3097/J XXVIII. GP

Eingelangt am 29.07.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Lukas Hammer, Olga Voglauer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend skandalöser Polizeieinsatz bei der Gedenkstätte Peršmanhof

BEGRÜNDUNG

 

Am Sonntag, den 27. Juli 2025 zwischen etwa 11.15 Uhr und 15.45 Uhr, fand rund um die Gedenkstätte und im Museum Peršman ein massiver Polizeieinsatz statt. Sieben Polizeifahrzeuge, mehr als 30 Polizeikräfte, ein Polizeihubschrauber, Drohnen sowie Polizeihunde waren vor Ort. Im Zuge des Einsatzes fand ein als „Hausdurchsuchung“ deklariertes Eindringen in das Museum statt und es wurden Identitätsfeststellungen durchgeführt.

Der Verein Društvo/Verein Peršman, der die wissenschaftliche Aufarbeitung und Vermittlung der Museumsinhalte verantwortet, zeigte sich in einer Aussendung zutiefst irritiert über die Vorgehensweise der Behörden. Der Peršmanhof ist nicht nur ein Museum, sondern ein bedeutender Erinnerungs- und Gedenkort an die Verbrechen des nationalsozialistischen Terrorregimes an der Kärntnerslowenischen Zivilbevölkerung sowie für die Widerstandskämpfer:innen gegen das NS-Regime in der Region. An diesem Ort ermordeten Angehörige des SS-Polizeiregiments 13 kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs elf Mitglieder der Familien Sadovnik und Kogoj.

„Ein solches Vorgehen der Behörden und der Exekutive zeugt von großer Ignoranz und fehlender Sensibilität gegenüber dem sensiblen historischen Kontext, in dem das Museum Peršmanhof arbeitet“, erklärte Markus Gönitzer, Obmann des Društvo/Verein Peršman in einer Aussendung.

An dem Wochenende fand ein internationales antifaschistisches Bildungscamp statt, das sich mit Themen rund um das 80. Gedenkjahr der Befreiung vom Nationalsozialismus beschäftigte.

Der Einsatz wurde von Seiten der Behörden mit mutmaßlichen Verwaltungsübertretungen (Kärntner Naturschutzgesetz) begründet. Besonders irritierend ist die von der Einsatzleitung des Landesamtes für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) kolportierte weitere Begründung, wonach das antifaschistische Bildungscamp „einen sittenwidrigen Umgang mit der Gedenkstätte“ darstelle. Dieser Vorwurf wird von den Organisator:innen in einer Aussendung entschieden zurückgewiesen und steht in eklatantem Widerspruch zu der Tatsache, dass das Museum selbst die Veranstaltung unterstützt hat. Derartige Aussagen stellen nicht nur eine inhaltliche Entwertung der langjährigen Gedenk- und Bildungsarbeit dar, sondern überschreiten eine Grenze, wenn sie Nachfahr:innen von NS-Opfern und Widerstandskämpfer:innen vorschreiben wollen, wie Gedenken „richtig“ auszusehen habe.

Nachfahr:innen von NS-Opfern und Widerstandskämpfer:innen waren anwesend und schilderten, wie retraumatisierend dieser Einsatz war. Bernard Sadovnik, Nachfahre einer der betroffenen Familien, erklärte: „So ein massiver Polizeieinsatz genau 80 Jahre nach dem Massaker reißt bei mir als Nachkomme Wunden auf. […] Der Polizeieinsatz stand in keiner Relation mit den Vorwürfen“.

Ebenfalls irritierend war die telefonische Auskunft der Pressestelle der Landespolizeidirektion Kärnten auf mehrmalige Nachfrage des Anfragestellers. Auf das mehrmalige Ersuchen nach Auskunft über den laufenden Polizeieinsatz am Peršmanhof wurde geantwortet, dass man selbst keine Informationen habe und diese aufgrund einer fehlenden Telefon- und Funkverbindung (!) auch nicht einholen könne. Es sei niemand erreichbar und man wisse nicht einmal, um was für einen Einsatz es sich handle. Man habe eine (weitere) Streife zum Peršmanhof geschickt, um die Sachlage zu klären. Erst nach Beendigung des Einsatzes konnte Auskunft gegeben werden.

Im Erinnerungsjahr 2025, in dem die Republik das 80. Jahr der Befreiung vom NS-Regime begeht, sendet ein solcher Polizeieinsatz an einem ehemaligen Tatort des NS-Terrors ein fatales Signal mangelnder Sensibilität gegenüber der slowenischen Volksgruppe in Kärnten und der Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen.

Umso wichtiger ist eine lückenlose Aufarbeitung dieses Polizeieinsatzes.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Aufgrund welcher rechtlichen Grundlage kam es am Vormittag vom 27. Juli 2025 zu einem Polizeieinsatz am Peršmanhof?

2)    Wer ordnete diesen Einsatz zu welchem Zeitpunkt an?

3)    Liegt diese Anordnung schriftlich vor und wenn ja, wie ist der volle Wortlaut?

