2922/J XXVIII. GP

Eingelangt am 14.07.2025
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Sigrid Maurer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport

betreffend Rot-Schwarzer Proporz in den ORF-Gremien. Wie groß ist der Schaden für das Vertrauen in einen unabhängigen Öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

BEGRÜNDUNG

Der ORF-Stiftungsrat und der ORF-Publikumsrat sind zentrale Organe im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die der unabhängigen Kontrolle und Qualitätssicherung dienen.

Die neue Regierung hat bald nach ihrer Bestellung eine Neuregelung der Gremien im ORF-Gesetz präsentiert, die aus ihrer Sicht verfassungskonform ist.

Das Ergebnis ist leider ein einziges Desaster. War schon die Konstruktion des neuen Gesetzes eine ganz offensichtliche Farce, die den Einfluss der Bundesregierung auf den Stiftungsrat in keiner Weise zurückgedrängt hat, so ist die Nominierung der neuen Räte zu einer kuriosen Posse verkommen.

Zunächst mussten sich zwei von der Regierung bereits entsandte Publikumsräte nach Bekanntwerden politischer Funktionen zurückziehen: Erst wurde bekannt, dass Andreas Herz, der vom Dachverband zum Mitglied des Publikumsrates bestellt wurde, Landesparteiobmann-Stellvertreter der Steirischen Volkspartei ist und aus diesem Grund nicht Mitglied im Publikumsrat sein darf. Dann wurde publik, dass Matthias Hauer, das von der Bundesregierung für den Bereich Jugend ausgewählte Mitglied, bis vor kurzem noch Gemeinderatsmitglied war und daher ebenso von der Mitgliedschaft ausgeschlossen ist.

Weitere zwei Politfunktionen von bestellten Mitgliedern wurden erst nach der konstituierenden Sitzung des ORF-Publikumsrats bekannt: Die ehemalige Justiz- und Wissenschaftsministerin Beatrix Karl ist Vizeobfrau des steirischen ÖAAB. Die ehemalige ORF-Journalistin und frühere ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gertrude Aubauer wiederum ist Vizeobfrau der ÖVP-Senioren, einer Teilorganisation der Bundes-ÖVP. Aubauer wurde in der ersten Sitzung sogar auf eines von neun Mandaten des Publikumsrats in den ORF-Stiftungsrat entsandt.

Vor allem die Bestellung Karls erregte gleich in zweifacher Hinsicht grobe Bedenken: Ihre Bestellung für den Vertretungsbereich Hochschulen folgte ganz offensichtlich einer ausschließlich politischen Logik. Dass die 14 pädagogischen Hochschulen mit zusammen knapp 22.000 Studierenden im Hochschulbereich umfangreichere Aktivitäten entfalten sollen als die Universitäten mit zusammen gut 260.000 Studierenden, ist geradezu denkunmöglich.

Karl und Aubauer haben sich nun ebenfalls zurückgezogen.

Diese Vorgänge werfen grundlegende Fragen zur rechtskonformen und transparenten Bestellung der Gremien auf und bergen die Gefahr, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit des ORF nachhaltig zu beschädigen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Das VfGH Erkenntnis hat dem Gesetzgeber eine ORF-Gremienreform verordnet, u.a. deshalb weil die Regierung zu viel Einfluss auf die Bestellung hatte. Nun wurden dem Publikumsrat mehr Mandate in den Stiftungsrat zugesprochen, diese Mandate werden aber nun ganz offenbar wieder von der Regierung aufgeteilt. In wie fern ist der Einfluss der Regierung nun gemindert?

2.    Wurde in der Bundesregierung vereinbart, die vom Publikumsrat beschickten Stiftungsratsmitglieder nach dem Schlüssel 4:4:1 aufzuteilen?

3.    Ist aktuell von der Regierung geplant, die gesetzlichen Regelungen zu den ORF-Gremien einer weiteren Novellierung zu unterziehen?

4.    Es wurden mehrere Unvereinbarkeiten bei den neuen Gremien-Mitgliedern festgestellt, vier Mitglieder mussten bereits ersetzt werden. Sie meinten dazu mehrfach, dass die Mitglieder Vereinbarkeitserklärungen abgegeben haben und Sie davon ausgehen konnten, dass diese korrekt sind.

a.    Wurden die nominierten Mitglieder vor ihrer Bestellung zumindest oberflächlich auf die Einhaltung der Unvereinbarkeitsregeln überprüft?

                                  i.    Wenn ja, durch wen und mit welchem Ergebnis?

                                ii.    Wenn ja, wie konnten die Unvereinbarkeiten übersehen werden?

                               iii.    Wenn nein, wäre es nicht absolut selbstverständlich im Sinne eines Mindestmaßes an Professionalität, das Ihr Ministerium die Kandidat:innen auf mögliche Unvereinbarkeiten prüft?

b.    Gab es auch nach Bekanntwerden der ersten beiden Unvereinbarkeiten und den darauffolgenden Rückzügen keine Prüfung der verbleibenden Gremienmitglieder?

c.    Werden nun, nach Bekanntwerden der genannten Unvereinbarkeiten, die restlichen Gremienmitglieder auf Unvereinbarkeiten oder sonstige in der Person der Mitglieder liegende Probleme geprüft?

d.    Können Sie ausschließen, dass weitere Unvereinbarkeiten zutage treten?

5.    Die Bestellung von Beatrix Karl für den Vertretungsbereich Hochschulen folgte ganz offensichtlich einer ausschließlich politischen Logik. Dass die 14 pädagogischen Hochschulen mit zusammen knapp 22.000 Studierenden im Hochschulbereich umfangreichere Aktivitäten entfalten als die Universitäten mit zusammen gut 260.000 Studierenden, ist absurd. Ungeachtet ihres späteren Rückzugs: Wie rechtfertigen Sie diesen Gesetzesbruch?

6.    Wurden die Fristen für die Einbringung der Nominierungen von allen entsendungsberechtigten Stellen eingehalten?

a.    Wenn nein, bitte um detaillierte Darstellung.

7.    Sowohl der neue Stiftungsrat als auch der Publikumsrat haben im Juni 2025 schon getagt, teils in Anwesenheit von Mitgliedern, die nicht bestellt werden hätten dürfen. Wie wirkt sich dieser Umstand auf die Beschlüsse und deren Gültigkeit aus, insbesondere was die Beschickung der Stiftungsräte aus dem Publikumsrat betrifft, wo ja ebenfalls Mitglieder mitgestimmt haben, die gar nicht bestellt hätten werden dürfen?

8.    Der neue rote Stiftungsratsvorsitzende, Heinz Lederer, meinte kürzlich im Standard, man werde in den Regierungsparteien einen Konsens suchen über die nächste ORF-Führung. Nachdem es Kritik an dieser skandalösen Aussage gab, korrigierte er sie und meinte, gemeint habe er, dass man im Stiftungsrat des ORF "breite Übereinstimmung" suchen werde über die nächste ORF-Führung. Damit setzt er – unfreiwillig - den Stiftungsrat mit der Regierung gleich. Wie stehen Sie zu diesen Aussagen und wie stellen Sie sicher, dass es hier zu keinen unzulässigen Einflussnahmen der Regierung auf den öffentlich –rechtlichen Rundfunk kommt?

9.    Welche Schritte werden Sie unternehmen, um die Rahmenbedingungen oder Abläufe für künftige Bestellungen zu überarbeiten oder zu verbessern?

10. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der aktuellen Vorgänge auf das Vertrauen in die politische Unabhängigkeit und demokratische Legitimation des ORF?