3098/J XXVIII. GP

Eingelangt am 30.07.2025
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Anfrage

 

der Abgeordneten Barbara Neßler, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Europa, Integration und Familie

betreffend Familienleistungen in grenzüberschreitenden Fällen

BEGRÜNDUNG

 

Die Volksanwaltschaft (VA) weist seit Jahren auf massive Probleme bei der Gewährung von Familienleistungen – insbesondere beim Kinderbetreuungsgeld – in grenzüberschreitenden Fällen hin. Bereits 2020 hat die VA festgestellt, dass die geltende Verwaltungspraxis EU-rechtswidrig ist und zu unzumutbaren Belastungen für Familien führt.

Trotz dieser klaren Kritik hat sich bis heute wenig geändert. Nach wie vor werden Familien in Grenzregionen oder mit Wohnsitzen in mehreren Staaten mit unnötig komplizierten Verfahren, extrem langen Bearbeitungszeiten und unklaren Anforderungen konfrontiert. Teilweise wird Betroffenen sogar ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld oder Familienbeihilfe verwehrt, weil hypothetische Leistungen aus dem Ausland gegengerechnet werden – selbst dann, wenn dort nie ein Antrag gestellt wurde oder gar keine Möglichkeit dazu besteht.

Für viele Familien bedeutet das: monatelange oder sogar jahrelange Unsicherheit, Rückforderungen in erheblicher Höhe und existenzielle Sorgen. Gerade Alleinerziehende, die ohnehin enorm gefordert sind, geraten dadurch in schwierige finanzielle und psychische Situationen. Kinderbetreuungsgeld ist jedoch keine „Kann-Leistung“, sondern eine zentrale Unterstützung in einer Lebensphase, die ohnehin genug Herausforderungen mit sich bringt.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine EU-konforme Anpassung der Arbeitsanweisungen trotz jahrelanger Kritik und eindeutiger Gerichtsurteile noch immer nicht umgesetzt wurde. Betroffene Familien haben ein Recht auf Klarheit, Fairness und eine rasche Abwicklung ihrer Ansprüche.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele Beschwerden im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Fällen von Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe wurden seit 2020 jährlich registriert?

 

2)    Wie viele Verfahren betreffend grenzüberschreitendes Kinderbetreuungsgeld dauerten länger als:

a. 6 Monate?

b. 1 Jahr?

c. 2 Jahre?

 

3)    Warum wurde die seit 2020 als EU-rechtswidrig kritisierte Arbeitsanweisung an die Krankenversicherungsträger noch immer nicht überarbeitet?

 

4)    Ist eine konkrete Überarbeitung dieser Arbeitsanweisung aktuell in Vorbereitung?

a. Wenn ja, bis wann ist mit deren Umsetzung zu rechnen?

b. Wenn nein, warum nicht?

 

5)    Teilt das Ressort die Rechtsauffassung der VA und mehrerer OGH-Entscheidungen, wonach hypothetische, nicht tatsächlich beantragte oder beanspruchbare ausländische Leistungen nicht angerechnet werden dürfen?

a. Wenn nein, auf welcher Rechtsgrundlage stützt sich Ihre gegenteilige Position?

 

6)    In wie vielen Fällen wurde betroffenen Familien seit 2020 rückwirkend das Kinderbetreuungsgeld zugesprochen?

 

7)    In wie vielen Fällen kam es seit 2020 zu Rückforderungen bereits gewährter Leistungen mit der Begründung, dass der Lebensmittelpunkt aufgrund eines gemeldeten (Neben-)Wohnsitzes im Ausland nicht eindeutig in Österreich liege?

 

8)    Welche konkreten Maßnahmen wurden seit 2020 ergriffen, um die von der Volksanwaltschaft kritisierte Praxis zu verbessern?

 

9)     Welche Schritte setzt ihr Ressort, um sicherzustellen, dass auch Alleinerziehende und besonders vulnerable Gruppen nicht durch langwierige Verfahren oder unrechtmäßige Ablehnungen benachteiligt werden?

 

10)  Welche Schulungs- oder Sensibilisierungsmaßnahmen wurden für die Sachbearbeiter:innen der vollziehenden Stellen zur korrekten Anwendung unionsrechtlicher Vorgaben und zur familienfreundlichen Verwaltungspraxis gesetzt?

 

11)  Wie beurteilen Sie die Kritik der Volksanwaltschaft an der intransparenten, teils formlosen Ablehnung des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgelds und dem faktischen „Zwang“ zum Wechsel auf Sonderleistungen?

 

12)  Plant Ihr Ressort eine Evaluierung der Vollzugspraxis durch die Krankenversicherungsträger in Bezug auf grenzüberschreitende Familienleistungen?

            a. Wenn ja, in welchem zeitlichen Rahmen?

b. Wenn nein, warum nicht?

 

13)  Welche Möglichkeiten sieht Ihr Ressort, um gemeinsam mit den Krankenversicherungsträgern, dem BMASGPK (Familienbeihilfe), der Volksanwaltschaft sowie ggf. auf europäischer Ebene eine dauerhaft rechtskonforme, zügige und familienfreundliche Lösung für grenzüberschreitende Fälle sicherzustellen?

 

14)  In welchem Verhältnis steht die aktuelle Verwaltungsaufwandpraxis (z.B. stückweise Nachforderung von Unterlagen, langwierige Klärungsverfahren mit ausländischen Behörden) zum Prinzip der Verwaltungsökonomie und zum Ziel eines effizienten Verwaltungshandelns?