3101/J XXVIII. GP

Eingelangt am 31.07.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde

an den Bundesminister für Inneres

betreffend: Wie viele illegale Waffen machen Österreich unsicher?

BEGRÜNDUNG

Die Dunkelziffer illegaler Waffen in Österreich ist ein Mysterium. 2014 bezifferte das Gun-Policy Projekt der Universität Sydney, das internationale Waffenmärkte analy­siert und vergleicht, den Bestand an Waffen in Österreich auf rund 2,5 Mio. Bei etwa 1,5 Mio. registrierten Waffen bleibt eine Zahl an 1 Mio. illegaler Waffen im Um­lauf.[1] Dies stellt aus mehreren Perspektiven ein gravierendes Sicherheitsproblem dar.

Österreich ist aufgrund seiner geografischen Lage ein regelrechter Umschlagplatz für Schusswaffen, Kriegsmaterial, Sprengstoff und Munition. Der Verfassungsschutzbe­richt 2024 hält fest: „Der heimische Schwarzmarkt wird vor allem durch die Länder des Westbalkans versorgt, da dort noch immer illegale Bestände aus den 1990er-Jahren existieren, die eine bedeutende Quelle darstellen. Ähnliche Entwick­lungen ließen sich auch in den politischen Umbrüchen der Vergangenheit in den Nachbarländern Österreichs beobachten. Das Ende des kommunistischen Regimes in Osteuropa führte dort zu einem erheblichen Anstieg illegaler Schusswaffen aus diesen Staaten auf dem heimischen Schwarzmarkt.“[2] Ein neueres Phänomen stellen 3D-gedruckte Waffen sowie sogenannte „Geisterwaffen“ – Schusswaffen, die keine gültige Seriennummer oder Markierung haben oder illegale Nachbauten bekannter Waffen sind – dar.[3] Bedient werden an diesem Markt Extremisten, Terroristen, staat­liche sowie nicht-staatliche Akteure, die organisierte Kriminalität und auch Privatper­sonen.

Es überrascht somit nicht, dass es bei Hausdurchsuchungen immer wieder zu Fun­den illegaler Waffen kommt, häufig auch noch als Teil riesiger Waffenarsenale. Erst im Juni 2025 kam es bei einer Hausdurchsuchung im Bezirk Wels-Land zu einem Fund von 373 Waffen, viele davon verbotene oder illegale Waffen[4]. Im März konnten bei

einem Joint Action Day des BMI 90 Schusswaffen und über 10.000 Schuss Munition sichergestellt werden[5]. Keine Ausnahmen sind bei solchen Funden NS-Devotionalien und andere rechtsextreme Materialien. Auch der Rechtsextremismusbericht doku­mentiert Fälle, bei denen Neo-Nazis und Staatsverweigerer Waffenlager angelegt haben.[6]

Das Problem der illegalen Waffen ist allerdings nicht nur eines in extremistischen Kreisen und der organisierten Kriminalität, sondern eines, das tief in die Lebensreali­tät der Bürgerinnen und Bürger reicht. Etwa 750 Straftaten wurden in den vergange­nen Jahren jährlich mit Schusswaffen begangen.[7] Bei Morden und Mordversuchen an Frauen ist der Anteil illegaler Schusswaffen bei (zum Teil weit) über 50%. Die Ge­fahr, dass ein Angriff gegen eine Frau mit einer Schusswaffe tödlich endet, liegt bei etwa 62%.[8]

Höher noch liegt die Gefahr eines tödlichen Ausgangs bei Suiziden durch Schuss­waffen. Etwa 90% der Suizidversuche mit Schusswaffen enden tödlich, während bei einer Gesamtbetrachtung aller Suizide nur 8,5 % tödlich ausgehen.[9] 2024 gab es in Österreich ca. 230 Suizide durch Schusswaffen, das entsprach 19% aller Suizide.[10] Der leichte Zugriff zu Waffen und Munition ist dabei ausschlaggebend, denn die meisten Suizide sind impulsiv. Fast 50 % der Überlebenden von Selbstmordversu­chen geben an, dass zwischen der Entscheidung zu sterben und ihrem Selbstmord­versuch weniger als 10 Minuten lagen.[11]

Besonders dramatisch sind solche Fälle, in denen Männer, oftmals im hohen Alter erst ihre Partnerinnen ermorden und sich anschließend selbst richten. 2024 war dies bei 7 der 27 Frauenmorde der Fall.

In diesen Fällen zeigt sich, dass der Zugang zu Waffen einen bereits gefährlichen und gewaltsamen Akt tödlich und endgültig macht.

