2846/J XXVIII. GP
Eingelangt am 10.07.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Sigrid Maurer, Leonore Gewessler, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Bildung
betreffend Umsetzungsstand der Forderungen aus dem offenen Brief der Eltern des BORGs Dreierschützengasse
BEGRÜNDUNG
Der tragische Amoklauf am BORG Dreierschützengasse am 10. Juni 2025 hat nicht nur Menschenleben gefordert, sondern das Leben vieler junger Menschen, Lehrpersonen, Eltern und Angehöriger tief erschüttert. Die Betroffenheit reicht weit über die unmittelbar Beteiligten hinaus – das Ereignis stellt auch das Bildungssystem insgesamt vor große Herausforderungen: psychologisch, organisatorisch und gesellschaftlich.
In einem offenen Brief[1] haben Eltern der betroffenen Schüler:innen auf eindrucksvolle Weise gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Betroffenen nicht nur gehört, sondern auch aktiv in die nächsten Schritte eingebunden werden. Ihre Forderungen sind differenziert, konstruktiv und getragen von einem tiefen Verantwortungsbewusstsein – für ihre Kinder, für die Schule, für einen gemeinsamen Weg zurück in den Alltag. Sie verlangen keine einfachen Antworten, sondern maßgeschneiderte, traumasensible und zukunftsfähige Lösungen.
Als Grüne wollen wir diesen Prozess auch in unserer neuen Rolle in der Opposition konstruktiv begleiten: Dort, wo rasche und praktikable Lösungen gebraucht werden, werden wir sie unterstützen – so wie wir es zuletzt etwa im Rahmen der Maturaerleichterungen nach dem Amoklauf getan haben. Gleichzeitig sehen wir es als unsere demokratische Verantwortung, parlamentarische Instrumente zu nutzen, um Fragen zu stellen, Transparenz herzustellen und die Anliegen der Betroffenen sichtbar zu machen.
Diese Anfrage dient genau diesem Ziel: Wir wollen nachvollziehbar machen, welche der im offenen Brief formulierten Anliegen bereits umgesetzt wurden, welche Schritte noch geplant sind und wo es – aus Sicht des Ministeriums – womöglich auch gute Gründe gibt, bestimmte Maßnahmen in anderer Form zu gestalten. Gerade in solch sensiblen Situationen braucht es eine offene, ehrliche und kontinuierliche Kommunikation mit allen Beteiligten. Denn Vertrauen entsteht dort, wo Entscheidungen transparent begründet und gemeinsam getragen werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
Schulgebäude & Rückführung – partizipativer Prozess mit fachlicher Expertise
1. Welche konkreten Schritte wurden bisher zur Rückführung in das Schulgebäude gesetzt?
2. Wie stellen Sie Ihrerseits sicher, dass keine vorschnellen Sanierungen oder Rückführungen erfolgen, die retraumatisierend wirken könnten?
3. Ist die Einbindung internationaler Fachexpert:innen aus der Psychotraumatologie und Schulentwicklung (etwa Dr. Jens Hoffmann, Dr. Frank Robertz sowie Exert:innen des National Research Council (USA) und vergleichbarer Institutionen sowie Michaela Harper vom Österreichischem Zentrum für Traumapädagogik, Rose Welker, Ralph Kortewille, Tita Kern oder Simon Finkeldei etc.) geplant? Wenn ja, in welcher Form und wie ist diese Einbindung ausgestaltet? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
4. Wird es einen verbindlichen partizipativen Prozess unter Einbeziehung von Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern zur Frage des Wiederbezugs oder möglicher baulicher Umgestaltungen des Schulgebäudes geben? Wenn ja, wie ist dieser ausgestaltet? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
5. Wird eine Verschiebung des Schulbeginns im Herbst 2025 für den betroffenen Standort geprüft? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
6. Welche Maßnahmen wurden zur Schaffung eines traumasensiblen schulpsychologischen und therapeutischen Unterstützungsangebots am Standort getroffen? Wird dabei ein nachgehender Horne-Treatment-Ansatz verfolgt? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
7. Ist ein dauerhaftes, multiprofessionelles Auffangnetz vorgesehen, das niedrigschwellig, ohne Anwesenheitszwang im Unterricht, nutzbar ist? Wenn ja, wie ist dieses ausgestaltet? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
Wiederaufnahme des Unterrichts und Leistungsanforderungen – traumasensible Anpassungen bis zur Matura
8. Wird ein traumasensibles Gesamtkonzept für die Wiederaufnahme des Unterrichts mit interdisziplinärer Fachexpertise entwickelt und in welcher Phase befindet sich dieses?
9. Wird es schulrechtlich abgesicherte Ausnahmeregelungen für Leistungsanforderungen für die betroffene Schule geben (z.B. reduzierte Schularbeitenanzahl, alternative Leistungsnachweise etc.)? Wenn ja, welche und können diese in Härtefällen an die jeweilige Person angepasst werden? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
10. Wird es die Möglichkeit Hybridunterricht als gleichwertige Form zur Teilnahme in Präsenz geben bzw. werden alternative Online-Unterrichtsformate erarbeitet? Wenn ja, welche? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
11. Sind individuelle Lernbegleitung bzw. andere Unterstützungsformate und/oder ein Nachteilsausgleich bei längeren Fehlzeiten geplant? Wenn ja, welche? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
12. Wird es individuelle Lösungen bei der Anwesenheit und Leistungserbringung geben, wie z.B. Rückzugsräume, individuelle Pausen oder Verlängerung der Arbeits- bzw. Präsentationszeiten bei Prüfungen etc.? Wenn ja, welche? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
13. Sind traumapädagogische Fortbildungen oder Psychoedukationsangebote für Lehrkräfte geplant, die auf Flashbacks, Panikattacken oder andere akute Symptome im Schulalltag vorbereiten? Wenn nein, welche Gründe gibt es dafür?
14. Wie wird sichergestellt, dass es am Standort eine laufend evaluierende Struktur gibt, die die Formate des Lernens, der Leistung und der Begleitung anpasst? Wie werden Eltern in diesen laufenden Abstimmungsprozessen beteiligt?
15. Wird es einen sicheren Rechtsrahmen geben, der diese Ausnahmeregelungen absichert?
Transparenz, Beteiligung & Sicherheit – gemeinsame Verantwortung
16. Ist die Schaffung einer schulstandortbezogenen Steuerungsgruppe vorgesehen, wie von den Eltern gefordert? Wenn ja, wie wird deren Zusammensetzung und Aufgabe geregelt?
17. Welche Schritte werden gesetzt, um transparente Kommunikation zwischen Bildungsdirektion, Schule und Eltern zu gewährleisten, um eine vertrauensvolle und offene Kommunikation zu schaffen, und damit möglichst viel Sicherheit für alle?
18. Wie wird sichergestellt, dass Eltern auch direkt – und nicht ausschließlich über ihre Kinder – über wesentliche Entwicklungen informiert werden?
19. Welche Maßnahmen sind geplant, um ein klares Sicherheits- und Orientierungssystem für Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern zu etablieren?
20. Wie wird die Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit der beschlossenen Maßnahmen sichergestellt insbesondere in einem Umfeld mit unterschiedlichen individuellen Haltungen und Bedürfnissen?
[1]https://www.schule.at/fileadmin/schule.at/News/2025/Dateien/OffenerBrief_Elternverein_Dreierschuetzengasse.pdf