3048/J XXVIII. GP
Eingelangt am 17.07.2025
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ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Marie-Christine Giuliani-Sterrer
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Politisch motivierte Kontokündigungen durch Banken
Die Möglichkeit, ein Bankkonto zu führen, ist in einer modernen Gesellschaft längst keine freiwillige Zusatzleistung mehr, sondern ein elementarer Bestandteil wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Teilhabe. Ohne Konto keine Miete, kein Gehalt, keine Sozialleistung, keine steuerliche Pflichterfüllung, keine digitale Identität. Wer aus dem Bankensystem ausgeschlossen wird, verliert nicht nur seine finanzielle Handlungsfähigkeit, sondern wird de facto aus dem öffentlichen Leben gedrängt.
In den vergangenen Monaten häufen sich besorgniserregende Berichte über sogenannte politisch motivierte Kontokündigungen – ein Vorgang, der international unter dem Begriff „Debanking“ bekannt ist. Betroffen sind dabei regelmäßig alternative Medien, regierungskritische Organisationen oder Personen, die öffentlich nicht-konforme politische Haltungen vertreten. In Österreich wurden unter anderem dem konservativen Magazin „FREILICH“ sowie dem Medium „Heimatkurier“ die Konten bei der Steiermärkischen Sparkasse bzw. N26 gekündigt – ohne transparente Begründung. Auch Bürgerinitiativen, etwa im Zusammenhang mit dem Erhalt des Bargelds, berichten von ähnlichen Fällen.
Ein besonders sensibles Beispiel betrifft die Journalistin Elsa Mittmannsgruber, Mutter von drei Kindern. Ihr wurde das Bankkonto ohne nachvollziehbare Begründung gesperrt. Damit wurde nicht nur ihre berufliche Tätigkeit erheblich erschwert, sondern auch ihre familiäre Versorgungslage beeinträchtigt. Gerade für Mütter in Verantwortung ist der uneingeschränkte Zugang zu einem funktionierenden Zahlungssystem essenziell.
Die Auswirkungen sind dramatisch: Guthaben werden blockiert, Alltagszahlungen sind unmöglich, neue Konten werden abgelehnt, EC- und Kreditkarten sind unbrauchbar. Zahlungsverpflichtungen wie Miete, Strom, Steuern oder Versicherungen können nicht mehr beglichen werden. Es droht wirtschaftliche Vernichtung – bis hin zur Insolvenz. Besonders bedenklich: Die Betroffenen erfahren in vielen Fällen nicht, warum ihnen das Konto gekündigt wurde. Damit entsteht ein Zustand massiver Rechtsunsicherheit und Intransparenz.
Die Bundesregierung verweist gebetsmühlenartig auf die Vertragsfreiheit privater Banken. Doch genau hier beginnt das demokratiepolitische Problem: Wenn Akteure der Grundversorgung – wie Banken – selektiv entscheiden dürfen, wen sie bedienen und wen nicht, wird aus vermeintlich privatrechtlicher Disposition ein Instrument politischer Ausgrenzung. Besonders brisant ist das, wenn Kündigungen im Zuge politisch motivierter NGO-Kampagnen erfolgen oder mit dem Verweis auf ideologische Nähe von Medien oder Funktionären begründet werden – wie etwa öffentlich in der Parlamentsdebatte zur Sprache kam.
Ein eklatanter Widerspruch innerhalb der Bundesregierung wurde dabei in der 19. Sitzung des Nationalrates am 25. April 2025 deutlich: Während Staatssekretär Mag. Jörg Leichtfried in seiner Rede betonte, dass politisch motivierte Konto-kündigungen „absolut inakzeptabel“ seien, verwies seine Parteikollegin Mag. Elke Hanel-Torsch im selben Zusammenhang ausdrücklich auf konkrete Fälle – etwa das Magazin „FREILICH“ oder den „Heimatkurier“ – und argumentierte mit deren politischer Ausrichtung. Wer einerseits beteuert, dass politische Motive keine Rolle spielen dürfen, andererseits aber genau mit diesen Motiven konkrete Maßnahmen rechtfertigt, untergräbt die Glaubwürdigkeit staatlicher Neutralität gegenüber Grundrechten.
Dabei verfügen Banken bereits über Mechanismen zur Verhinderung von Missbrauch – insbesondere im Bereich der Geldwäsche. Verdachtsfälle unterliegen Melde-pflichten. Eine sogenannte Haltefrist ermöglicht es den Banken, verdächtige Trans-aktionen zu prüfen, bevor sie abgewickelt werden. Dennoch ist in den bekannt gewordenen Debanking-Fällen keine einzige Anzeige wegen Geldwäsche erfolgt – obwohl Banken dazu verpflichtet wären, wenn sie den Kontoverlust mit strafrechtlich relevanten Verdachtsmomenten begründen wollten. Der Umstand, dass dennoch Kündigungen ausgesprochen wurden, lässt den Schluss zu, dass keine objektiv rechtfertigenden Tatbestände vorlagen – und somit auch kein legitimer Grund für den Ausschluss bestand.
Statt für Rechtssicherheit und Schutz vor politisch motivierter Diskriminierung zu sorgen, duckt sich die Bundesregierung weg. Weder gibt es Transparenz über das Ausmaß solcher Fälle, noch ist erkennbar, dass sich die zuständigen Stellen – insbesondere die Finanzmarktaufsicht – wirksam mit dem Problem befassen. Während für natürliche Personen der Anspruch auf ein sogenanntes Basiskonto besteht, verweigert sich die Regierung bislang jeder Diskussion über die faktische Schutzlosigkeit juristischer Personen – etwa von Medienunternehmen, Vereinen oder NGOs – trotz ihrer zentralen Rolle im öffentlichen Diskurs.
