2847/J XXVIII. GP

Eingelangt am 10.07.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Barbara Neßler, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Innovation, Mobilität und Infrastruktur

betreffend Außerfern und Fernpass

BEGRÜNDUNG

Das Außerfern (politischer Bezirk Reutte, Tirol) ist nur über alpine Passstraßen wie insbesondere den Fernpass und am Schienenweg nur über Umwege über deutsches Staatsgebiet mit dem Inntal und dem Tiroler Zentralraum verbunden. Zugleich reicht von den süddeutschen Bevölkerungs- und Wirtschaftszentren her das deutsche hochrangige Straßennetz (A7 Füssen/Nils) bis unmittelbar an die Staatsgrenze. Die A95 von München kommend endet in Oberau/Garmisch. Der transitierende Verkehr wird durch massiv ausgebaute Ortsumfahrungen an die österreichische Grenze (Ehrwald) und auf die B179 Fernpass weitergeführt.

Die Hauptstraßen durchs Außerfern und über den Fernpass sind daher neben ihrer wichtigen Rolle für die Bewohner:innen und die Wirtschaft der Region eine Achse mit sehr starkem Urlauberverkehr und wären ohne Gegenmaßnahmen auch Durchzugsstrecke für den Lkw-Transitverkehr auf der Achse Ulm-Mailand. Insbesondere die Charakteristik der Fernpass-Scheitelstrecke mit Haarnadelkurve und starken Steigungs-/Gefällsabschnitten ist Grundlage dafür, dass die Strecke derzeit mit einem (Durch)Fahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen belegt ist, allerdings mit großzügiger Definition der vom Verbot ausgenommenen Ziel- und Quellverkehrsregionen bis weit in den süddeutschen Raum und nach Südtirol. Dennoch kommt es regelmäßig zu Stau wegen Überlastung.

Die Bevölkerung engagiert sich breit für Entlastung durch intelligente, rechtzeitige und wirksame Dosierung an den Zufahrtsrouten.

Auch die SPÖ hatte sich in ihrem letzten Tiroler Landtagswahlprogramm klar festgelegt: „Kein Zentimeter zusätzlicher Straße auf der Fernpassstrecke. Die Menschen im Bezirk Reutte wollen keine zweite Transitroute. Jede Verbesserung an der Autostrecke würde nur noch mehr Verkehr, Lärm und Luftverschmutzung ins Außerfern bringen.“

Entgegen diesem Wahlversprechen bereitet die aktuelle Tiroler ÖVP-SPÖ-Landesregierung nun mit dem Fernpasstunnel und der 2. Röhre beim Lermooser Tunnel weitere Straßenausbauten vor. Mit diesen und dem seit langem im Bundesstraßennetz beabsichtigten Tschirganttunnel stellt sich die Frage der weiteren Haltbarkeit des Lkw-Tonnagelimits. Tirols Landesregierung wähnt sich hier unter Berufung auf ältere Rechtsgutachten auf der sicheren Seite - allerdings wurde schon damals das Risiko, dass das Tonnagelimit durch Ausbauten am Fernpass fallen würde, mit 30 bis 40 Prozent beziffert: Mit Haarnadelkurve und Steigungen würden schließlich wesentliche fachliche Grundpfeiler der aktuellen Lkw-Fahrverbots-Verordnung wegfallen. Zudem ist dieses Risiko im Hinblick auf die Begründete Stellungnahme der EU-Kommission zu den Transit-Maßnahmen am Brenner eher noch gestiegen.

Ziel der Ausbauten am Fernpass ist weiters erklärtermaßen die Verkürzung der Strecke um fast 3,5 Kilometer sowie „flüssigerer Verkehr“. Wie dennoch – wie von den Ausbaubefürwortern behauptet – keine Kapazitätssteigerung auf dieser Achse erfolgen sollte, bleibt unklar. Spätestens hier besteht rechtliches Konfliktpotenzial auch zur Alpenkonvention und den Verpflichtungen, die Österreich hier im Sinne eines Nein zu neuen Straßen für den alpenquerenden Verkehr mit hochrangiger oder ähnlicher Verkehrswirkung eingegangen ist.

Im Lichte der letzten Äußerungen der EU-Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Österreich betreffend UVP-RL-Umsetzung dürfte weiters auch eine Neubewertung zur bislang verneinten UVP-Pflicht der Ausbauprojekte am Fernpass nötig sein.

