2796/J XXVIII. GP
Eingelangt am 09.07.2025
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ANFRAGE
des Abgeordneten MMag. Dr. Michael Schilchegger
an den Bundeskanzler
betreffend Tätigkeitsbericht der Bundesstelle für Sektenfragen 2024
Der Tätigkeitsbericht 2024 der Bundesstelle für Sektenfragen präsentiert sich als umfangreiche Bestandsaufnahme angeblicher Gefährdungen durch sogenannte „Sekten“, esoterische Gruppen und alternative Lebensmodelle.[1]
Die Bundesstelle, angesiedelt im Bundeskanzleramt, berichtet dabei von einem starken Anstieg an Kontakten und Beratungsfällen, wobei sich diese in Zahlen zwischen absolut vernachlässigbar und absolut entbehrlich bewegen.
Insgesamt handelt es sich weniger um einen faktengetriebenen Bericht, als um die Beobachtung von Protestbewegungen und alternativen Weltanschauungen durch eine staatliche Stelle, was grundsätzliche Fragen zur Wahrung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit aufwirft. Im Bericht fehlt eine klare, nachvollziehbare Abgrenzung zwischen tatsächlichen Gefährdungen und bloßen Abweichungen vom gesellschaftlichen Mainstream. Damit erhält eine kleine, nicht demokratisch legitimierte Behörde erhebliche Definitionsmacht über gesellschaftlich akzeptable Weltanschauungen.
Die Tendenz, sich in Fragen der Kindererziehung, Spiritualität oder alternativer Heil-methoden einzumischen, widerspricht dem liberalen Grundsatz der Eigen-verantwortung und Selbstbestimmung der Bürger und ist eines Rechtsstaates unwürdig. Dieser Bericht ist damit nichts Anderes als Ausdruck eines überbordenden staatlichen Kontrollanspruchs gegenüber alternativen Lebensentwürfen und kritischen Bürgern. Die Bundesstelle für Sektenfragen sollte sich auf echte Gefährdungslagen konzentrieren und die Grundrechte auf Meinungs-, Glaubens- und Versammlungs-freiheit strikt achten. Eine umfassende Evaluierung der Aufgaben, der Effizienz und der demokratischen Legitimation dieser Behörde ist dringend geboten.
In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage
1. Nach welchen objektiven und transparenten Kriterien erfolgt die Bewertung von weltanschaulichen Gruppierungen als relevant für die Sektenstelle?
a. Wie wird sichergestellt, dass die Meinungs- und Versammlungsfreiheit gewahrt bleiben?
2. Wie werden die Teilnehmer des „Bundesweiten Netzwerk Extremismus-präventon und Deradikalisierung (BNED)“ ausgewählt?
a. Wer sind die Teilnehmer derzeit?
3. Nach welchen transparenten und objektiven Kriterien werden die jährlichen Schwerpunkte der Aktivitäten der Sektenstelle ausgewählt?
4. Inwieweit sollen die erhobenen Zahlen zu den Kontakten und Beratungsfällen tatsächlich eine gesellschaftliche Relevanz und das Gefährdungspotenzial von untersuchten Gruppen widerspiegeln, wenn diese kaum existenten sind?
a. Wie kann aus dem Kapitel „Zahlen, Daten, Fakten“ auf die Schweregrade und Kritikalität der Kontakte geschlossen werden?
5. Wie wird bei der Auswahl der Aktivitäten sichergestellt, dass keine gesellschaftlichen Trends oder Gruppen überproportional problematisiert oder stigmatisiert werden?
6. Auf welcher Basis erlaubt sich die Sektenstelle die Einordnung von Personen und Medien als „rechtsextrem“ bzw. „esoterisch“?
7. Auf welcher Basis erfolgt eine Unterscheidung in Sekten und legitime Weltanschauungen?
8. Inwieweit nimmt die Sektenstelle Rücksicht auf die Grundrechte sowie den Datenschutz, wenn diese „tonangebende Akteurinnen und Akteure identifiziert“ und damit Befugnisse von Ermittlungsbehörden an sich reißt?
9. Inwieweit stehen der Fokus der Sektenstelle auf die Corona-Proteste und tatsächlichen klassischen sektenbezogenen Themen (wie beispielsweise Scientology) in Relation?
10. Weshalb wird beispielsweise ein Markus Streinz mit ca. 2.500 Abonnenten auf Youtube, als relevanter Charakter für kritische Online-Coaches genannt und im Bericht verarbeitet?
11. Weshalb werden Gruppierungen wie Extinction Rebellion und andere Ökogruppierungen, welche ebenfalls eine Weltuntergangsrhetorik betrieben, nicht von der Sektenstelle berücksichtigt?
12. Weshalb liegt der Fokus des Monitorings und der Berichterstattung allgemein nicht auf linksextremen regierungskritischen Netzwerken?
13. Wie ist die Tätigkeit der Bundesstelle mit dem Prinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates vereinbar, wenn es eindeutig zu einer Bewertung von Lebensmodellen durch die Autoren kommt?
14. Wie wird die Effizienz und der tatsächliche gesellschaftliche Nutzen der Bundesstelle überprüft und wie oft wird dieser evaluiert?
a. Wann fand die letzte Evaluierung statt?
15. Wieso wird im Bericht ein Fokus auf „neuheidnische“ Gruppierungen gelegt, welche in der Bevölkerung nur einen Promillebereich ausmachen und zu welchen es laut Eigenaussage nur 2 Anfragen gab?
16. Weshalb wird im Bericht nicht auf Anfragen an die Sektenstelle zum Thema Islam (mit 9 Beratungen) eingegangen?
17. Weshalb wird im Bericht im Kontext der extrem rechten „Demokratiefeinde“ auf Fälle aus Deutschland eingegangen, wenn dieses Thema aufgrund mangelnder Fälle anscheinend keine Relevanz für Österreich besitzt?
18. Auf Basis welcher wissenschaftlichen Evidenz wird das Thema Homeschooling mit Queer-Feindlichkeit und Rassismus in Verbindung gebracht? (Bitte hierzu um Anführung aller Quellen)
19. Auf welcher wissenschaftlichen Basis erfolgt die Argumentation, dass die Abwertung und Ablehnung queerer Identitäten zu diskriminierenden oder gewalttätigen Handlungen führen? (Bitte hierzu um Anführung aller Quellen)
20. Wie konnte die Zeitung „Wochenblick“ noch im Jahr 2023 Corona-kritische Informationen verbreiten, wenn diese 2022 eingestellt wurde?
21. Inwieweit kann die Teilnahme an Corona-Demonstrationen als demokratie-feindlich verstanden werden?
22. Weshalb wird im Kapitel „Neopaganismus Reloaded: Neues Nischen-Netzwerk“ nur auf in deutsche Staatsbürger eingegangen?
a. Wie viele österreichische Staatsbürger sind als relevante Verbeiter von Inhalten mit Bezug zum Neopaganismus eingestuft?
[1] https://bundesstelle-sektenfragen.at/wp-content/uploads/Taetigkeitsbericht-2024.pdf (abgerufen am 30.06.2025)