2599/J XXVIII. GP

Eingelangt am 16.06.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Christoph Steiner

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Drogensucht – „Wir werden verantwortlich gemacht für ein Total-versagen des Staates!“

 

 

Die Fernsehdokumentationsreihe „THEMA“ zeigte mehrfach dramatische und zugleich berührende Abgründe in Bezug auf den Konsum illegaler Substanzen im Zusammen-hang mit jungen Menschen auf.

 

In der politischen Debatte wird in Österreich zwar in laufenden Abständen das Thema Drogen in Bezug auf eine Lockerung bzw. Legalisierung aufgegriffen, bestehende Probleme und die drastischen Folgen durch Abhängigkeiten erhalten hingegen leider wenig Aufmerksamkeit.

 

In der THEMA-Reportage vom 25.11.2024 mit dem Titel „Drogensucht – eine Mutter klagt an“ klagt die Mutter eines betroffenen Kindes, der mit 13 Jahren in die Sucht geschlittert ist und mit 16 Jahren nach einer Überdosis auf der Intensivstation um sein Leben kämpfte, nachdem sie ihn „mehr tot als lebendig“ selbst auf einer Parkbank gefunden hatte, die Politik sprichwörtlich an. Sie ging mit ihrer Geschichte über das Fernsehen an die Öffentlichkeit. Schon fünfmal sei das Leben ihres Sohnes am seidenen Faden gehangen. Im Begleittext zum Beitrag ist zu lesen:

 

„Bilder aus dem THEMA Spezial über Jugendkriminalität vor vier Wochen sorgen für Entsetzen: Jugendliche Migranten gehen vor dem Musikclub Flex am Wiener Donaukanal mit Messern aufeinander los. Es geht um die Vormacht-stellung im Drogenhandel. Die Dealer verkaufen vor allem an Jugendliche […].“[1]

 

Die betroffene Mutter, Frau F., kämpft darum, dass Kinder und Jugendliche mit Drogenproblemen eine bessere Betreuung erhalten. Sie spricht von einem „System-versagen, wenn es um die Hilfe für drogenkranke Jugendliche geht.“ Aktuell würden eingelieferte Kinder bzw. Jugendliche, wie auch ihr Sohn damals, nach mehreren Tagen immer wieder aus dem Krankenhaus nach Hause geschickt. Es heiße, „keine akute Gefahr mehr“. Sie fordert eine Einrichtung, wo Betroffene längere Zeit stationär betreut werden können. Vor allem fordert sie von der Politik, dass eine derart starke Drogensucht mit Rückfällen als psychische Erkrankung und Selbstgefährdung anerkannt wird, um dafür eine Gesetzesgrundlage zu schaffen.

 

In einem weiteren Beitrag vom 29.04.2025 wurde die Gesamtproblematik nochmals bei „THEMA“ aufgegriffen und aus einer weiteren Perspektive beleuchtet, diesmal mit dem Schwerpunkt und Titel: „Endstation Jugendhaft: Mütter von jungen Drogen-kranken verzweifeln“.

 

„Seit der Corona-Pandemie konsumieren Jugendliche verstärkt und wahllos Drogen – multitoxische Vergiftungen nehmen laut Experten zu. Eltern von drogenkranken Jugendlichen fühlen sich alleingelassen, wenn es um die Hilfe für ihre Kinder geht. In manchen Fällen führte erst ein Gefängnisaufenthalt zur nötigen Therapie. Betroffene orten darin ein Systemversagen. Warum für eine Mutter die Haft ihres Sohnes Erleichterung war, hat sie in der Sendung ‚THEMA‘ erzählt.“[2]

 

In dieser Reportage kommt eine weitere betroffene Mutter zu Wort, die davon spricht, dass sie erleichtert gewesen wäre, als ihr Sohn inhaftiert wurde. So unglaublich dies klingen mag – es ist darauf zurückzuführen, dass dies aufgrund der aktuellen Gesetzeslage die einzige Möglichkeit eines „stationären“ Entzugs für Jugendliche ist, wenn sie sich nicht helfen lassen und keine weiteren Unterbringungsgründe, wie z. B. suizidale Gedanken, vorliegen.

 

Der Inhaftierung, die sich als einziges Mittel gegen die Sucht des Jugendlichen herausstellte, mussten allerdings Strafdelikte wie Einbruch, Raub oder schwerer Betrug vorangehen, die der Jugendliche nur verübte, um an Geld für Drogen zu kommen. Festgenommen wurde er am Tag einer Entlassung nach einem Kranken-hausaufenthalt. „Muss ein Jugendlicher wirklich ins Gefängnis, um zu überleben?“, stellt die Mutter in der Reportage eine rhetorische Frage. Im Gefängnis machte er den Entzug, zwei Monate fehlen ihm in seiner Erinnerung. Das Ausmaß der Notwendigkeit wird auch damit sichtbar.