In diesem Zusammenhang richtet die unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Finanzen nachstehende
Anfrage
1. Wie viele Fälle von Kontokündigungen durch österreichische Banken sind dem Finanzministerium seit 2020 bekannt, bei denen politische oder welt-anschauliche Motive eine Rolle gespielt haben könnten?
a. In wie vielen dieser Fälle handelte es sich um juristische Personen wie Vereine, Medienunternehmen oder NGOs?
2. Welche Maßnahmen hat das Finanzministerium seit 2020 gesetzt, um politisch motiviertes Debanking zu dokumentieren oder einzudämmen?
3. Liegen dem Finanzministerium konkrete Beschwerden oder Hinweise über verweigerte Kontoeröffnungen oder Kündigungen aufgrund politischer Haltung oder Nähe zu bestimmten Organisationen vor?
a. Wie viele entsprechende Beschwerden wurden seit 2020 bei der FMA eingebracht?
4. Gibt es innerhalb der FMA einen Erfassungsmechanismus für Kündigungen oder Ablehnungen, bei denen politische Motive zumindest behauptet oder vermutet werden?
5. Wie viele Anzeigen wegen Geldwäscheverdachts wurden durch Banken im Zusammenhang mit den seitens FPÖ angeführten Fällen „FREILICH“, „Heimatkurier“ oder vergleichbaren Medien erstattet?
a. Wenn keine Anzeigen vorliegen: Wie beurteilt das Finanzministerium den Umstand, dass dennoch Konten gekündigt wurden, obwohl gemäß FM-GwG eine Meldung verpflichtend wäre, sofern ein echter Geldwäscheverdacht vorliegt?
6. Sieht das Finanzministerium eine Möglichkeit, dass Kündigungen auch ohne strafrechtlich relevante Grundlage ausgesprochen wurden?
7. Welche gesetzlichen oder aufsichtsrechtlichen Regelungen gelten aktuell für Banken bei der Kündigung von Konten juristischer Personen?
8. Besteht für Banken eine Pflicht zur schriftlichen Begründung gegenüber den Betroffenen bei Kontokündigungen?
9. Gibt es ein aufsichtsrechtliches Verfahren oder eine Beschwerdestelle, über die Betroffene politisch motivierter Kontokündigungen Beschwerde einlegen können?
10. Welche Rolle spielt das Verbraucherzahlungskontogesetz (VZKG) beim Schutz vor politisch motivierten Ausschlüssen vom Zahlungsverkehr?
11. In wie vielen Fällen wurde ein Antrag auf ein Basiskonto von Banken seit 2020 abgelehnt?
a. Welche Begründungen wurden dabei am häufigsten angeführt?
12. Sind dem Finanzministerium Fälle bekannt, in denen Basiskonten zwar genehmigt, aber faktisch eingeschränkt oder untauglich für regulären Zahlungsverkehr waren (z. B. kein Online-Banking, keine Lastschriften etc.)?
13. Wird geprüft, ob das aktuelle Basiskonto-Modell für juristische Personen – etwa Medien, politische NGOs oder Vereine – rechtlich ermöglicht oder angepasst werden kann?
14. Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen derzeit, um eine Diskriminierung juristischer Personen aufgrund ihrer politischen oder inhaltlichen Ausrichtung durch Finanzdienstleister zu verhindern?
15. Wie beurteilt das Finanzministerium den Umstand, dass öffentlich geförderte oder EU-kritische Organisationen verstärkt von Kontokündigungen betroffen sind?
16. Gibt es seitens des Finanzministeriums Hinweise auf koordinierte Kampagnen oder NGO-Initiativen, die politisch motivierte Kündigungen bei Banken auslösen oder forcieren?
17. Hat das Finanzministerium Kenntnis darüber, ob politische Stellungnahmen, mediale Aktivitäten oder inhaltliche Ausrichtungen von Vereinen/Medien bei der Bankentscheidung berücksichtigt wurden?
18. Wird die politische Unabhängigkeit von Finanzdienstleistern durch das Finanz-ministerium oder durch die FMA evaluiert, dokumentiert oder überwacht?
19. Welche Möglichkeiten sieht das Finanzministerium, die Meinungs- und Medienvielfalt durch geeignete finanzielle oder aufsichtsrechtliche Maßnahmen vor willkürlichem Ausschluss zu schützen?
20. Welche Rolle spielt das Thema „Vertragsfreiheit“ bei der Bewertung solcher Fälle durch das Finanzministerium – insbesondere im Verhältnis zu Grundrechten wie Meinungs- und Medienfreiheit?
21. Plant das Finanzministerium gesetzliche Klarstellungen oder regulatorische Maßnahmen, um künftig politisch motivierten Kontoausschlüssen vorzubeugen?
22. Wie beurteilt das Finanzministerium Fälle, in denen politisch motivierte Kontokündigungen auch die finanzielle Versorgung von Kindern oder allein-erziehenden Elternteilen betreffen, und welche spezifischen Schutz-mechanismen bestehen in solchen Fällen?
23. Wie bewertet das Finanzministerium die in der 19. Sitzung des Nationalrates am 25.04.2025 geäußerten widersprüchlichen Positionen von Staatssekretär Leichtfried („politisch motivierte Kontokündigungen sind unzulässig“) und der SPÖ-Abgeordneten Hanel-Torsch, die solche Maßnahmen im selben Zusammenhang mit der politischen Ausrichtung der Betroffenen rechtfertigte?