2746/J XXVIII. GP

Eingelangt am 27.06.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Lukas Hammer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft

betreffend EU Omnibusverordnung: was unternimmt die österreichische Bundesregierung gegen den drohenden Kahlschlag für Klima- und Umweltschutz?

BEGRÜNDUNG

 

Die EU-Lieferkettenrichtlinie[1] (auf Englisch: Corporate Sustainability Due Diligence Directive, abgekürzt CSDDD), die im Sommer 2024 in Kraft trat, ist ohne Zweifel ein Meilenstein in Richtung nachhaltiges und verantwortungsvolles Wirtschaften. Damit gibt es erstmals ein rechtlich bindendes Regelwerk, das sicherstellt, dass die Globalisierung fairer und sozial verträglicher wird. Kinderarbeit, das Aushebeln von Arbeitsschutz und das völlige Ignorieren von Umweltstandards soll damit zurückgedrängt werden. Bis Sommer 2026 müssen die Bestimmungen der CSDDD in nationales Recht gegossen werden. Mit 26. Juli 2027 wären die Bestimmungen der CSDDD für große Unternehmen in Kraft getreten.

Die Richtlinie soll sicherstellen, dass Unternehmen entlang ihrer gesamten globalen Lieferketten den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte beachten und dafür auch verantwortlich sind. Also auch dann, wenn diese Verletzungen durch Zulieferer oder Subunternehmen passieren. Damit soll dem Aushebeln von Umweltstandards und Menschenrechten entlang der weltweiten Wertschöpfungsketten endgültig ein Riegel vorgeschoben werden.

Auch bei der Berücksichtigung von Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf das Klima und den Schutz der Biodiversität werden große Unternehmen in die Pflicht genommen. So verpflichtet die CSDDD Unternehmen dazu, einen Klimaplan zu erstellen, um so zu gewährleisten, dass ihre Geschäftstätigkeit mit dem 1,5-Grad-Ziel des Abkommens von Paris in Einklang zu bringen ist.

Und: beim EU-Lieferkettengesetz handelt es sich keineswegs um einen Papiertiger. Unternehmen, die die vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten nicht einhalten, müssen mit empfindlichen Geldstrafen rechnen. So sieht die Richtlinie vor, dass als Höchststrafe mindestens eine Strafe von 5 % des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens vorzusehen ist. Um das zu verdeutlichen: im Falle der deutschen Volkswagen AG, die 2024 einen Umsatz von 324,7 Milliarden Euro erzielte[2], würde die Höchststrafe mindestens rund 16,2 Milliarden Euro betragen (!).

Doch obwohl das EU-Lieferkettengesetz gerade erst als Teil des Green Deals der EU in Kraft trat, und bis Sommer 2026 in nationales Recht umzusetzen wäre, rudert die EU-Kommission plötzlich zurück. Offenbar angetrieben von den schlechten Wirtschaftsdaten scheint die EU-Kommission stattdessen lieber in einen destruktiven Deregulierungswettbewerb mit den USA und China eintreten zu wollen.

Am 26. Februar 2025 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag zur sogenannten „Omnibus-Verordnung“[3]. Mit diesem Vorschlag sollen die Verpflichtungen aus der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD), der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD), der Taxonomie-Verordnung und auch der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) abgeschwächt werden mit dem Ziel, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren.

Im Bereich der EU-Lieferkettenrichtlinie sollen unter anderem die einheitlichen zivilrechtlichen Haftungsregeln fallen. Weiters sollen die minimalen Höchststrafen abgeschafft werden.

Ganz generell sollen Schwellenwerte, ab welcher Größe Unternehmen in den Anwendungsbereich der jeweiligen Richtlinien fallen angehoben und die Anwendbarkeit nach hinten verschoben werden.

Die Vorschläge gehen jetzt an das Europäische Parlament und den Rat, die darüber beraten und entscheiden werden.

