2751/J XXVIII. GP

Eingelangt am 09.07.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur

betreffend Sind die öffentlichen Verkehrsmittel wirklich schon zum größten Teil umfassend barrierefrei, Herr Minister Hanke?

BEGRÜNDUNG

Im neuen Rahmenplan der ÖBB 2025 bis 2030 sind insgesamt 39 Millionen Euro, oder 13,7 Prozent weniger für Barrierefreiheit vorgesehen, als im Rahmenplan der ÖBB von 2024-2029. Dies ist eine stärkere Kürzung als im Rahmenplan insgesamt, wo etwa sieben Prozent eingespart werden. Im Ö1 Morgenjournal vom 17. Juni 2025 verteidigte Verkehrsminister Hanke die Einsparungen damit, dass der öffentliche Verkehr bereits zum größten Teil barrierefrei zugänglich sei.

Nun haben die ÖBB in den letzten Jahren tatsächlich einiges in Barrierefreiheit investiert, insbesondere bei Bahnhöfen mit einem Fahrgastaufkommen von mehr als 2000 Personen pro Tag. 2024 sollte demnach 88 Prozent der Fahrgäste einen barrierefreien Bahnhof vorgefunden haben, was jedoch im Umkehrschluss bedeutet, dass ca. jeder achte Fahrgast auf nicht barrierefreien Bahnhöfen unterwegs ist[1]. Glaubt man den Erfahrungen von Personen mit Behinderungen, gibt es gerade bei Bahnhöfen mit geringerer Frequenz noch viel zu tun. Diese ergab sich durch die ni den Erläuterungen zum BGStG vorgesehene Priorisierung von Bahnhöfen mit höherer Frequenz, in Landes- und Bezirkshauptstätten und Umsteigeknoten. Um den wirtschaftlichen Aufwand zumutbar zu halten, erschien die Herstellung von Barrierefreiheit bei kleinen Bahnhöfen während der Übergangsfristen des BGStG bis 2016 als nicht prioritär. Diese Bestimmungen sollen so die Erläuterungen allerdings vor dem Hintergrund der Übergangsbestimmungen gelesen werden. Da diese mit dem Jahr 2016 ausgelaufen sind, erscheint es zulässig bei der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einen strengeren Maßstab anzulegen.

Denn diese Bahnhöfe mit geringerer Nutzungsfrequenz Bahnhöfe befinden sich häufig im ländlichen Bereich, wo das Angebot an (barrierefreien) öffentlichen Verkehrsmitteln ohnehin schon dünn gesät ist. Sind dann auch noch die wenigen vorhandenen Öffis nicht barrierefrei nutzbar, sind Personen mit Behinderungen häufig gänzlich vom öffentlichen Verkehr ausgeschlossen und auf Privat-PKWs oder Fahrdienste angewiesen. Letztere sind aber gerade im ländlichen Raum außer für Krankentransporte häufig nicht verfügbar.

Gibt es doch einen barrierefreien Bahnhof, so scheitert die Benützung häufig an der Überwindung der „letzten Meile“. Das heißt, dass keine barrierefreien Zubringerbusse, barrierefreie Mikro-ÖV-Angebote, Car-Sharing-Fahrzeuge oder barrierefreie Taxis vorhanden sind, die Personen zum Bahnhof bringen, wenn ein Fußweg zu weit ist. Schaffen es Menschen mit Behinderung in einen barrierefreien Bahnhof, stehen ihnen gerade auch im Lokal- und Regional-Verkehr häufig keine barrierefreien Zuggarnituren zur Verfügung. Die fehlende Barrierefreiheit macht den öffentlichen Verkehr aber nicht nur für Menschen mit Behinderungen unbenützbar, sondern auch für Menschen ohne Behinderungen unattraktiv. Fehlende Aufzüge und barrierefreie Zubringerbusse sind auch für Eltern mit Kinderwägen oder Personen mit schwerem Gepäck ein Problem. Der Schluss liegt nahe, dass sich das auch auf die Fahrgastzahlen auswirkt und die Menschen aufs eigene Auto setzen (müssen).

Dies alles zeigt, dass der öffentliche Verkehr bei weitem noch nicht für alle gleichermaßen zugänglich ist. Ein detaillierter Überblick über den baulichen Ist-Stand aller Bahnhöfe (unabhängig von der Frequenz) ist wichtig, um zukünftige Investitionsbedarfe auch für den dünn besiedelten ländlichen Raum abschätzen zu können.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)   Bitte geben Sie für alle Bahnhöfe mit Personenverkehr unter Nennung der Standortgemeinde und Postleitzahl an, ob diese gemäß der §6, Abs. 5 für Menschen mit verschiedenen Behinderungen barrierefrei nutzbar sind.