4)    Wurden die Einsatzkräfte der LPD Kärnten von der Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt angefordert?

5)    Welche Einsatzkräfte und Behörden waren von Anfang an an diesem Einsatz beteiligt?

6)    Laut Presseaussendung des LPD Kärnten wird der Polizeieinsatz mit dem „Verdacht von verschiedenen Verwaltungsübertretungen“ begründet. Welche Verwaltungsübertretungen waren das konkret?

7)    War das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) bei dem Einsatz anwesend?

a.    Wenn ja, ab wann konkret?

b.    Falls das LSE von Beginn an bei dem Einsatz anwesend war, welche Aufgabe hat das LSE bei der Kontrolle von Verwaltungsübertretungen?

8)    Wurden Sie als Minister vorab über den Polizeieinsatz am Peršmanhof informiert?

a.    Wenn ja, wann genau und wie wurde der Polizeieinsatz Ihnen gegenüber begründet?

b.    Wenn nein, wurden Sie im Nachhinein ausführlich über den Einsatz informiert?

9)    Wurde die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst vorab über den Polizeieinsatz am Peršmanhof informiert?

a.    Wenn ja, wie wurde der Einsatz begründet?

10) Warum war das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl von Anfang bei diesem Einsatz anwesend?

11) Welche Aufgabe hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bei der Kontrolle von Verwaltungsübertretungen, die nicht im direkten Zusammenhang mit dem Arbeitsbereich dieser Behörde stehen?

12) Wann wurde der Einsatz, der an einem Sonntagvormittag stattfand und wohl nicht spontan war, geplant?

13) Wann erfolgte die erste Einsatzbesprechung?

14) Wie viele Einsatzbesprechungen und Telefonate gab es?

15) Wer wurde wann von dem geplanten Einsatz informiert?

16) Wie viele Personen der LPD Kärnten und wie viele der BH Völkermarkt-Velikovec waren an dem Einsatz beteiligt?

17) Wer war mit der Einsatzleitung betraut?

18) Welche Funktion übte der stellvertretende Leiter des LSE Kärnten Gerold Taschek und welche Funktion übte Bezirkshauptmann Gert-Andre Klösch während des Einsatzes aus?

19) Auf Basis welcher Verdachtslage zum Zeitpunkt des Beginns des Einsatzes wurde die Aktion durchgeführt?

20)  Welche Verdachtslage(n) ergab sich(en) während des Einsatzes?

21) Wer oder welche Stellen wurde nach dem Einsatz über den Verlauf des Einsatzes informiert und ab welchem Zeitpunkt?

22) Wann wurde LPD-Direktorin Kohlweiß erstmals vom geplanten Einsatz informiert?

23) Wann wurde der Direktorin nach dem Einsatz berichtet?

24) Wann wurde LPD-Direktorin-Stellvertreter Platzer erstmals vom geplanten Einsatz informiert?

25) Wann wurde dem Direktorin-Stellvertreter nach dem Einsatz berichtet?

26) In einer Aussendung der LPD Kärnten vom 28. Juli ist die Rede davon, dass Beamte des LSE, der BH VK, des BFA und drei Streifen im Einsatz standen. Hinzugezogen wurden erst später ein Hubschrauber, Polizeihunde, und die SIG. Auf Basis welcher Informationen wurden schon bei der Einsatzplanung das LSE hinzugezogen?

27) Zu welchem Zeitpunkt wurde die SIG angefordert und von wem?

a.    Woher wurde die SIG angefordert?

b.    Welche Anfahrtsroute wurde von Seiten der SIG gewählt, um zum Einsatzort zu gelangen?

28) Auf Basis welcher Informationen wurden schon bei der Einsatzplanung das BFA hinzugezogen?

29) Der Einsatz wurde damit begründet, dass es zu Verwaltungsübertretungen gekommen sei. Der Einsatz diente daher der Überprüfung und Hintanhaltung. Für Verwaltungsübertretungen ist die BH zuständig. Der Einsatz wurde aber nicht von der BH geleitet, sondern vom LSE. Wie tritt das BMI dem Vorwurf entgegen, dass es sich bei den Verwaltungsübertretungen nur um einen Vorwand gehandelt hat?

30) Wann wurde am Sonntag, 27.7.2025 der Polizei-Hubschrauber hinzugerufen und aus welchem Grund?

31) Warum war bereits am Donnerstag, 24.7.2025 ein Polizei-Hubschrauber über dem Gelände des Peršmanhofes im Einsatz?

32) Waren am 27.7.2025 Drohnen im Einsatz? Wenn ja, wie viele und wozu?

33) Um wieviel Uhr wurde um polizeiliche Verstärkung gerufen, von wem und warum?

34) Während des Einsatzes kam es zu einer Körperverletzung. Um wieviel Uhr wurde die Rettung gerufen, von wem und warum?

35) Auf welcher rechtlichen Grundlage konnte die Polizei das Museumsgebäude betreten?

36) Gab es diesbezüglich eine Anordnung der Staatsanwaltschaft?