Finanziert werden sollen die teuren Ausbauvorhaben im Landesstraßennetz und insbesondere der Fernpasstunnel unter anderem durch eine neue Mautpflicht (Fernpass-Durchzugsmaut). Für jede Durchfahrt (sowohl durch den Tunnel als auch über den Pass) sollen mindestens 14 Euro fällig werden, für Dauernutzer:innen wie etwa Pendler:innen soll es Dauerkarten um etwa den zehnfachen Preis geben, „Stichfahrten“ zum Pass und seinen Naherholungsgebieten sollen in einem bestimmten räumlichen und zeitlichen Rahmen via Kennzeichenverfolgung mautfrei bleiben, Details hierzu sind noch unbekannt. Anders als beim gern als Beispiel herangezogenen Bezirk Lienz würde für den Bezirk Reutte jedoch keine sonstige mautfreie innerösterreichische Hauptverbindung mehr verbleiben, sondern nur mehr die hochalpine, nicht ganzjährig befahrbare Straße über das Hahntennjoch, sowie die ebenfalls hochalpine Verbindung nach Vorarlberg. Es handelt sich also um eine regelrechte Mautteilung Tirols.

Mit einer angedachten spezifischen Wirtschaftsförderung“ für Haushalte im Bezirk Reutte in vergleichbarer Höhe zur Maut sowie Mautanteilen für Gemeinden soll der Widerstand erstickt werden. Dennoch gibt es an dieser nahezu hermetischen Maut-Grenze“ mit so gut wie obligatorischer Bezirksmautregional große Kritik, wie eine laufende Unterschriftenaktion mit über 5.000 Unterschriften aus den betroffenen Bezirken Reutte/Imst nach wenigen Wochen beweist.

Substanzielle Lösung für eine wirklich bessere und zugleich weniger anrainer- und umweltbelastende Verkehrslösung wäre straßenseitig die wirksame Verkehrsdosierung und darüber hinaus die raschestmögliche Umsetzung einer direkten Bahnverbindung zwischen Außerfern und Inntal mit einem Fernpassbahntunnel. Für einen Fernpassbahntunnel wurde zwar von ÖBB und Land bereits eine Machbarkeitsstudie zur Trassierung und eine Fahrgastpotenzialstudie durchgeführt, für eine Umsetzung möglichst rasch nach dem Zielnetz-Zieldatum 2040 sind jedoch zügige weitere Schritte erforderlich.


 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1) Welche bundesseitigen Vorgaben oder Einschränkungen gibt es hinsichtlich der Frage einer Mauterhebung a) für Lkw, b) für Pkw auf Straßen?

2) Welche bundesseitigen Vorgaben oder Einschränkungen gibt es hinsichtlich der Frage einer Mauterhebung a) für Lkw, b) für Pkw insbesondere für Straßen außerhalb des A+S Netzes?

3) Ist die Einführung einer Maut-Grenze, die aufgrund der topographischen Gegebenheiten zu einer nahezu obligatorischen Mautpflicht für alle Bürger:innen führt, die sich aus einem gesamten Politischen Bezirk (Bezirk Reutte) ohne Umweg ins restliche Tiroler Landesgebiet bewegen wollen oder müssen, mit diesen Vorgaben in Einklang zu bringen?

Wenn ja, warum im Einzelnen?

4) Ist die geplante Einführung einer regionalen finanziellen Gegenleistung zu einer solchen regionalen Mauteinführung aus Sicht Ihres Ressorts europarechtlich unbedenklich?

Wenn ja, auf welcher konkreten Grundlage bzw welchen konkreten Grundlagen fußt Ihre Einschätzung?

5) Prominentes Ziel der Ausbauten am Fernpass ist öffentlichen Festlegungen der Tiroler Landesregierung und Landesverwaltung zufolge die Verkürzung der Strecke um fast 3,5 Kilometer sowie „flüssigerer Verkehr, also wenn auch von den Ausbaubefürwortern abgestritten – eine merkliche Kapazitätssteigerung auf dieser Achse. Zur Frage der Vereinbarkeit dieser Pläne mit Österreichs Verpflichtung aus der Alpenkonvention und ihrem Verkehrsprotokoll liegen unterschiedliche rechtsfachliche Einschätzungen vor.

