2871/J XXVIII. GP

Eingelangt am 10.07.2025
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek

an den Bundesminister für Infrastruktur, Mobilität und Innovation

betreffend Kompetenzabbau, Managementdefizite und sicherheitsrelevante Auswirkungen der derzeitigen Strukturpolitik bei der Austro Control GmbH

 

 

Die Austro Control GmbH (ACG) erfüllt im Auftrag der Republik Österreich eine hoheit-liche Kernaufgabe im Bereich der zivilen Luftfahrtaufsicht. Die Qualität, Integrität und Wirksamkeit dieser Aufsicht basiert in hohem Maße auf der Qualifikation, operativen Kompetenz und kontinuierlichen Praxisnähe der verantwortlichen Fachinspektoren. Diese sichern durch gezielte Aufsichtstätigkeiten, Simulator-Beobachtungen, Flug-dienst und technische Audits den Standard der Flugsicherheit in Österreich und damit die Souveränität des Staates in diesem sicherheitsrelevanten Bereich.

 

Seit dem Jahr 2023 ist jedoch ein massiver Abbau an Kompetenz, Strukturqualität und Personalbindung zu beobachten. Die bisherige, zum Kompetenzerhalt der Inspektoren notwendige Flugdienstregelung wurde dahingehend verändert, dass sie im gewerb-lichen Flugbetrieb de facto kaum noch anwendbar ist. Um dennoch die operative Flugerfahrung aufrechtzuerhalten, bleibt Inspektoren faktisch nur der Weg über eine erzwungene, Ressourcen verknappende Teilzeitbeschäftigung bei der ACG. Dies ist jedoch mit sozialen Nachteilen verbunden: Die verbleibende Freizeit für Familie und Erholung wird reduziert, während zugleich finanzielle Einbußen entstehen können. Gleichzeitig wurden in der ACG essenzielle Budgets für Typen-berechtigungen, Simulator-Trainings und Lizenzverlängerungen eingeschränkt oder gestrichen.

 

Zudem wird von erheblichen Investitionen in Büroinfrastruktur berichtet (z.B. so-genannte „Relax Areas", oder „Akustikzonen“). Die operative Entscheidungsfreiheit der Fachbereichsleiter wurde durch administrative Blockaden deutlich reduziert. Führende Positionen werden zunehmend mit fachfremden, nicht flugbetrieblich erfahrenen Personen besetzt. Die Gefahr besteht, dass die Luftfahrtaufsicht in Österreich in eine rein theoretische Verwaltungseinheit ohne operativen Praxisbezug transformiert wird.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Infrastruktur, Mobilität und Innovation nachstehende

 


 

Anfrage

 

  1. Wie hat sich die Anzahl der technisch und operativ eingesetzten Inspektoren in den Bereichen Technik, Flugbetrieb und Training seit 2020 entwickelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bereich, Jahr und Personalstand)
  2. Wie hat sich die Anzahl der technisch und operativ eingesetzten Inspektoren in Teilzeitbeschäftigung in den Bereichen Technik, Flugbetrieb und Training seit 2020 entwickelt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Bereich, Jahr und Personal-stand)
  3. Welche konkreten Ursachenanalysen wurden zu den zahlreichen Kündigungen oder Stundenreduktionen durch Teilzeitbeschäftigung erfahrener Inspektoren seit 2023 vorgenommen? (Bitte um Auflistung der konkreten Maßnahmen)
  4. Wie viele Wartungsbetriebe (Part-145), Instandhaltungsbetriebe (CAMO), Ausbildungsbetriebe (ATO) sowie Luftfahrtunternehmen mit Betriebs-genehmigung (AOC) und nicht-gewerbliche Flugbetriebe (NCC) werden seit 2020 von wie vielen Inspektoren in den jeweiligen Fachbereichen betreut? (Bitte um tabellarische Auflistung)
  5. Welche durchschnittliche Betreuungsquote pro Inspektor ergibt sich daraus, und wie hat sich diese gegenüber früheren Jahren (ab 2020) verändert?
  6. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um einer Überlastung einzelner Fach-abteilungen entgegenzuwirken und eine flächendeckende Luftfahrtaufsicht zu gewährleisten?
  7. Welche Auswirkungen auf die Aufsichtsintervalle (z.B. 12, 24 vs. 36 Monate) sind seit 2020 zu beobachten und welche Pläne bestehen zur künftigen Intervallanpassung?
  8. Welche Risikoeinschätzungen bestehen hinsichtlich einer möglichen strukturellen Überforderung der ACG im Hinblick auf ihren gesetzlichen Auftrag?
  9. Wie viele Inspektoren im Bereich Flugbetrieb befinden sich aktuell in Teilzeit-beschäftigung?
    1. In welchem Ausmaß reduziert dies die verfügbaren personellen Ressourcen für hoheitliche Aufgaben?
  10. Wie viele Inspektoren sind aktuell in Vollzeit beschäftigt und nehmen dabei die Flugdienstregelung in Anspruch?

10. Welche Maßnahmen bestehen für technische Inspektoren und Inspektoren für Ausbildungsbetriebe, um ihre fortlaufende Kompetenz zu gewährleisten?

