Eingelangt am 10.07.2025
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ANFRAGE
des
Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek
an
den Bundesminister für Infrastruktur, Mobilität und Innovation
betreffend
Kompetenzabbau, Managementdefizite und sicherheitsrelevante Auswirkungen der
derzeitigen Strukturpolitik bei der Austro Control GmbH
Die
Austro Control GmbH (ACG) erfüllt im Auftrag der Republik Österreich
eine hoheit-liche Kernaufgabe im Bereich der zivilen Luftfahrtaufsicht. Die
Qualität, Integrität und Wirksamkeit dieser Aufsicht basiert in hohem
Maße auf der Qualifikation, operativen Kompetenz und kontinuierlichen
Praxisnähe der verantwortlichen Fachinspektoren. Diese sichern durch
gezielte Aufsichtstätigkeiten, Simulator-Beobachtungen, Flug-dienst und
technische Audits den Standard der Flugsicherheit in Österreich und damit
die Souveränität des Staates in diesem sicherheitsrelevanten Bereich.
Seit dem Jahr 2023 ist jedoch ein
massiver Abbau an Kompetenz, Strukturqualität und Personalbindung zu
beobachten. Die bisherige, zum Kompetenzerhalt der Inspektoren notwendige
Flugdienstregelung wurde dahingehend verändert, dass sie im gewerb-lichen
Flugbetrieb de facto kaum noch anwendbar ist. Um dennoch die operative
Flugerfahrung aufrechtzuerhalten, bleibt Inspektoren faktisch nur der Weg
über eine erzwungene, Ressourcen verknappende Teilzeitbeschäftigung
bei der ACG. Dies ist jedoch mit sozialen Nachteilen verbunden: Die
verbleibende Freizeit für Familie und Erholung wird reduziert,
während zugleich finanzielle Einbußen entstehen können.
Gleichzeitig wurden in der ACG essenzielle Budgets für Typen-berechtigungen,
Simulator-Trainings und Lizenzverlängerungen eingeschränkt oder
gestrichen.
Zudem wird von erheblichen Investitionen
in Büroinfrastruktur berichtet (z.B. so-genannte „Relax Areas",
oder „Akustikzonen“). Die operative Entscheidungsfreiheit der
Fachbereichsleiter wurde durch administrative Blockaden deutlich reduziert.
Führende Positionen werden zunehmend mit fachfremden, nicht
flugbetrieblich erfahrenen Personen besetzt. Die Gefahr besteht, dass die
Luftfahrtaufsicht in Österreich in eine rein theoretische Verwaltungseinheit
ohne operativen Praxisbezug transformiert wird.
In
diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister
für Infrastruktur, Mobilität und Innovation nachstehende
Anfrage
- Wie hat sich die Anzahl der technisch und operativ
eingesetzten Inspektoren in den Bereichen Technik, Flugbetrieb und
Training seit 2020 entwickelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach
Bereich, Jahr und Personalstand)
- Wie hat sich die Anzahl der technisch und operativ
eingesetzten Inspektoren in Teilzeitbeschäftigung in den Bereichen
Technik, Flugbetrieb und Training seit 2020 entwickelt? (Bitte um
Aufschlüsselung nach Bereich, Jahr und Personal-stand)
- Welche konkreten Ursachenanalysen wurden zu den
zahlreichen Kündigungen oder Stundenreduktionen durch
Teilzeitbeschäftigung erfahrener Inspektoren seit 2023 vorgenommen? (Bitte um Auflistung der konkreten Maßnahmen)
- Wie viele Wartungsbetriebe (Part-145), Instandhaltungsbetriebe
(CAMO), Ausbildungsbetriebe (ATO) sowie Luftfahrtunternehmen mit Betriebs-genehmigung
(AOC) und nicht-gewerbliche Flugbetriebe (NCC) werden seit 2020 von wie
vielen Inspektoren in den jeweiligen Fachbereichen betreut? (Bitte um tabellarische Auflistung)
- Welche durchschnittliche Betreuungsquote pro Inspektor
ergibt sich daraus, und wie hat sich diese gegenüber früheren Jahren (ab 2020) verändert?
- Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um einer
Überlastung einzelner Fach-abteilungen entgegenzuwirken und eine
flächendeckende Luftfahrtaufsicht zu gewährleisten?
- Welche Auswirkungen auf die Aufsichtsintervalle (z.B.
12, 24 vs. 36 Monate) sind seit 2020 zu beobachten und welche Pläne
bestehen zur künftigen Intervallanpassung?
- Welche Risikoeinschätzungen bestehen hinsichtlich
einer möglichen strukturellen Überforderung der ACG im Hinblick
auf ihren gesetzlichen Auftrag?
- Wie viele Inspektoren im Bereich Flugbetrieb befinden
sich aktuell in Teilzeit-beschäftigung?
- In welchem Ausmaß reduziert dies
die verfügbaren personellen Ressourcen für hoheitliche Aufgaben?
- Wie viele Inspektoren sind aktuell in Vollzeit
beschäftigt und nehmen dabei die Flugdienstregelung in Anspruch?
10.
Welche
Maßnahmen bestehen für technische Inspektoren und Inspektoren
für Ausbildungsbetriebe, um ihre fortlaufende Kompetenz zu
gewährleisten?
11.
Welche praktischen
Tätigkeiten gibt es derzeit in diesem Zusammenhang im Rahmen einer
genehmigten Nebentätigkeit/-beschäftigung?
12.
Gilt die aktuelle
Flugdienstregelung einheitlich für alle Organisationseinheiten der ACG
oder nur für bestimmte Fachabteilungen?
- Falls Letzteres zutrifft: Aus welchen
Gründen erfolgt diese Differenzierung, und welchen Regelungen
unterliegen die übrigen Abteilungen im Hinblick auf
Kompetenzsicherung und operative Erfahrung?
- Sind diese Tätigkeiten
grundsätzlich entgeltlich oder unentgeltlich geregelt?
13.
Auf Basis welcher
Rechtsgrundlagen und sicherheitsfachlicher Argumentation wurde die bisherige,
für den Kompetenzerhalt notwendig erachtete Flugdienst-regelung so
verändert, dass ein gewerblicher Einsatz faktisch nur noch im Rahmen einer
Teilzeitbeschäftigung bei der ACG möglich ist und damit der
Kompetenzerhalt durch praktische Tätigkeit erheblich eingeschränkt wurde?
14.
Welches Gremium,
Person, Funktion oder Stelle hat die aktuelle Flugdienst-regelung inhaltlich
entworfen, auf welcher rechtlichen und organisatorischen Grundlage wurde sie
geprüft, und wer hat sie letztlich für umsetzbar bzw. sachlich
geeignet befunden? (Bitte um Darstellung des Entscheidungs-prozesses sowie
Vorlage oder Beschreibung der zugrunde liegenden Evidenz oder Dokumentation)
- Inwieweit entspricht diese Entscheidung den Vorgaben
von EASA und ICAO sowie internationalen Best-Practice-Standards zur
Sicherstellung von „continued competence"?
- Welche Kriterien wurden herangezogen, um
Simulator-Training und wieder-kehrende Schulungen ohne begleitenden
Flugdienst der Inspektoren als ausreichend für den Kompetenzerhalt zu
bewerten?
- Wie viele Inspektoren verfügen derzeit über
eine gültige und in den letzten 12 Monaten praktisch genutzte
Typenberechtigung auf modernen Luftfahrzeug-mustern?
- Welche Maßnahmen bestehen, um sicherzustellen,
dass Inspektoren ohne kontinuierlich praktische Kompetenz komplexe Technologien
(z.B. neue Wetter-radare, Fly-by-Wire, eVTOLs, etc.) fachlich korrekt
bewerten können (z.B. Schulungsaufwand und Bedienung)?
