3054/J XXVIII. GP

Eingelangt am 17.07.2025
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Thomas Spalt

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft

betreffend EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)

 

 

Am 19. April 2023 wurde im Europäischen Parlament die sogenannte EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) beschlossen.[1] Während alle drei Mandatsträger der FPÖ geschlossen gegen den Gesetzestext stimmten, votierten sämtliche österreichischen Abgeordneten der ÖVP (EVP-Fraktion) – mit Ausnahme von Christian Sagartz (Enthaltung) – für die Verordnung, darunter Otmar Karas, Angelika Winzig, Lukas Mandl, Barbara Thaler, Simone Schmiedtbauer und Alexander Bernhuber. Auch Abgeordnete der SPÖ, NEOS und Grünen unterstützten den Entwurf, obwohl die Auswirkungen der Verordnung auf die heimische Forstwirtschaft von Beginn an absehbar waren.

 

Trotz massiver Kritik von Fachverbänden, Kammern und betroffenen Waldbauern wurde die Verordnung im Rat der EU mit Zustimmung der ÖVP-geführten Bundesregierung endgültig beschlossen. Österreich hat also nicht nur im Parlament, sondern auch auf Regierungsebene – trotz inhaltlich fundierter Bedenken – der Verordnung zugestimmt. Besonders brisant: Erst nach der Verabschiedung begannen Vertreter der ÖVP, allen voran Minister Norbert Totschnig und MEP Alexander Bernhuber, öffentlichkeitswirksam auf eine sogenannte „No-Risk“-Kategorisierung für Österreich zu drängen. Diese Kehrtwende wirkt jedoch wenig glaubwürdig, da man zuvor aktiv an der Entstehung und Verabschiedung der EUDR mitgewirkt hatte. Eine strukturelle Entlastung konnte bis heute nicht erreicht werden – einzig eine Verschiebung der Anwendungsfrist wurde durchgesetzt.

 

Für den (kleinen) Waldbesitzer bedeutet die Entwaldungsverordnung jedoch bereits jetzt vor allem eines: massiven zusätzlichen bürokratischen Aufwand. In einem Land mit einem der strengsten Forstgesetze der Welt – und in dem die Waldfläche seit Jahrzehnten kontinuierlich wächst – muss nun jeder Waldbesitzer nachweisen, dass sein Holz nicht aus einer nach dem 31. Dezember 2020 entwaldeten oder geschädigten Fläche stammt. Dies umfasst unter anderem die Angabe der genauen Koordinaten des Waldbesitzes, die Durchführung eines Entwaldungs- und Wald-schädigungs-Checks (etwa durch Betriebspläne, Satellitenbilder, Zertifizierungen oder Dokumentation von Kalamitäten) sowie den Nachweis der Legalität des Einschlags.

 

All diese Informationen müssen schließlich in einer Risikobewertung samt möglicher Risikominderungsmaßnahmen zusammengefasst und in einem sogenannten „Due Diligence Statement“ (DDS) erfasst werden, das jährlich erneuert und über ein EU-weites IT-System eingereicht werden muss. Erst nach Erhalt einer Referenznummer darf das Holz in den Handelsverkehr eingebracht werden. Darüber hinaus müssen Waldbesitzer auch bei digitalen Risikobewertungen der Abnehmer (z. B. Sägewerke, Papierfabriken) mitwirken, meist durch automatisierte Fragebögen, die ein erhebliches technisches Know-how und Zeit erfordern.

 

Dass diese realitätsferne Verordnung ohne Rücksicht auf die nachhaltige Bewirtschaftung österreichischer Wälder verabschiedet wurde, zeigt nicht nur die zunehmende Entfremdung der EU-Gesetzgebung von der Lebensrealität ländlicher Betriebe. Es wirft vor allem die Frage auf, wie die ÖVP – als zuständige Regierungspartei mit Zugriff auf Fachressorts und unmittelbarem Kontakt zur Praxis – einem derart überbürokratisierten Regelwerk überhaupt zustimmen konnte. Offenbar fehlte es an politischer Sensibilität, inhaltlichem Überblick oder schlicht an strategischer Abstimmung.

 

In Summe ergibt sich ein Bild von planloser Politik: Die Regierung trägt die Verordnung mit, erkennt erst im Nachhinein deren Konsequenzen und bemüht sich nun hektisch um Schadensbegrenzung. Es drängt sich die ernste Frage auf, ob das derzeitige Regierungspersonal – insbesondere im Bereich Land- und Forstwirtschaft – den Anforderungen moderner multilateraler Gesetzgebung überhaupt gewachsen ist.

 

 

In diesem Zusammenhang richtet der unterfertigte Abgeordnete an den Bundes-minister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Wie hat sich die Republik Österreich im Rat der EU bei der finalen Abstimmung am 16. Mai 2023 zur EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) verhalten?

a.    Wurde die Zustimmung aktiv gegeben oder erfolgte Stimmenthaltung?