Am 3. April 2025 hat das EU-Parlament der Verschiebung des Inkrafttretens der Regelungen der CSDDD um ein Jahr zugestimmt.[4]

Es ist zu befürchten, dass durch die in den Omnibus-Verordnungen vorgesehenen Abschwächungen die EU-Lieferkettenrichtlinie sowie die Nachhaltigkeitsberichts-pflichten massiv abgeschwächt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

Zum „EU-Lieferkettengesetz“ (CSDDD) und Omnibus:

1)    Wie entsteht die Position der österreichischen Bundesregierung zum Omnibus-I-Vorschlag der EU-Kommission und welche Rolle spielt Ihr Ministerium dabei (um eine chronologische und detaillierte Auflistung des Entscheidungsfindungs-prozesses wird ersucht)?

2)    Die letzte Regierung hat einen transparenten Beteiligungsprozess mit NGOs und Sozialpartnern zur Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) durchgeführt. Inwieweit ist auch bei der möglichen Umsetzung/Abänderung des Omnibus-I-Vorschlags der EU-Kommission eine Einbindung dieser und weiterer Stakeholder geplant?

3)    Der Omnibus deckt sich weitgehend mit den Vorschlägen des Bundesverbandes der deutschen Industrie[5]. Welche Position vertreten Sie bzw. die österreichische Bundesregierung auf europäischer Ebene zu den einzelnen Vorschlägen des Omnibus I-Vorschlags und ihrer Wirkung auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz im Allgemeinen?

4)    Zur angedachten Streichung der einheitlichen zivilrechtlichen Haftung: Dies würde zu 27 unterschiedlichen Haftungsregelungen führen – eine deutliche Verkomplizierung gegenüber der ursprünglichen Richtlinie und damit eigentlich das Gegenteil von Bürokratieabbau. Wie positioniert sich die österreichische Bundesregierung bzw. welche Position vertreten Sie in den laufenden Verhandlungen zur geplanten Abschwächung der EU-weiten zivilrechtlichen Haftung nach Art. 29 CSDDD?

5)    Ist Ihnen bekannt, dass die Vereinten Nationen am 20. März 2025 darauf hingewiesen haben, dass die durch die Omnibus Verordnung vorgeschlagenen Änderungen „nicht im Einklang mit den UNGPs“ (UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte)  stehen[6]?

a.    Fließt diese Information in die österreichische Verhandlungsposition in Brüssel ein?

                                  i.    Wenn ja: in welcher Form?

                                ii.    Wenn nein: warum nicht?

6)    Hat Österreich an der Auftaktsitzung der OECD Inclusive Platform on Due Diligence Policy Cooperation am 17. März 2025 teilgenommen, die zur Weiterverfolgung dieser Verpflichtungen eingerichtet wurde?

a.    Wenn ja: welche Positionen wurden dort von österreichischer Seite durch wen vertreten?

b.    Wenn nein: warum nicht?

7)    Zur Strafhöhe: Im Omnibus-I-Vorschlag der EU-Kommission ist die Streichung der minimalen Maximalstrafe vorgesehen. Die Erfahrung aus der Konfliktmineralien-Verordnung zeigt, dass die Mitgliedsstaaten, sofern Spielraum bei den Strafen besteht, sehr unterschiedliche Strafhöhen wählen und damit die Wirkung des Gesetzes verschlechtern (2.000 Euro in Österreich, 50.000 Euro in Deutschland, 100.000 Euro in Luxemburg). Vorgesehen ist laut in Kraft getretener CSDDD mindestens 5% des Umsatzes im Vorjahr als Maximalstrafe. Was ist die Position der österreichischen Bundesregierung zur geplanten Streichung der minimalen Höchststrafe?

8)    Der Finanzsektor wurde aus der CSDDD teilweise ausgenommen – aber es besteht eine 5-jährige Review Clause. Auch diese Review Clause soll jetzt laut Omnibus-Vorschlag fallen. Was ist Ihre Position bzw. die Position der österreichischen Bundesregierung in den Verhandlungen auf EU-Ebene?