Eine international erfolgreiche Methode, um illegale Waffen im Umlauf einzuschrän­ken, sind Rücknahmeprogramme der Waffenbehörden, bei denen Inhaber illegaler Waffen, mit Anreizen aktiv dazu aufgefordert werden, ihre Waffen abzugeben und dabei keine Strafen für den illegalen Besitz fürchten müssen. Nach einem Massaker im Jahr 1996 verschärfte zB Australien seine Waffengesetze drastisch. Über 650.000 Schusswaffen wurden für mehr als 200 Mio. Euro zurückgekauft und eingeschmol­zen. Laut einer Studie der Australian National University gingen sowohl Suizide mit Schusswaffen als auch Tötungsdelikte deutlich zurück.[12]

Großbritannien führte 2025 ein gezieltes Programm für einen einzigen Waffentyp durch. Innerhalb von 25 Tagen wurden fast 3.000 Waffen abgegeben.[13]

In Österreich gab es in den 1990er Jahren ein gezieltes Programm. Nachdem 1995 Pumpguns (Vorderschaft-Repetierflinten) verboten wurden, wurden allerdings von rund 60.000 im Umlauf stehenden Waffen nur etwa 10.000 abgegeben oder regis- triert.[14]

Um ein Rückgabeprogramm illegaler Waffen gezielt durchzuführen, ist es notwendig, valide Daten wie Typ, Alter, Herkunft und Wert der Waffen zu haben. Solche Daten können auf unterschiedlichste Weise erhoben werden.

Zum einen gibt es die Möglichkeit polizeiliche Daten von Hausdurchsuchungen, Grenzkontrollen oder über Straftaten auszuwerten, bei denen Waffen sichergestellt wurden. Eine weitere gängige Methode stellt das „Tracing“ dar – dabei wird rückver­folgt, ob Waffen legal importiert wurden oder illegal in den Umlauf gebracht werden. Insbesondere ein Vergleich über die Jahre hinweg, würde es erlauben, gewisse Trends und Entwicklungen zu erkennen.

Auch Schätzungen und Hochrechnungen können herangezogen werden. Die Genfer Organisation „Small Arms Survey“ arbeitet mit einer Kombination aus Vergleichen aus über die Jahre registrierten Waffen, Fragebögen, Experteneinschätzungen und Ländervergleichen, um eine Schätzung zur Zahl des weltweiten zivilen Waffenbesit­zes zu erstellen.[15]

Auch die Vereinten Nationen arbeiten intensiv an der Beseitigung des illegalen Waf­fenhandels und erarbeiteten 2001 ein Programm zur Bekämpfung[16], das ein eigenes Instrument entwickelte, um Staaten in die Lage zu versetzen, illegale Kleinwaffen und leichte Waffen zeitnah und verlässlich zu identifizieren und zurückzuverfolgen. Öster­reich ist Vertragsstaat.

Somit sollte der Innenminister die Möglichkeit haben, Schätzungen über den Bestand illegaler Waffen in Österreich vorzunehmen und auf deren Basis zielgerichtete, wirk­same Rückgabeprogramme durchzuführen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)    Wie viele illegale Waffen sind Ihren Schätzungen zu Folge in Österreich im Um­lauf?

a.    Auf welchen Informationen basieren diese Schätzungen?

2)    Wie viele Funde von illegalen Waffen wurden 2015 bis 2024 von Ihren Behörden gemacht? Bitte schlüsseln Sie nach Jahren auf.

a.    Um wie viele Waffen handelte es sich hierbei?

b.    Welchen Waffen-Kategorien sind diese Waffen zuzuordnen?

c.    Welche Herkunft haben diese Waffen? Wie viele kommen aus dem Aus­land und woher stammen sie? Wurden Waffen aus den Beständen von (ausländischen) Sicherheitskräften gefunden?

d.    Wie alt sind bzw. waren diese Waffen? Welche Entwicklungen lassen sich hier erkennen?

e.    Welchen Wert haben diese Waffen durchschnittlich? Ist ihr Wert in den vergangenen Jahren grundsätzlich gestiegen oder gefallen?

f.     Wie häufig wurden von diesen Waffen Seriennummern entfernt?

3)    Welche Entwicklungen lassen sich auf Basis der Waffenfunde erkennen? Wie verhalten sich diese Entwicklungen im EU-Vergleich?

4)    Welche Entwicklungen lassen sich im Bereich 3D-gedruckter Waffen bzw. selbst­gefertigter Waffen erkennen?

5)    Wie oft standen Funde illegaler Waffen im Zusammenhang mit

a.    islamistischem Extremismus?

b.    Linksextremismus?

c.    Rechtsextremismus und Funden von NS-Devotionalien?

d.    Organisierter Kriminalität?

e.    Suchtmittel-Kriminalität?

f.     anderer extremistischer oder krimineller Gruppierungen wie „Incels“ oder Staatsverweigerer?

6)    Wie viele Diebstähle registrierter Waffen wurden in den Jahren 2015-2024 ange­zeigt? Können hier bestimmte Entwicklungen erkannt werden?