2.    Welche Rolle spielte das von der ÖVP geführte Land- bzw. Forstwirtschafts-ministerium bei der Vorbereitung dieser Verordnung?

3.    Gab es Stellungnahmen, Vorab-Konsultationen oder Warnungen gegenüber der EU-Kommission?

4.    War dem Ministerium bei Beschlussfassung bewusst, dass die EUDR in ihrer vorliegenden Form auch vollständig nachhaltig wirtschaftende Länder wie Österreich betrifft?

5.    Wurde vor der Zustimmung zur EUDR eine sektorale Folgenabschätzung für die heimische Forstwirtschaft erstellt?

a.    Wenn ja, bitte vollständig vorlegen.

6.    Wie rechtfertigt die ÖVP-geführte Bundesregierung die Zustimmung zu einer Maßnahme, die laut Aussagen von Branchenvertretern sämtliche heimische Unternehmen extrem bürokratisch belastet?[2]

7.    Welche konkreten Maßnahmen (z. B. finanzielle, technische oder rechtliche Hilfen) wurden bisher gesetzt, um österreichischen Forstbetrieben bei der Umsetzung der EUDR zu helfen?

8.    Wie viele Betriebe in Österreich sind nach derzeitiger Einschätzung direkt von der EUDR betroffen?

9.    Warum wurden bei Verabschiedung des Gesetzes keine Ausnahmeregelungen für EU-interne, zertifizierte Forstwirtschaften in die Verordnung aufgenommen – insbesondere für Regionen wie Österreich, wo keine systematische Entwaldung vorliegt?

10. Wie beurteilt das Ministerium den Sinn und Nutzen der EUDR für ein Land wie Österreich, das über eine nachweislich nachhaltige Forstwirtschaft verfügt?

11. Warum wird in der öffentlichen Kommunikation des Ministeriums die EUDR nun als „drohende Bürokratielawine“[3] kritisiert, obwohl die Zustimmung durch Österreich – unter ÖVP-Verantwortung – mitgetragen wurde?

12. Wie viele Mitarbeiter im Ministerium sind aktuell mit der Umsetzung der EUDR betraut?

a.    Wie hoch sind die Verwaltungskosten dafür laut aktueller Planung?

13. Wird sich Österreich in zukünftigen EU-Gesetzgebungsprozessen künftig aktiver für Schutzklauseln zugunsten bereits nachhaltig arbeitender Mitglieds-staaten einsetzen?

14. Sieht das Ministerium angesichts dieser Entwicklung strukturellen Reform-bedarf in der Koordinierung zwischen EU-Gesetzgebung und nationaler Interessenvertretung?

15. Wie hoch schätzt das Ministerium den monetären Aufwand von Industrie-unternehmen bis dato ein, die bereits an der EUDR-Implementierung arbeiten?

16. Wie plant das Ministerium künftig Rechts -und Planungssicherheit für verabschiedete Gesetze zu garantieren, um im Falle der Umsetzung der „No-Risk“-Kategorie eine Wiederholung der nun umsonst erfolgten finanziellen und personellen Aufwendungen sich bereits vorbereitender Unternehmen zu verhindern?

17. Wie wird der Vorbereitungsstand von österreichischen Waldbesitzern in Hinblick auf die Anforderungen der EUDR bewertet?

18. Welche Instruktionen sind von offizieller Seite, in etwa durch die offizielle Behörde des Bundesamtes für Wald, bereits an betroffene Waldbesitzer und Unternehmen kommuniziert worden?

19. Wie wurde bisher von offizieller Seite mit offenen Fragen zur konkreten Umsetzung umgegangen, wie bspw.:

a.    Wie genau ist eine Risikobewertung inklusive Risikominderungs-maßnahmen gemäß der EUDR auszugestalten, damit sie den gesetzlichen Anforderungen genügt und als rechtskonform anerkannt werden kann?

b.    Wie sollen Nicht-KMU, die Produkte von KMU-Downstream-Zulieferern erhalten, ihre Risikobewertung im Sinne der EUDR durchführen, wenn von diesen KMU kein eigenes Due-Diligence-Statement erstellt werden muss?



[1]   https://environment.ec.europa.eu/topics/forests/deforestation/regulation-deforestation-free-products_en

[2]   Z.B. Wirtschaftskammer Österreich: https://www.wko.at/oe/news/wkoe-kopf-begruesst-abstimmung-im-eu-parlament-zur-verschiebu (abgerufen am 30.06.2025)

[3]   https://www.bmluk.gv.at/service/presse/wald/2024/totschnig-entwaldungsverordnung-gestoppt.html (abgerufen am 30.06.2025)