 

Nach einer Überdosis werden minderjährige Patientinnen und Patienten meist nur für kurze Zeit in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen. Selbst wenn Erziehungsberechtigte eine frühzeitige Entlassung ablehnen, wird diese in den meisten Fällen dennoch durchgeführt, wie eine weitere Mutter an einem Beispiel verdeutlicht: „Wenn er noch in die Schule gehen würde, müsste ich sämtliche Einverständniserklärungen unterschreiben – etwa, wenn er auf Skikurs fährt. Aber nachdem er beinahe an einer Überdosis gestorben ist, heißt es plötzlich: Er möchte nicht bleiben, also darf er gehen.“

 

Eltern stehen oft hilflos daneben. Das Grundproblem bleibt: Drogensucht wird gesetzlich nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Wenn Jugendliche behaupten, sie hätten alles unter Kontrolle, fehle es an rechtlichen Möglichkeiten zum Eingreifen – so eine Betreuerin einer Tagesklinik für Drogenabhängige.

 

Ein weiteres alarmierendes Signal liefern aktuelle Statistiken: In manchen Krankenhäusern haben sich nach der Corona-Pandemie die Überdosis-bedingten Einlieferungen bei Jugendlichen vervierfacht. Diese Entwicklung zeigt drastisch, welche psychischen Belastungen die Maßnahmen während der Pandemie bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen haben.

 

Alarmierend und beängstigend ist in einem der Fernsehbeiträge auch der Zusammenhang mit den Aspekten Vermeidung, Vorbeugung und Sicherheit. Es wird davon gesprochen: „dass verschiedene ethnische Gruppen um die Vormachtstellung am Drogenmarkt kämpfen.“ Schreckliche und besorgniserregende Bilder wurden gezeigt, die einem „Bandenkrieg“ gleichkommen.

 

In diesem Zusammenhang kann auch die letztgenannte betroffene Mutter nicht verstehen, „warum da nicht strenger kontrolliert wird?“ Der Betreiber eines Lokals in der Nachtgastronomie, vor dessen Diskothek bekanntermaßen (!) Drogen gedealt werden, zeigt sich im Interview aufgebracht und emotional, er fühlt sich von der Polizei alleine gelassen: „Sie haben einfach keine Zeit für uns und verweisen auf Personal-mangel.“ Andere Brennpunkte würden sie zu sehr fordern, wie der Praterstern oder der 10. Bezirk. Der langjährige Gastronom: „Wir werden verantwortlich gemacht für ein Totalversagen des Staates! Nicht wir sind verantwortlich, dass seit Jahren die Dealer vor der Treppe [seines Lokals] stehen und jedem Drogen anbieten.“

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Inneres nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Wie viele Menschen sind in Österreich in den Jahren 2015-2024 jeweils an den Folgen einer Überdosis verstorben? (Bitte um Aufschlüsselung nach dem Lebensalter bei deren Ableben)

2.    Ist Ihnen bekannt, wie viele Kinder und Jugendliche, die von einer Drogenabhängigkeit betroffen sind, mit einem alleinerziehenden leiblichen Elternteil aufgewachsen sind im Verhältnis zu jenen mit verheirateten Eltern?

3.    Wie viele Ermittlungen gab es jeweils in den Jahren 2015 bis 2024 nach § 28a SMG (=Suchtgifthandel) in Österreich gegen Minderjährige?

a.    Wie hoch ist der Anteil davon gegen nicht österreichische Staatsbürger? (Bitte um Aufschlüsselung nach Nationalität und Aufenthaltstitel)

4.    Wie viele Anzeigen gab es jeweils in den Jahren 2015 bis 2024 nach § 28a SMG (=Suchtgifthandel) in Österreich gegen Volljährige?

a.    Wie hoch ist der Anteil davon von nicht österreichischen Staatsbürgern? (Bitte um Aufschlüsselung nach Nationalität und Aufenthaltstitel)

5.    Ist Ihnen die prekäre Lage in Bezug auf den Suchtgifthandel vor dem besagten Lokal (Diskothek F.) bekannt?

a.    Falls ja, warum wird dagegen nicht vorgegangen?

6.    Gibt es eine Weisung oder eine Dienstanweisung Ihrerseits oder der zuständigen LPD Wien, den Fokus primär auf andere „Hotspots“ wie z.B. den Praterstern zu richten als auf den Suchtgifthandel vor Diskotheken?

7.    Warum wird vor Lokalen, die für den Umschlag von Drogen bekannt sind, nicht strenger kontrolliert?

8.    Ist Ihnen bekannt, ob die Anfrage nach verstärkten Kontrollen des Diskotheken-betreibers tatsächlich damit beantwortet wurde, dass die Polizei einfach keine Zeit habe und auf Personalmangel verweist, weil andere Brennpunkte, wie der Praterstern oder der 10. Bezirk, so fordernd seien?

a.    Falls ja, ist dieses Wording bzw. diese Antwort auf eine Weisung oder Dienstanweisung des BMI zurückzuführen?

b.    Wie erklären Sie sich eine solche Antwort?

9.    Welchen Maßnahmen setzen Sie, um zukünftig zu vermeiden, dass Jugendliche vor Diskotheken mit illegalen Substanzen in Kontakt kommen?

10. Welchen Folgen hat es, wenn ein Gastronom meldet, dass es vor seinem Lokal regelmäßig zu Suchtgifthandel kommt?



[1]    https://on.orf.at/video/14252639/15766456/drogensucht-eine-mutter-klagt-an-thema-vom-25112024

[2]    https://on.orf.at/video/14273592/15870063/endstation-jugendhaft-muetter-von-jungen-drogenkranken-verzweifeln