- Welche Qualifikations- oder
Re-Zertifizierungsmechanismen bestehen für den Nachweis aktueller
operationeller Kompetenz von Inspektoren?
- Welche Informationen wurden vor der Umstellung der
Flugdienstregelung eingeholt, wie etwa zu den Regelungen anderer
EASA-Staaten (z. B. DE, CH, MT, ES)? Falls keine internationalen
Vergleiche eingeholt wurden: Aus welchen Gründen wurde auf eine
EU-weite Praxisrecherche verzichtet?
- Welche Stellungnahmen wurden seitens ICAO oder EASA
zur aktuellen Flugdienstregelung der ACG eingeholt und wie wurden diese in
der Entscheidungsfindung berücksichtigt?
- Wie hoch waren bzw. sind die ab 2020 bis inklusive
2025 genehmigten Budgetmittel für:
- Kompetenzerhalt (z.B. Lizenzen,
Simulator, Training)
- Infrastrukturprojekte (z.B. Relax Areas,
Raumgestaltung)
- Wieviel Budgetmittel wurden davon
eingesetzt? (Bitte um jährliche Auflistung)
- Aus welchen Budgetposten wurden Investitionen wie
Relax-Areas oder Akustik-zonen finanziert und wie wurden diese
priorisiert?
- Inwieweit wurden Fachbereichsleitungen an der
Mittelverteilung beteiligt und welche Budgethoheit steht diesen operativ
zur Verfügung?
- Welche Begründung wurde für die
Priorisierung von Infrastrukturinvestitionen gegenüber
sicherheitsrelevanten Fachkompetenzmaßnahmen angeführt?
- Welche luftfahrtspezifische Erfahrung und technische
Kompetenz bringen die derzeitigen Geschäftsführer der ACG mit?
- Wie wird sichergestellt, dass in Aufsichtsgremien
operative Fachkompetenz zur Bewertung luftfahrtrelevanter Prozesse
vertreten ist?
- In welcher Form wurde der Aufsichtsrat über die
neue Flugdienstregelung, Budgetpolitik und Personalentwicklung informiert?
- Welche konkreten Maßnahmen wurden durch den
Aufsichtsrat gesetzt, um den Rückgang operativer Qualität zu
verhindern?
- Welche Konsequenzen wurden aus dem Kompetenzverlust
und der Abwanderung erfahrener Inspektoren gezogen?
30. Wie erklärt sich der Widerspruch
zwischen der öffentlichen Auszeichnung der ACG als bester
Arbeitgeber Österreichs 2025 und der gleichzeitig deutlich wahrnehmbaren
strukturellen Einschränkung hoheitlich tätiger Fachinspek-toren?
31. Welche Rückmeldesysteme,
strukturierten internen Evaluierungen oder Mitarbeiterbefragungen wurden in den
sicherheitsrelevanten Fachbereichen seit 2023 durchgeführt, um der
Geschäftsführung ein realistisches Bild der tatsächlichen
Belastung und Arbeitszufriedenheit in den hoheitlichen Bereichen zu vermitteln?
- Wie wird sichergestellt, dass die Flugdienstregelung
in gewerblichen Luftfahrt-unternehmen nicht gegen arbeits-, arbeitszeit-,
oder versicherungsrechtliche Vorschriften verstößt?
- Welche arbeits- oder versicherungsrechtlichen
Grundlagen rechtfertigen die derzeitige Forderung, dass gewerbliche
Betreiber schriftlich die Unentgelt-lichkeit des Einsatzes von
ACG-Inspektoren gegenüber der ACG bestätigen müssen, obwohl
dies weder branchenüblich noch haftungs-rechtlich realistisch ist?
- Wie wird begründet, dass Flugzeiten, die
außerhalb der ACG-Dienstzeit (z.B. an Wochenenden oder in der
Freizeit) erbracht werden, dennoch der Personal-abteilung (HR) der ACG zu
melden sind – insbesondere vor dem Hintergrund des
österreichischen Arbeitszeitgesetzes?
