2581/J XXVIII. GP

Eingelangt am 16.06.2025
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumenten-schutz

betreffend Datenschutz, Zugriffsrechte und rechtliche Grundlagen des elektronischen Impfpasses

 

 

Seit dem 30. September 2024 ist der elektronische Impfpass in ganz Österreich in den Regelbetrieb übergegangen. Technisch ist er mit der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) verbunden, rechtlich jedoch eigenständig geregelt (§§ 24c-f Epidemiegesetz). Impfstellen sind verpflichtet, alle verabreichten Impfungen zentral im Impfregister zu dokumentieren. Eine Abmeldung oder ein Widerspruch durch Bürgerinnen und Bürger, wie etwa im Fall von ELGA, ist derzeit nicht vorgesehen.

 

Diese verpflichtende Erfassung personenbezogener Gesundheitsdaten ohne aktive Zustimmung der Betroffenen wirft Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem verfassungs-rechtlich verankerten Grundrecht auf Datenschutz auf. Auch die Frage, inwiefern auf die gespeicherten Daten durch Dritte oder Behörden außerhalb des Gesundheits-bereichs zugegriffen werden kann, ist bislang nicht abschließend beantwortet.

 

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob für statistische oder epidemiologische Zwecke nicht bereits bestehende, vollständig anonymisierte Verrechnungsdaten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) herangezogen werden könnten, etwa zur Ermittlung von Durchimpfungsraten, wodurch sich eine personenbezogene Erfassung über den elektronischen Impfpass vermeiden ließe. Diese Option könnte helfen, Datenschutz und Informationsbedürfnisse besser in Einklang zu bringen.

 

Grundrechtlich besonders problematisch erscheint, dass hier in das Selbstbestimmungsrecht ohne konkrete, aktuelle Notlage eingegriffen wird. Eine Einschränkung von Grundrechten, insbesondere im Gesundheitsbereich, ist laut ständiger Rechtsprechung nur dann zulässig, wenn sie durch eine tatsächliche Gefahrenlage gerechtfertigt und verhältnismäßig ist. Eine bloß vorsorgliche, auf potenzielle künftige Szenarien gestützte Einschränkung, wie sie der verpflichtende Impfpass darstellt, erscheint mit den Prinzipien des Verfassungsrechts nur schwer vereinbar.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an die Bundes-ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Aus welchem Grund ist im Unterschied zur ELGA beim elektronischen Impfpass keine Möglichkeit zur Abmeldung oder zum Widerspruch für Bürgerinnen und Bürger vorgesehen?

2.    Aus welchen rechtlichen oder organisatorischen Gründen erfolgt die verpflichtende Speicherung aller Impfungen im zentralen Impfregister, ohne dass eine ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Personen vorgesehen ist?

3.    Welche konkreten Gründe oder Rahmenbedingungen stehen derzeit einer Möglichkeit zum Widerspruch gegen die Teilnahme am elektronischen Impf-pass entgegen?

4.    Wurden vor der Einführung des elektronischen Impfpasses datenschutzr-echtliche Risikoanalysen oder Bewertungen im Sinne der DSGVO durchgeführt?

a.    Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

5.    Welche Datenschutzprinzipien, insbesondere die Grundsätze der Daten-minimierung und Zweckbindung, wurden bei der technischen und rechtlichen Ausgestaltung des elektronischen Impfpasses konkret berücksichtigt?

6.    Welche Institutionen, Fachstellen oder Datenschutzbehörden wurden im Rahmen der Konzeption und Implementierung des elektronischen Impfpasses beratend oder begutachtend eingebunden?

7.    Ist es zutreffend, dass der elektronische Impfpass technisch in das ELGA-System eingebunden, rechtlich jedoch unabhängig davon organisiert ist?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen wurde diese Trennung vorgenommen?

8.    Warum wurde die Verwaltung des elektronischen Impfpasses nicht der ELGA GmbH übertragen, die bereits für die elektronische Dokumentation medizinischer Leistungen zuständig ist?

9.    Gibt es Überlegungen, den elektronischen Impfpass zukünftig organisatorisch oder rechtlich in das bestehende ELGA-System zu integrieren?

10. Welche konkreten Voraussetzungen müssen vorliegen, damit Stellen außerhalb des medizinischen Bereichs, etwa Behörden Einsicht in die Daten des elektronischen Impfpasses nehmen können?

11. Wie wird der Begriff „Anlassfall“ im Zusammenhang mit Datenzugriffen auf das zentrale Impfregister definiert und wer trifft die Entscheidung über die Zulässigkeit eines solchen Zugriffs?

12. Wird derzeit geprüft, ob epidemiologisch relevante Daten, wie etwa Durchimpfungsraten nicht auch aus den anonymisierten Verrechnungsdaten der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) erhoben werden könnten?

13. Welche sachlichen oder rechtlichen Gründe sprechen gegen die Nutzung solcher anonymen Abrechnungsdaten anstelle personenbezogener Impfdatensätze für gesundheitspolitische Auswertungen?

14. Wie wird technisch sichergestellt, dass automatisierte Eintragungen von Impfstellen nicht gegen den Willen der betroffenen Personen erfolgen, insbesondere wenn ein Widerspruch formuliert wurde oder keine informierte Zustimmung vorliegt?


 

15. Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um zu gewährleisten, dass die Nutzung des elektronischen Impfpasses nicht zu einer mittelbaren Einschränkung individueller Grund- und Freiheitsrechte führt, insbesondere im Hinblick auf mögliche verpflichtende Nachweispflichten im Alltag?

16. Wie kann die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts durch den verpflichtenden elektronischen Impfpass gerechtfertigt werden, obwohl derzeit keine konkrete epidemiologische Notlage besteht?

17. Wie wird sichergestellt, dass eine solche Maßnahme nicht rein vorsorglich, sondern nur unter tatsächlich gegebenen Ausnahmebedingungen zur Anwendung kommt?

18. Welche verfassungsrechtlichen Gutachten oder Stellungnahmen wurden vor Einführung des verpflichtenden elektronischen Impfpasses eingeholt, um die Vereinbarkeit mit Grundrechten zu prüfen?