272/J XXVIII. GP
Eingelangt am 12.12.2024
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Schildbürgerstreich im österreichischen Sozial- und Bildungswesen
Landauf und landab tönen Arbeitsmarkt- und Bildungsexperten immer wieder über die „Durchlässigkeit“ des österreichischen Bildungssystems. Unterschiedliche Zugänge, unterschiedliche Vorbildungen im In- und im Ausland, die Möglichkeit auf möglichst vielen Wegen und damit möglichst breit, sich aus-, fort- und weiter- zu bilden. Soweit die reine Theorie und das Marketing in diesem Zusammenhang. Um dies zu unterstützen, macht man den Interessenten und Absolventen zumindest in der Theorie auch möglichst viele Unterstützungsmöglichkeiten in ökonomischer und sozialer Hinsicht zugänglich. Jene, die fleißig und strebsam sind, jene die Eigenengagement und Fortbildungswillen zeigen, sollen auch entsprechend gefördert werden bzw. sozial unterstützt werden.
Seit dem Jahre 2015 forciert das österreichische Sozial- und Bildungswesen vor allem auch die Integration von ausländischen Zuwanderern, die legal, sehr oft aber illegal nach Österreich gekommen sind, um ihnen neben einer Ausbildung in der Sprache Deutsch auch eine Schul-, Berufs- und Studienausbildung zu ermöglichen. Leider schlägt hier bei österreichischen Staatsbürgern, immer wieder der Amtsschimmel zu. Jene, die das Pech haben, in Österreich geboren zu sein, gut Deutsch zu sprechen, die Grenze nicht illegal übertreten zu haben, ein Strafregister ohne Eintragungen nachweisen zu können und bisher über einen reibungslosen Schul- und Berufsausbildungsverlauf zu verfügen, sind sehr oft im Hintertreffen, da der Amtsschimmel wiehert.
Jüngstes Beispiel ist der Fall eines 20 Jährigen Halbwaisenkindes, das die Laufbahn einer Lehrkraft für die Primärstufe an Pädagogische Hochschulen, im Zuge einer Studienberechtigung für das Bachelorstudium angestrebt hat. Zuvor hatte dieses Halbwaisenkind bereits eine Schulausbildung (7.Klasse ORG), die Ausbildung zum Kindergarten- und Hortassistenten absolviert und sich hier weitergebildet (wie auch den Zivildienst beim Roten Kreuz). Die weitere Vorbereitung auf die Studienberechtigungsprüfung über eine durch die Pädagogische Hochschule, ausdrücklich empfohlene bewährte Volkshochschule, mündete in einer bürokratischen Strafexpedition im Bezug auf die Kinderbeihilfe und die Waisenpension.
Erst nach einer Beschwerde beim zuständigen Finanzamt konnte die vorenthaltene Kinderbeinhilfe erfolgreich nachgefordert werden. Bei der nicht gewährten Halbwaisenpension wieherte weiterhin der Amtsschimmel bis zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien. Dem Halbwaisenkind wurde die Kindseigenschaft im Sinne der Voraussetzung für die Waisenpension gem. § 260 ASVG iVm § 252 Abs 2 Z 1 ASVG von der PVA und dem Arbeits- und Sozialgericht bzw. OLG Wien abgesprochen. Es galt in der Beurteilung der PVA und der Gerichte ausdrücklich nicht als Person nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, die sich in einer Schul- und Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht. Und dies, obwohl das Halbwaisenkind, Familienbeihilfe bezogen hat und ein ordentliches Studium bzw. die Vorbereitung zu diesem im Zuge einer Studienberechtigungsprüfung inklusive Kurse ernsthaft, zielstrebig und innerhalb der Mindestzeit von 1 Jahr, betrieben und absolviert wurde. Selbst bei Studienbeihilfen sind Personen, die zur Studienberechtigungsprüfung zugelassen wurden, ordentlichen Studierenden gleichgestellt (Verordnung des bm:ukk vom 28.11.08/BG Bl Nr. 426/2008), nicht aber bei Halb- bzw. Waisenpension.
Hier kann es sich nur um eine mutwillige Missinterpretation handeln, da die durch PVA und Arbeits- und Sozialgericht bzw. OLG Wien herangezogenen Argumente gegen die Anerkennung von Vorbereitungslehrgängen zur Studienberechtigungsprüfung im Gesamtkonnex nicht stichhaltig sind, sondern im Gegenteil den Geruch der Willkür und der Gleichheitswidrigkeit haben.
Die nachfolgende Anfrage an das zuständige Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) bzw. den zuständigen Sozialminister, der für Legistik und Rechtsaufsicht im Allgemeinen Sozialversicherungsrecht (ASVG) soll hier umfassende Aufklärung herbeiführen und einen Weg ausloten wo man aktuell, aber auch rückwirkend diese soziale Ungleichbehandlung beseitigt und rückgängig macht. Denn diese Ungerechtigkeit trifft vor allem jene, deren Eltern und Familienangehörige den sozialen Generationenvertrag mit ihren Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen über viele Jahre und Jahrzehnte finanziert haben bzw. noch finanzieren.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende
ANFRAGE
1) In wie vielen Fällen wurde die Waisenpension von der PVA seit dem 1. Jänner 2020 insgesamt abgelehnt?
2) In wie vielen Fällen wurde die Waisenpension im Zusammenhang mit § 260 ASVG iVm § 252 Abs 2 Z 1 ASVG von der PVA seit dem 1. Jänner 2020 abgelehnt?
3) Was waren die jeweiligen Gründe dafür?
4) Warum kam hier die Verordnung des bm:ukk vom 28.11.08/BG Bl Nr. 426/2008B als Rechtsgrundlage nicht zur Anwendung?
5) Werden Sie als zuständiger Sozialminister bzw. wird das BMSGPK hier eine authentische Interpretation durch einen Ministerialerlass bzw. eine Gesetzesnovelle ausarbeiten lassen, um hier Rechtssicherheit zu schaffen, die vor allem auch den sozialen Bedürfnissen und berechtigten Ansprüchen der betroffenen Waisen entspricht?
6) Wird diese Novelle im Sinne des Rechtsfriedens insbesondere auch die in den letzten zehn Jahren aufgetretenen Ungerechtigkeiten mit einer falschen bzw. einseitigen Auslegung des mit § 260 ASVG iVm § 252 Abs 2 Z 1 ASVG durch die PVA bzw. die Arbeits- und Sozialgerichte umfassen?
7) Wenn ja, bis wann (Frage 4 und 5)?
8) Wenn nein, warum nicht? (Frage 4 und 5)?