2881/J XXVIII. GP
Eingelangt am 10.07.2025
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ANFRAGE
der Abgeordneten Ing. Harald Thau, Michael Schnedlitz
an den Bundeskanzler
betreffend Bekenntnis zur Neutralität: Fehlanzeige?
Die Republik Österreich bekennt sich seit 1955 zur immerwährenden Neutralität. Dieses Bekenntnis bildet einen Grundpfeiler der außenpolitischen Identität unseres Landes und ist fest im kollektiven Selbstverständnis der Zweiten Republik verankert. Die Neutralität ist nicht nur völkerrechtlich bedeutsam, sondern zugleich ein starkes innenpolitisches und gesellschaftliches Symbol für Unabhängigkeit, Friedenspolitik und Souveränität.
Längst ist die Neutralität über ihre bloße außenpolitische Funktion hinausgewachsen und zu einem identitätsstiftenden Element der politischen Kultur Österreichs geworden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit dieses zentrale Staatsprinzip auch in den Verpflichtungsformeln jener Personen Ausdruck finden sollte, die höchste öffentliche Ämter übernehmen. Gerade weil die Neutralität das Selbstverständnis Österreichs als unabhängiger und friedenspolitisch orientierter Staat prägt, erscheint es aus staats- und demokratiepolitischer Sicht zumindest überlegenswert, ob sie nicht explizit in das Gelöbnis von Abgeordneten und Regierungsmitgliedern aufgenommen werden sollte.
Artikel 72 B-VG sieht vor, dass Mitglieder der Bundesregierung vor Amtsantritt vom Bundespräsidenten angelobt werden. Mit der Angelobung erhalten sie das Recht, ihr Amt auszuüben. Der Wortlaut des Gelöbnisses ist gesetzlich nicht näher geregelt; in der Praxis orientiert es sich an der Formel gemäß Artikel 62 Abs 1 B-VG für den Bundespräsidenten: „Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.“ Eine religiöse Beteuerung kann dabei freiwillig hinzugefügt werden.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage
1. Gibt es seitens der Bundesregierung legistische Vorbereitungen oder allenfalls Prüfungen, die Gelöbnisformeln von Regierungsmitgliedern dahingehend zu adaptieren, dass die Neutralität als zentrales Verfassungsprinzip darin ausdrücklich enthalten ist?
a. Falls nein, aus welchen Gründen wird auf die explizite Aufnahme der Neutralität in die Gelöbnisformel verzichtet?
b. Falls ja, in welchem Stadium befinden sich diese Überlegungen und in welcher Form könnte eine entsprechende Ergänzung konkret erfolgen (z. B. durch Gesetzes- oder Verfassungsänderung)?
2. Wird die Bundesregierung Schritte setzen, um sicherzustellen, dass zukünftige Amtsträger der Republik ein ausdrückliches Bekenntnis zur immerwährenden Neutralität ablegen?
3. Welche Maßnahmen setzt die Bundesregierung aktuell, um das Bewusstsein für die verfassungsmäßig verankerte Neutralität in Politik und Öffentlichkeit zu stärken?
4. Durch welche Maßnahmen stärken Sie die Rolle der immerwährenden Neutralität im politischen Selbstverständnis der Republik Österreich?
5. Was entgegnen Sie Kritikern, die vereinen, dass die Neutralität ein identitätsstiftendes Staatsprinzip ist, das über den bloßen außenpolitischen Status hinaus eine demokratiepolitische und gesellschaftliche Bedeutung entfaltet?