- Inwiefern ist es mit dem österreichischen
Arbeitszeitgesetz vereinbar, dass ein öffentliches Unternehmen
Tätigkeiten seiner Mitarbeiter außerhalb der Dienst-freistellung
als Teil der dienstlichen Arbeitszeitverwaltung erfasst und kontrolliert?
- Inwiefern ist es arbeitszeitrechtlich zulässig, dass
die ACG im Rahmen der verpflichtenden Anwendung des
Jahresarbeitszeitmodells auch für Tätigkeiten außerhalb
der eigenen Struktur (z.B. bei gewerblichen Luftfahrtbetreibern) die volle
Verantwortung über die Gesamtarbeitszeit ihrer Mitarbeiter beansprucht
– selbst, wenn diese Tätigkeiten außerhalb der bezahlten
Dienstfreistellung erfolgen?
- Auf welcher sicherheitsfachlichen und rechtlichen
Grundlage wurde die bisher als notwendig erachtete Kombination aus
gezielter Dienstfreistellung für Flugdiensttätigkeiten und
ergänzender praktischer Kompetenzwahrung außerhalb der ACG
– die sich über viele Jahre bewährt hat –
abgeschafft bzw. stark eingeschränkt?
- Welche konkreten Erwägungen
führten zu dieser Änderung?
- Welche rechtlichen Risiken ergeben sich, wenn
Inspektoren Gutachten über komplexe Luftfahrzeuge erstellen, ohne
selbst kontinuierlich praktische Erfahrung auf diesen Mustern zu besitzen?
(Bitte um Übermittlung der Risikoanalyse zur Entscheidungsfindung)
- Wie bewertet das Ministerium die Gefahr,
dass die Luftfahrtaufsicht in Österreich zu einer
verwaltungstechnisch geführten, operativ entkoppelten Organisation
verkommt?
- Welche unabhängigen externen Audits (z.B. RH,
EASA, ICAO) wurden seit 2023 durchgeführt oder sind geplant, um die
Qualität der Luftfahrtaufsicht objektiv zu bewerten?
- Wie wird die Einhaltung der hoheitlichen Verantwortung
Österreichs gegenüber der Öffentlichkeit im Bereich der Luftfahrtaufsicht gesichert,
insbesondere in Hinblick auf den Sommerflugverkehr 2025?
- Wie beurteilt der Bundesminister die aktuelle
Fähigkeit der ACG, den gesetzlichen Auftrag der Luftfahrtaufsicht
unter den gegebenen strukturellen Bedingungen weiterhin wirksam zu
erfüllen?
- Wird eine Rückkehr zur Regelung vor 2024
(Flugdienst, Budgethoheit der Fachbereiche, strategische
Kompetenzsicherung) in Erwägung gezogen, um nachhaltigen Schaden
für die Flugsicherheitsaufsicht und den Standort Österreich
abzuwenden?
- Auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage basiert die
Verpflichtung zur Teilnahme am Jahresarbeitszeitmodell im Rahmen der neuen
Flugdienst-regelung der ACG, insbesondere auch für Teilzeitmodelle
und Freizeitflug-dienst?
- Wie wird gewährleistet, dass diese
Regelung nicht in die privat zu organisierende
Nebentätigkeit/-beschäftigung und das Grundrecht auf Datenschutz
eingreift?
- Auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage beruht die in
der internen Flugdienst-regelung der ACG enthaltene Bestimmung, dass
zusätzlich zur Flugdienst-regelung keine weitere
Nebentätigkeit/-beschäftigung als Pilot zulässig ist
– selbst außerhalb der Dienstzeit, unabhängig vom
Betreiber und ungeachtet dienstlicher Relevanz?
- Wie wird diese Einschränkung im
Hinblick auf das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und
Nebentätigkeit/-beschäftigung begründet?