11. Welche praktischen Tätigkeiten gibt es derzeit in diesem Zusammenhang im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit/-beschäftigung?

12. Gilt die aktuelle Flugdienstregelung einheitlich für alle Organisationseinheiten der ACG oder nur für bestimmte Fachabteilungen?

    1. Falls Letzteres zutrifft: Aus welchen Gründen erfolgt diese Differenzierung, und welchen Regelungen unterliegen die übrigen Abteilungen im Hinblick auf Kompetenzsicherung und operative Erfahrung?
    2. Sind diese Tätigkeiten grundsätzlich entgeltlich oder unentgeltlich geregelt?

13. Auf Basis welcher Rechtsgrundlagen und sicherheitsfachlicher Argumentation wurde die bisherige, für den Kompetenzerhalt notwendig erachtete Flugdienst-regelung so verändert, dass ein gewerblicher Einsatz faktisch nur noch im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung bei der ACG möglich ist und damit der Kompetenzerhalt durch praktische Tätigkeit erheblich eingeschränkt wurde?

14. Welches Gremium, Person, Funktion oder Stelle hat die aktuelle Flugdienst-regelung inhaltlich entworfen, auf welcher rechtlichen und organisatorischen Grundlage wurde sie geprüft, und wer hat sie letztlich für umsetzbar bzw. sachlich geeignet befunden? (Bitte um Darstellung des Entscheidungs-prozesses sowie Vorlage oder Beschreibung der zugrunde liegenden Evidenz oder Dokumentation)

  1. Inwieweit entspricht diese Entscheidung den Vorgaben von EASA und ICAO sowie internationalen Best-Practice-Standards zur Sicherstellung von „continued competence"?
  2. Welche Kriterien wurden herangezogen, um Simulator-Training und wieder-kehrende Schulungen ohne begleitenden Flugdienst der Inspektoren als ausreichend für den Kompetenzerhalt zu bewerten?
  3. Wie viele Inspektoren verfügen derzeit über eine gültige und in den letzten 12 Monaten praktisch genutzte Typenberechtigung auf modernen Luftfahrzeug-mustern?
  4. Welche Maßnahmen bestehen, um sicherzustellen, dass Inspektoren ohne kontinuierlich praktische Kompetenz komplexe Technologien (z.B. neue Wetter-radare, Fly-by-Wire, eVTOLs, etc.) fachlich korrekt bewerten können (z.B. Schulungsaufwand und Bedienung)?
  5. Welche Qualifikations- oder Re-Zertifizierungsmechanismen bestehen für den Nachweis aktueller operationeller Kompetenz von Inspektoren?
  6. Welche Informationen wurden vor der Umstellung der Flugdienstregelung eingeholt, wie etwa zu den Regelungen anderer EASA-Staaten (z. B. DE, CH, MT, ES)? Falls keine internationalen Vergleiche eingeholt wurden: Aus welchen Gründen wurde auf eine EU-weite Praxisrecherche verzichtet?
  7. Welche Stellungnahmen wurden seitens ICAO oder EASA zur aktuellen Flugdienstregelung der ACG eingeholt und wie wurden diese in der Entscheidungsfindung berücksichtigt?
  1. Wie hoch waren bzw. sind die ab 2020 bis inklusive 2025 genehmigten Budgetmittel für:
    1. Kompetenzerhalt (z.B. Lizenzen, Simulator, Training)
    2. Infrastrukturprojekte (z.B. Relax Areas, Raumgestaltung)
    3. Wieviel Budgetmittel wurden davon eingesetzt? (Bitte um jährliche Auflistung)
  1. Aus welchen Budgetposten wurden Investitionen wie Relax-Areas oder Akustik-zonen finanziert und wie wurden diese priorisiert?
  2. Inwieweit wurden Fachbereichsleitungen an der Mittelverteilung beteiligt und welche Budgethoheit steht diesen operativ zur Verfügung?
  3. Welche Begründung wurde für die Priorisierung von Infrastrukturinvestitionen gegenüber sicherheitsrelevanten Fachkompetenzmaßnahmen angeführt?
  1. Welche luftfahrtspezifische Erfahrung und technische Kompetenz bringen die derzeitigen Geschäftsführer der ACG mit?
  2. Wie wird sichergestellt, dass in Aufsichtsgremien operative Fachkompetenz zur Bewertung luftfahrtrelevanter Prozesse vertreten ist?
  3. In welcher Form wurde der Aufsichtsrat über die neue Flugdienstregelung, Budgetpolitik und Personalentwicklung informiert?
  4. Welche konkreten Maßnahmen wurden durch den Aufsichtsrat gesetzt, um den Rückgang operativer Qualität zu verhindern?
  5. Welche Konsequenzen wurden aus dem Kompetenzverlust und der Abwanderung erfahrener Inspektoren gezogen?

30. Wie erklärt sich der Widerspruch zwischen der öffentlichen Auszeichnung der ACG als bester Arbeitgeber Österreichs 2025 und der gleichzeitig deutlich wahrnehmbaren strukturellen Einschränkung hoheitlich tätiger Fachinspek-toren?

