit einer gesetzlichen Vorgabe von 95 Prozent - eine über die EU-Vorgabe (80 %) hinausgehende Zielsetzung - flächendeckend Roll-outs bis Ende 2024 als Ziel definiert. Dieses Vorgehen führt zu einer klaren Ungleichbehandlung europäischer Verbraucherrechte und wirft die Fragen zur Verhältnismäßigkeit und Umsetzungspraxis auf.
Besonders alarmierend ist in diesem Zusammenhang der aktuelle Fall einer Tierärztin aus Michelbach (Bezirk St. Pölten). Der Netzbetreiber Netz Niederösterreich ließ ihr den Strom abschalten, nachdem sie sich, unter Berufung auf ihr Grundrecht auf Wahlfreiheit, weigerte, den alten analogen Ferraris-Zähler durch einen Smart Meter ersetzen zu lassen. Zwar war die Eichfrist ihres Gerätes abgelaufen, jedoch wird durch die vom Netzbetreiber gesetzte Maßnahme ein existenzieller Versorgungsanspruch verletzt, noch dazu in einem beruflichen Kontext, wo Strom unverzichtbar ist. Derartige Eingriffe sind nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Oktober 2024 als unzulässige Selbsthilfe einzustufen. Netzbetreiber dürfen demnach nicht eigenmächtig den Strom abdrehen, sondern müssen rechtsstaatliche Wege (z.B. Einbringung einer zivilrechtlichen Klage) einhalten.
Dieser Fall zeigt deutlich, wie bedrohlich sich die derzeitige Auslegung der Smart-Meter-Pflicht im Alltag auswirken kann, und welche Lücken im Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten bestehen.
In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Wirtschaft, Energie und Tourismus nachstehende
Anfrage
1. Welche Erkenntnisse liegen Ihrem Ressort darüber vor, dass es im Rahmen der Einführung von Smart Metern in Österreich seit 2018 wiederholt zu Beschwerden wegen Druckausübung durch Netzbetreiber, mangelhafte Information, Stromabschaltungen oder juristischen Maßnahmen gegen ablehnende Haushalte gekommen ist?
2. Welche rechtlichen Möglichkeiten haben österreichische Bürgerinnen und Bürger derzeit, um sich gegen den Einbau eines Smart Meters zu wehren?
a. Ist es zulässig, den Einbau abzulehnen, wenn man die Kosten für die Beibehaltung eines analogen Ferraris-Zählers selbst übernimmt?
b. Gibt es Richtlinien, wie Netzbetreiber in solchen Fällen vorzugehen haben?
3. Welche Maßnahmen wurden seitens Ihres Ressorts gesetzt, um sicher-zustellen, dass das in § 83 ElWOG verankerte Ablehnungsrecht von Verbraucherinnen und Verbrauchern rechtskonform gewahrt wird?
4. Ist im Rahmen einer Novelle des ElWOG geplant, das bestehende Ablehnungs-recht weiter einzuschränken oder ganz zu streichen?
a. Wenn ja, mit welcher Begründung und welcher Einschätzung zur Verein-barkeit mit dem Unionsrecht?
b. Inwiefern wurden dabei die Interessen der Verbraucher angemessen berücksichtigt?
5. Welche Gründe führten 2017 zur Änderung der Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO), wodurch die ursprünglich garantierte Ablehnungsfreiheit auf eine bloße „Opt-out“-Variante reduziert wurde?
6. Wurde diese Änderung im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 der EU-Richtlinie 2009/72/EG rechtlich geprüft?
a. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
7. Wie bewertet Ihr Ressort die Kritik des Rechnungshofes an den früheren Kosten-Nutzen-Berechnungen zur Smart-Meter-Einführung in den Berichten 2019 und 2024?
a. Welche konkreten Konsequenzen hat Ihr Ressort aus diesen Prüf-ergebnissen gezogen?
b. Ist eine Rücknahme oder Einschränkung des Roll-outs geplant?
8. Welche wirtschaftlichen Annahmen und Prognosen wurden den bisherigen Kosten-Nutzen-Bewertungen zur Einführung intelligenter Messsysteme (Smart Meter) in Österreich zugrunde gelegt, und in welchen Punkten haben sich diese laut Rechnungshof nachweislich als nicht realistisch oder fehlerhaft erwiesen?
9. Welche Evaluierungen zur tatsächlichen Energieeinsparung durch Smart Meter in privaten Haushalten in Österreich liegen Ihrem Ressort vor?
a. Wie lauten die Ergebnisse?
b. Inwiefern wurden diese Daten in die weitere Umsetzungspolitik einbezogen?
10. Wie bewertet Ihr Ressort die Vorgehensweise Deutschlands, wonach Smart Meter nur für Haushalte mit hohem Verbrauch verpflichtend eingeführt werden?
11. Wie wird der Datenschutz bei aktivierter Datenübertragung über Smart Meter technisch und rechtlich gewährleistet?
a. Welche konkreten Daten werden übermittelt und in welchem zeitlichen Intervall?
b. Welche Behörde ist für die Kontrolle der Einhaltung der Datenschutz-vorgaben zuständig?
c. Werden Endverbraucher aktiv und transparent über Art, Umfang und Verwendungszweck der Daten informiert?
12. Liegen Ihrem Ressort Erkenntnisse über mögliche gesundheitliche Belastungen durch Powerline- oder Funkübertragung in Smart Metern vor?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn nein, wurden unabhängige medizinische Studien in Auftrag gegeben oder berücksichtigt?