2)   Welche Bahnhöfe mit Personenverkehr in Landeshauptstädten sind nicht barrierefrei nutzbar?

3)   Welche Bahnhöfe mit Personenverkehr in Bezirkshauptstädten sind nicht barrierefrei nutzbar?

4)   Welche Bahnhöfe auf Hochleistungstrecken sind als Umsteigeknoten nicht barrierefrei nutzbar?

5)   Welche Bahnhöfe mit einer Frequenz von mehr 2 000 Personen pro Tag sind nicht barrierefrei nutzbar?

6)    Geben Sie bitte für jeden Bahnhof mit Personenverkehr unter Einbindung aller Privatbahnen, die in Verkehrsverbünden Leistungen erbringen unter Angabe der Postleitzahl und der Standortgemeinde an, ob folgende Barrierefreiheitskriterien erfüllt sind oder nicht

·         Behindertenparkplätze

·         Barrierefreier Eingang in den Bahnhof (stufenlos/mit barrierefreiem Lift/ barrierefreier Rampe)

·         Barrierefreier Zugang zum Bahnsteig (niveaugleich, ohne Gleisquerung oder Zugang mit Barrierefreier Rampe /Aufzug

·         Barrierefreier Einstieg vom Bahnsteig in den Zug: Niveaugleicher Einstieg in den Zug vom Bahnsteig aus möglich/ Einstieg mit Rampe/Einstieg mit Hublift am Bahnsteig/Einstieg mit wagengebundenem Hublift

·         Barrierefreie WCs am Bahnhof (wenn andere Fahrgast-WCs vorhanden sind)

·         Blindenleitsystem im Bahnhof

·         Blindenleitsysteme am Bahnsteig

·         Taktile Information auf Handläufen

·         Angebot von Fahrgastinformationen nach dem Zwei-Sinne-Prinzip: optisch­akustisch bzw. optisch-taktil

·         Ticketkauf: am Schalter möglich/nur Automat

·         Ticketkauf am Automat: Automaten in niedriger Höhe, Automat per Sprachausgabe oder taktilen Informationen bedienbar/Kontrastreiche Darstellung/Schriftgröße/Einfache Sprache einstellbar

·         Barrierefreie Notrufeinrichtung

7)    Welche Bahnstrecken planen Sie still zu legen und wie viele barrierefreie Bahnhöfe liegen an von Stilllegung betroffen Bahnstrecken?

8)    Welche Bahnhöfe der durch Stilllegung betroffenen Bahnstrecken sind mit barrierefreien/rollstuhlgerechten Anrufsammeltaxi Angeboten erschlossen? Bitte um Listung der Bahnhöfe und der barrierefreien/rollstuhlgerechten Anrufsammeltaxi Angebote am Bahnhof

9)    An welchen Bahnhöfen in Österreich besteht die Möglichkeit der Ankunft oder Weiterfahrt mit einem barrierefreien/rollstuhlgerechten Anrufsammeltaxi beispielsweise durch Einbindung in ein Mikro ÖV System? (best practice Bsp. Post Bus Shuttle Liesingtal - Postbus)

Bitte um Listung der Bahnhöfe und der barrierefreien Anrufsammeltaxi Angebote am Bahnhof

10) Wie viele Fahrzeuge des Rail&Drive-Angebots sind rollstuhlgerecht mit Rampe umgebaut, sodass der Rollstuhl beim Einsteigen nicht verlassen werden muss (als Beifahrer oder zum Selbstfahren)

11) Wie viele Fahrzeuge des Rail&Drive-Angebots sind mit Handgas für selbstfahrende Rollstuhlfahrer ausgestattet?

12) Welche Schritte planen Sie, um die ÖBB-Bahnhöfe durch Anbindung an barrierefreie/rollstuhlgerechte Anrufsammeltaxisysteme und Rail&Drive zu attraktiveren und die Zahl der Nutzer*innen zu erhöhen?

13) Derzeit wird von den ÖBB für Strecken ohne Oberleitung der Betrieb des Akku­Zuges „Enzo“ geplant, welcher von der Firma Stadler gebaut wird. In die Entwicklung dieses Zuges wurden auch Expert:innen für Barrierefreiheit miteinbezogen, sodass dieser Zug, im Gegensatz zu den alten Diesel-Zügen, auch für Menschen mit Behinderungen gut nutzbar sein sollte. Auf welchen Strecken ist geplant, diesen Zug einzusetzen?

14) Auf welchen Personenverkehrsstrecken ohne Oberleitung wäre der Einsatz dieses barrierefreien Akkuzuges technisch möglich?



[1] https://bericht.oebb.at/dam/jcr%3A82ee717b-7b35-4d0e-855e-ecde9fbd985c/oebb-zahlen-daten-fakten-2024-2025.pdf?utm_source=chatgpt.com