Wie beurteilen Sie bzw Ihr Haus dieses rechtliche Konfliktpotenzial

a) durch die genannten Maßnahmen für sich,

b) durch diese Maßnahmen im Zusammenspiel mit dem geplanten Tschirganttunnel?

6) Im jüngsten EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der UVP-Richtlinie wird unter anderem kritisiert, dass die Umsetzung der Auswahlkriterien für die Bewertung von Projekten unzureichend sei. In ihrer Begründeten Stellungnahme (vom 07.05.2025) an die Republik bekräftigt die EU-Kommission diese Vorwürfe erneut. Sie kritisiert unter anderem unzureichende Berücksichtigung der Kumulierung von Projekten sowie den Umgang mit Projekten in empfindlichen Gebieten wie unter anderem „Bergregionen“ – diese seien in Österreich mit dem zentralen Kriterium Alpinregion über der Waldgrenze“, also über 1.800-2.200 m Seehöhe, viel zu eingeschränkt und nicht EU-richtlinienkonform abgegrenzt.

Welche Konsequenzen sehen Sie im Hinblick auf diese fundierte Kritik der EU-Kommission sowie die Pläne für einen Tschirganttunnel für die UVP-Pflicht der übrigen Straßenaus- und -neubauprojekte entlang der Fernpass-Achse?

7) Laut Ihrer Aussage (GZ 2025-0.350.674 vom 20.03.2025) wurden die nach der Bures-Evaluierung 2011 „ruhend gestellten“ Planungen und Verfahrensvorbereitungen zum Tschirganttunnel von der ASFINAG 2018 wieder aufgenommen und 2019 eine umfassende Verkehrsuntersuchung über drei Varianten dieses Bundesstraßen-Vorhabens begonnen. Laut Zwischenergebnis dieser Untersuchung komme es jedoch bei allen Varianten nicht zu den gewünschten Entlastungswirkungen und die Projektziele würden nicht in ausreichendem Ausmaß erreicht. Die grundsätzliche Problematik der Stausituationen am Fernpass bliebe bestehen, und an Werktagen würde es sogar zu einer Verkehrszunahme in der angeblich entlasteten Region (Gurgltal) kommen.

a) Werden Sie angesichts dieser klaren Faktenlage die Streichung des Projekts Tschirganttunnel aus dem Anhang des Bundesstraßengesetzes vorantreiben? Wenn nein warum nicht?

b) Welche sonstigen weiteren Schritte in Bezug auf den Tschirganttunnel sind allenfalls für etwa wann vorgesehen?

c) Im obzitierten Schriftstück halten Sie fest, dass mit 15. April 2025 die Rückmeldung des Landes Tirol zu dieser Verkehrsuntersuchung und diesen Fakten ausständig war. Liegt diese Rückmeldung inzwischen vor, falls ja seit wann und was sind ihre Kernaussagen?

8) Im Fachentwurf Zielnetz 2040 wurde als „allfälliges neues Netzelement für einen Horizont nach 2040“ unter anderem die „Erschließung Außerfern“ (Fernpassbahn mit dem Kernelement Fernpassbahntunnel) und ebenso das sogenannte „Rätische Dreieck“ erwähnt. Zur Fernpassbahn liegt seit 2018 eine Machbarkeitsstudie von ÖBB Infrastruktur AG und Land Tirol sowie seit Ende 2020 eine detaillierte Verkehrsuntersuchung incl. Potenzialabschätzung vor.

a) Welche nächsten Schritte sind im Zusammenhang mit dem „neuen Netzelement“ Fernpassbahn derzeit für etwa wann vorgesehen?

b) Falls keine Schritte vorgesehen sind: Warum nicht?

c)   Welche nächsten Schritte sind im Zusammenhang mit dem „neuen Netzelement“ Rätisches Dreieck derzeit für etwa wann vorgesehen?

d) Falls keine Schritte vorgesehen sind: Warum nicht?

9) Welche konkreten Schritte zur Überwindung der derzeitigen unbefriedigenden Situation auf der Außerfernbahn – Einstellung Güterverkehr nach mangelhafter Instandhaltung der Gleise auf deutscher Seite trotz Staatsvertrag etc., daher Verlagerung von Güterverkehr auf die bereits überlastete Straße – sind wann konkret vorgesehen?