2761/J XXVIII. GP

Eingelangt am 09.07.2025
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ANFRAGE

des Abgeordneten Mag. Norbert Nemeth

an den Bundeskanzler

betreffend Bewertung der EMRK im Hinblick auf irreguläre Migration

 

Am 22. Mai 2025 initiierten Italien und Dänemark einen offenen Brief, in dem eine Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) angeregt wurde. In dem zweiseitigen Schreiben heißt es:

 

„Wir glauben auch, dass es notwendig ist, zu analysieren, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Auslegung der Europäischen Menschen-rechtskonvention entwickelt hat. […]

Wir glauben, dass die Entwicklung der Auslegung des Gerichtshofs in einigen Fällen unsere Fähigkeit, politische Entscheidungen in unseren Demokratien zu treffen, eingeschränkt hat.“ [1]

 

Der Brief wurde von neun Staats- und Regierungschefs unterzeichnet. Darunter auch vom österreichischen Bundeskanzler Christian Stocker.

 

In einem Beitrag mit dem Titel „Universelle Weltordnung und Demokratie in der Zeitenwende. Die universelle Weltordnung weicht dem Recht des Stärkeren“ führte der ehemalige ÖVP-Klubobmann Andreas Kohl aus:

 

„Zurückweisungen an der Grenze wurden unmöglich, wenn die legal oder illegal einreisende Person das Zauberwort „Asyl" aussprach Alle derzeit nahezu panisch gesuchten Wege der Union, der unter dem Vorwand der Asylsuche über Europa hereingebrochenen illegalen Einwanderung ein Ende zu bereiten, müssen so lange scheitern, als Art. 3 EMRK (und die korrespondierenden Bestimmungen der EGC) sowie die Bestimmungen aus dem Amsterdamer Vertrag in Teil V des EU-Vertrags (Art. 67 ff.) unverändert gelten.

Eine wirksame Eindämmung der illegalen Einwanderung wird erst nach geeigneten Maßnahmen, wie z.B. einer authentischen Interpretation des Art. 3 EMRK oder einer vertragsrechtlichen Maßnahme zur Verhinderung des Missbrauchs des Rechts auf ein Asylverfahren im Inland erfolgen können.“[2]

 

Auch innerhalb der SPÖ mehren sich die Stimmen, die eine Reform der EMRK fordern. In einem Blog schreibt der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser:

 

„[…] Heute, mehr als 70 Jahre später, stehen wir vor neuen Herausforderungen, die eine verantwortungsvolle, ergebnisoffene und sachliche Diskussion über die Weiterentwicklung dieser Konvention erfordern [...]. Die Österreichische Bundesverfassung wurde seit ihrem Inkrafttreten 1920 mehr als hundert Mal novelliert. [...] Warum also sollte ausgerechnet die EMRK einem nahezu heiligen, unveränderbaren Status unterliegen.“[3]

 

Von Seiten der FPÖ wurden die Probleme der EMRK und ihrer Auslegung weitaus früher erkannt. Der damalige FPÖ-Generalsekretär und heutige Bundesparteiobmann Herbert Kickl thematisierte schon vor über 10 Jahren den Reformbedarf der EMRK und ihrer Auslegungen. Er nahm dazu wie folgt Stellung:

 

„Die ÖVP ist offenbar nicht bereit, in der sogenannten Flüchtlingsfrage die Ursachen zu thematisieren und an die Wurzel des Problems zu gehen: Die Europäische Menschenrechtskonvention ist nicht dazu geeignet, die Völkerwanderungsproblematik in den Griff zu kriegen. Sie muss entweder auf EU-Ebene erneuert oder durch eine ‚Österreichische Menschenrechts-konvention‘ ersetzt werden. Sonst wird das hohe Gut Asyl dauerhaft zum Einfallstor für die illegale Masseneinwanderung. […] Wenn die Regierung, allen voran die ÖVP, die augenscheinlich von einer Scheinlösung zur nächsten mäandert, an einer echten Lösung des Problems interessiert ist, an einer Lösung, bei der die österreichische Bevölkerung nicht unter die Räder kommt, ist sie aufgefordert, den Vorschlag der FPÖ für eine Erneuerung der Europäischen Menschenrechtskonvention beziehungsweise für ein österreichisches Modell aufzugreifen."[4]

 

Diese Aussage wurde vom damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter im Kurier Artikel vom 26. August 2015 mit dem Titel „Kickl ist Totengräber des Abendlandes“ scharf kritisiert:

 

„Wer die Änderung der Menschenrechtskonvention oder gar deren Beseitigung fordert, der bewegt sich in Österreich außerhalb des Verfassungsbogens."[5]

 

Die damalige Kritik an Herbert Kickl steht heute im diametralen Gegensatz zur aktuellen Haltung der Bundesregierung – und insbesondere der ÖVP –, die mittlerweile genau jene Forderungen unterstützt, für die Herbert Kickl vor zehn Jahren noch massiv angegriffen wurde.

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage

 

1.    Welche konkreten Maßnahmen zur Anpassung der EMRK werden derzeit von der Bundesregierung in Aussicht genommen?

2.    Hält die Bundesregierung die geltende EMRK in ihrer derzeitigen Auslegung für vereinbar mit einer wirksamen Kontrolle irregulärer Migration?

3.    Sieht die Bundesregierung Reformbedarf bei einzelnen Bestimmungen der EMRK, insbesondere hinsichtlich Art. 3?

4.    Gibt es Überlegungen auf europäischer oder nationaler Ebene, die EMRK authentisch zu interpretieren oder ergänzend auszulegen?



[1]   https://www.governo.it/sites/governo.it/files/Lettera_aperta_22052025.pdf

[2]   Österreichisches Jahrbuch für Politik 2023, S. 115

[3]   https://kaiser-peter.at/post/die-europaeische-menschenrechtskonvention-ein-fundament-das-wir-nicht-zertruemmern-sondern-tragfaehig-halten-muessen-4/

[4]   https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150823_OTS0023/asyl-kickl-fpoe-fordert-aenderung-der-menschenrechtskonvention-statt-oevp-scheinloesungen

[5]   https://kurier.at/politik/inland/kickl-ist-totengraeber-des-abendlandes/149.193.964