 

Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) und Omnibus

 

9)    Erste Analysen[7] zeigen, dass die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Schwellenwerte für die CSRD dazu führen könnten, dass Hochrisikobranchen wie die Zementindustrie und der Immobiliensektor in einem mittelstandsgeprägten Land wie Österreich weitgehend oder vollständig von der Berichtspflicht ausgenommen werden. Gleichzeitig müssten Sozialunternehmen mit deutlich geringeren Klima- und Umweltrisiken weiterhin berichten.

a.    Wie stellen Sie bzw. die österreichische Bundesregierung sicher, dass Branchen mit erheblichen Umwelt- und Klimarisiken nicht aus der Berichtspflicht herausfallen und die Ziele der Gesetzgebung tatsächlich erreicht werden?

b.    Welche Position vertreten Sie diesbezüglich in den Verhandlungen auf EU-Ebene?

 

Taxonomie und Omnibus

10) Die massive Erhöhung der Schwellenwerte in der Taxonomie-Verordnung führt dazu, dass nur noch wenige Unternehmen in Österreich verpflichtet sind, Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalysen durchzuführen. Angesichts absehbarer Klimafolgeschäden, die sowohl die finanziellen Kapazitäten der öffentlichen Hand als auch die Belastbarkeit der Versicherungswirtschaft übersteigen könnten, wächst die Sorge über unzureichende Vorsorgemaßnahmen. Auch der Vorstand der Allianz SE hat kürzlich vor diesen Risiken gewarnt.[8]

a.    Wie stellen Sie bzw. die österreichische Bundesregierung sicher, dass Unternehmen sich angemessen mit ihren Klima- und Umweltrisiken auseinandersetzen und wirksame Maßnahmen ergreifen, um eine zusätzliche Belastung öffentlicher Budgets zu vermeiden?

b.    Welche Position vertreten sie diesbezüglich in den Verhandlungen auf EU-Ebene?

11) Wurde eine entsprechende Folgenabschätzung durchgeführt um unerwünschte Auswirkungen des Omnibus auf den Österreichischen Klimafahrplan und die Sicherheit der Menschen in Österreich zu vermeiden?

a.    Wenn ja: Durch wen, in wessen Auftrag und mit welchen Ergebnissen?

b.    Wenn nein: warum nicht?

12) Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Anpassungen der Do No Significant Harm-Kriterien in der Taxonomie-Verordnung könnten dazu führen, dass hochproblematische Chemikalien künftig als nachhaltige Investitionen gelten. Dazu zählen unter anderem Galaxolid (ein Duftstoff mit potenziell hormonstörender Wirkung), NBBS (ein Weichmacher, der das Nervensystem beeinträchtigen kann) und TFA (eine besonders persistente Chemikalie, die sich in der Umwelt anreichert) (ChemSec-Analyse). Diese Stoffe stecken in Kosmetika, Kunststoffen und Textilien – und können sowohl der Gesundheit als auch der Umwelt schaden. Trotzdem könnten Firmen, die sie herstellen oder nutzen, bald als „grün“ eingestuft werden. Welche Position vertreten sie diesbezüglich in den Verhandlungen auf EU-Ebene?

 



[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32024L1760

[2] https://www.volkswagen-group.com/de/pressemitteilungen/volkswagen-group-mit-solidem-jahresergebnis-2024-und-robustem-ausblick-19043

[3] https://commission.europa.eu/publications/omnibus-i_en

[4] https://www.derstandard.at/story/3000000264198/eu-parlament-stimmt-verschiebung-des-lieferkettengesetzes-zu

[5] https://www.aefinfo.fr/assets/medias/documents/5/5/554197.pdf

[6] https://www.business-humanrights.org/en/latest-news/eu-un-experts-warn-omnibus-simplification-package-undermines-un-guiding-principles-on-business-and-human-rights/

[7] https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=5195189

[8] https://www.linkedin.com/pulse/climate-risk-insurance-future-capitalism-g%C3%BCnther-thallinger-smw5f/?trackingId=2d5UeHE0QaqNqima0xZdaQ%3D%3D