31. Welche Rückmeldesysteme, strukturierten internen Evaluierungen oder Mitarbeiterbefragungen wurden in den sicherheitsrelevanten Fachbereichen seit 2023 durchgeführt, um der Geschäftsführung ein realistisches Bild der tatsächlichen Belastung und Arbeitszufriedenheit in den hoheitlichen Bereichen zu vermitteln?

  1. Wie wird sichergestellt, dass die Flugdienstregelung in gewerblichen Luftfahrt-unternehmen nicht gegen arbeits-, arbeitszeit-, oder versicherungsrechtliche Vorschriften verstößt?
  2. Welche arbeits- oder versicherungsrechtlichen Grundlagen rechtfertigen die derzeitige Forderung, dass gewerbliche Betreiber schriftlich die Unentgelt-lichkeit des Einsatzes von ACG-Inspektoren gegenüber der ACG bestätigen müssen, obwohl dies weder branchenüblich noch haftungs-rechtlich realistisch ist?
  3. Wie wird begründet, dass Flugzeiten, die außerhalb der ACG-Dienstzeit (z.B. an Wochenenden oder in der Freizeit) erbracht werden, dennoch der Personal-abteilung (HR) der ACG zu melden sind – insbesondere vor dem Hintergrund des österreichischen Arbeitszeitgesetzes?
  4. Inwiefern ist es mit dem österreichischen Arbeitszeitgesetz vereinbar, dass ein öffentliches Unternehmen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter außerhalb der Dienst-freistellung als Teil der dienstlichen Arbeitszeitverwaltung erfasst und kontrolliert?
  5. Inwiefern ist es arbeitszeitrechtlich zulässig, dass die ACG im Rahmen der verpflichtenden Anwendung des Jahresarbeitszeitmodells auch für Tätigkeiten außerhalb der eigenen Struktur (z.B. bei gewerblichen Luftfahrtbetreibern) die volle Verantwortung über die Gesamtarbeitszeit ihrer Mitarbeiter beansprucht – selbst, wenn diese Tätigkeiten außerhalb der bezahlten Dienstfreistellung erfolgen?
  6. Auf welcher sicherheitsfachlichen und rechtlichen Grundlage wurde die bisher als notwendig erachtete Kombination aus gezielter Dienstfreistellung für Flugdiensttätigkeiten und ergänzender praktischer Kompetenzwahrung außerhalb der ACG – die sich über viele Jahre bewährt hat – abgeschafft bzw. stark eingeschränkt?
    1. Welche konkreten Erwägungen führten zu dieser Änderung?
  7. Welche rechtlichen Risiken ergeben sich, wenn Inspektoren Gutachten über komplexe Luftfahrzeuge erstellen, ohne selbst kontinuierlich praktische Erfahrung auf diesen Mustern zu besitzen? (Bitte um Übermittlung der Risikoanalyse zur Entscheidungsfindung)
  8. Wie bewertet das Ministerium die Gefahr, dass die Luftfahrtaufsicht in Österreich zu einer verwaltungstechnisch geführten, operativ entkoppelten Organisation verkommt?
  9. Welche unabhängigen externen Audits (z.B. RH, EASA, ICAO) wurden seit 2023 durchgeführt oder sind geplant, um die Qualität der Luftfahrtaufsicht objektiv zu bewerten?
  10. Wie wird die Einhaltung der hoheitlichen Verantwortung Österreichs gegenüber der Öffentlichkeit im Bereich der Luftfahrtaufsicht gesichert, insbesondere in Hinblick auf den Sommerflugverkehr 2025?
  11. Wie beurteilt der Bundesminister die aktuelle Fähigkeit der ACG, den gesetzlichen Auftrag der Luftfahrtaufsicht unter den gegebenen strukturellen Bedingungen weiterhin wirksam zu erfüllen?
  12. Wird eine Rückkehr zur Regelung vor 2024 (Flugdienst, Budgethoheit der Fachbereiche, strategische Kompetenzsicherung) in Erwägung gezogen, um nachhaltigen Schaden für die Flugsicherheitsaufsicht und den Standort Österreich abzuwenden?
  13. Auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage basiert die Verpflichtung zur Teilnahme am Jahresarbeitszeitmodell im Rahmen der neuen Flugdienst-regelung der ACG, insbesondere auch für Teilzeitmodelle und Freizeitflug-dienst?
    1. Wie wird gewährleistet, dass diese Regelung nicht in die privat zu organisierende Nebentätigkeit/-beschäftigung und das Grundrecht auf Datenschutz eingreift?
  14. Auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage beruht die in der internen Flugdienst-regelung der ACG enthaltene Bestimmung, dass zusätzlich zur Flugdienst-regelung keine weitere Nebentätigkeit/-beschäftigung als Pilot zulässig ist – selbst außerhalb der Dienstzeit, unabhängig vom Betreiber und ungeachtet dienstlicher Relevanz?
    1. Wie wird diese Einschränkung im Hinblick auf das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und Nebentätigkeit/-beschäftigung begründet?