37) Wenn ja, was waren die zugrundeliegenden Verdachtsmomente und durch wen erfolgte die Anordnung?

38) Hätten die Polizeikräfte am Peršmanhof ohne anwesende Kolleg:innen des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in das Museumsgebäude eindringen dürfen?

39) Beim Eindringen in das Museum, das als „Hausdurchsuchung“ deklariert wurde, wurden alle Räume des Museums betreten. Aus welchem Grund?

40) Beim Eindringen in das Museum, das als „Hausdurchsuchung“ deklariert wurde, wurden alle Räume des Museums fotografiert. Warum und mit welcher rechtlichen Grundlage?

41) Der Journaldienst der Pressestelle der Landespolizeidirektion Kärnten gab dem NR-Abg. Lukas Hammer am 27.07.2025 um ca.11:40 zur Auskunft, dass man die Einheiten am Peršmanhof nicht erreichen könne. Selbige Information wurde auch an NR-Abg. Olga Voglauer um 12:24 erteilt. Auch die Einheiten vor Ort gaben zu Protokoll, keinen Funkkontakt gehabt zu haben. Gleichzeitig wurde von einem Einsatzwagen die Rettung gerufen und um Verstärkung gerufen. Warum kann die Zentrale nicht die Einheiten erreichen, die vor Ort eingesetzte Einheit aber die Rettung und andere Einheiten?

42) Können Sie bestätigen, dass die Funkverbindung zwischen der Zentrale des LPD Kärnten und den am Peršmanhof im Einsatz befindlichen Einsatzkräften unterbrochen war?

a.    Wenn nein, warum wurde diese Information auf mehrfache Nachfrage von der diensthabenden Pressesprecherin der LPD Kärnten so kommuniziert?

b.    Wenn ja, für welche Dauer war die Telefon- und Funkverbindung unterbrochen?

43) Falls die Funkverbindung tatsächlich unterbrochen war, wie konnten die Einsatzkräfte vor Ort „weitere Polizeikräfte zur Unterstützung“ anfordern, wie in der Presseaussendung der LPD Kärnten erwähnt wird?

44) Ist der LPD Klagenfurt die Bedeutung des Peršmanhofs bekannt? Gab es je eine Fortbildung zum Thema Gedenkpolitik innerhalb der LPD, einen Besuch der Gedenkstätte?

45) Ist Ihnen bekannt, dass Bezirkshauptmann Klösch vergangenes Jahr an einer deutschnationalen Gedenkfeier zu Ehren es Kärntner Abwehrkämpferbunds teilgenommen hat und dort sogar die Festrede hielt[1]? Der Kärntner Abwehrkämpferbund wird im Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus, das vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands herausgegeben wurde, als „rechtsextreme Vorfeldorganisation“ geführt. Ist dies mit dem Grundsatz der Unparteilichkeit der Verwaltungsorgane vereinbar?

46) Welche gelinderen Mittel als ein Polizeieinsatz mit mehreren Streifen, dem Verfassungsschutz und dem BH-Leiter wären zur Verfügung gestanden um herauszufinden, ob es vor Ort zur Aufstellung von Zelten gekommen ist, welche gegen das Kärntner Naturschutzgesetz verstoßen?

47)  Die Kärntner LPD-Direktorin wird nicht müde den hohen Stellenwert der „3-D“-Strategie bei Einsätzen in Kärnten zu unterstreichen. Wie wurde diese vor Ort angewandt?

48)  Entspricht das Verhalten der Einsatzkräfte vor Ort der 3-D-Strategie oder / und einem dem Ort und seiner Bedeutung entsprechendem Verhalten?

49) Wurden Gegenstände im Zuge des Eindringens in die Museumsräumlichkeiten beschlagnahmt?

a.    Wenn ja, welche und wie viele?

50) Wurden Dokumente im Zuge des Eindringens in die Museumsräumlichkeiten beschlagnahmt?

a.    Wenn ja, welche und wie viele?

51) Wie viele Fotos wurden angefertigt, wie viele Videos und aus welchem Grund?

52) Halten sie einen dermaßen überzogenen Polizeieinsatz an einem historischen Gedenkort für angemessen und den Maßstäben der Verhältnismäßigkeit entsprechend?

53) Welche gelinderen Mittel wären denkbar gewesen, um herauszufinden, ob vor Ort gegen die sittliche Ordnung verstoßen wird, denn das Museumsgebäude zu betreten?

54) Welche Schritte werden oder wurden zur Aufklärung der Hintergründe des Einsatzes gesetzt und ergeben sich daraus Konsequenzen für die Verantwortlichen des Einsatzes?

55) Wird eine unabhängige Untersuchungskommission eingesetzt um diesen Polizeieinsatz und die Involvierung der BH Völkermarkt aufzuarbeiten?



[1] https://www.meinbezirk.at/voelkermarkt/c-regionauten-community/10oktoberfeier-und-20-jahre-kaerntner-abwehrkaempferbund-feistritzglobasnitz_a6943049