7)    Wie werden von Ihren Behörden bei Amtshandlungen gefundene illegale Waffen systematisch erfasst, um eine Grundlage für Schätzungen der Anzahl der im Um­lauf befindlichen illegalen Waffen zu schaffen?

8)    Wie viele Waffen wurden in den Jahren zwischen 2015-2024 gem. § 50 Abs. 3 WaffG an die Behörden abgeliefert? Bitte schlüsseln sie nach Jahren und Waffen­typen auf.

9)    Welche Schritte hat das Innenministerium in den Jahren 2015-2024 unternom­men, um Besitzer:innen illegaler Waffen zu deren Abgabe an die Behörden gem. § 50 Abs. 3 WaffG zu bewegen?

10) Welche Schritte hat das Innenministerium in den Jahren 2015-2024 unternom­men, um die Bevölkerung über die Möglichkeit zur straffreien Abgabe illegaler Waffen an die Behörden gem. § 50 Abs. 3 WaffG aufzuklären?

11) Was passiert mit illegalen Waffen, die von Ihren Behörden in Gewahrsam ge­nommen werden?

12) Wie viele Pumpguns (Vorderschaft-Repetierflinten) waren bis zu deren Verbot 1995 registriert?

a.    Wie viele wurden nach dem Verbot zurückgegeben?

b.    Wie vielen wurden nach dem Verbot neu registriert?

c.    Wie viele Pumpguns wurden seit dem Verbot bei Hausdurchsuchungen in Österreich sichergestellt?

d.    Sind Ihnen Fälle bekannt, bei denen in Österreich vor 1995 registrierte Pumpguns im Ausland in Erscheinung traten (zum Beispiel, weil sie regis­triert wurden oder bei Verbrechen verwendet wurden)?

13)  Welche Schritte wurden seitens des Innenministeriums seit der ersten Rücknah­meaktion 1995 unternommen, um die Besitzer:innen der restlichen, in Umlauf ge­bliebenen Pumpguns zur Rückgabe zu bewegen?

14) Wie viele Frauen wurden in den Jahren 2015-2024 durch (Ex-) Ehemänner, (Ex-)Lebensgefährten oder (Ex-)Partner im Alter über 50 Jahre erschossen?

a.    Wie viele davon wurden mit registrierten Waffen, wie viele mit nicht re­gistrierten Waffen erschossen?

b.    Welche Waffenkategorien wurden dabei genutzt?

c.    Wie viele Männer haben danach Suizid begangen oder das versucht?

15) Wie viele Suizide wurden 2015-2024 mit Schusswaffen begangen? Bitte schlüs­seln Sie nach Geschlecht und Alter auf.

a.    Wie viele der Waffen waren registriert, wie viele nicht registriert?

b.    Wie viele Waffen welcher Waffenkategorien wurden dabei jeweils genutzt?

16) Wie werden Verurteilungen oder Strafen im Zusammenhang mit Alkohol oder Suchtmitteln im Ausland bei der Überprüfung der Verlässlichkeit gem. WaffG be­rücksichtigt?

17) Wie werden aktenkundige Mitgliedschaften zu staatsfeindlichen Gruppierungen im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit gem. WaffG berücksichtigt?

18) Wie werden aktenkundige Mitgliedschaften und Sympathien zu Gruppierungen von Staatsverweigerern im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit gem. WaffG berücksichtigt?

19) Wie werden aktenkundige Mitgliedschaften und Sympathien zu Gruppierungen von „Incels“ im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit gem. WaffG berücksich­tigt?

20) Gegen wie viele Personen in Österreich besteht derzeit ein Waffenverbot?

21) Welches sind die fünf häufigsten Gründe für diese bestehenden Waffenverbote und um wie viele Fälle handelt es sich jeweils?



[1] https://kontrast.at/waffenbesitz-oesterreich/

[2] Verfassungsschutzbericht 2024, S. 144:

https://www.dsn.gv.at/501/files/VSB/205_2025_VSB_2024_V20250528_Web_BF.pdf

[3] Verfassungsschutzbericht 2024:

https://www.dsn.gv.at/501/files/VSB/205_2025_VSB_2024_V20250528_Web_BF.pdf

[4] https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/19853773/polizei-entdeckt-bei-hausdurchsuchung-373- waffen

[5]https://www.bmi.gv.at/news.aspx?id=64506C36727A344E4D426B3D#:~:text=Der%20Ursprung%20des%20Joint%20Action,Uniformteile%20und%20Abzeichen%2C%20sichergestellt%20wurden

[6] https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVIII/III/126/imfname_1671101.pdf

[7] Sicherheitsbericht 2022 und 2023

[8] https://www.bmi.gv.at/bmi_documents/3033.pdf

[9] https://smw.ch/index.php/smw/article/view/3279/5517

[10] https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3822/1/Suizidbericht_2024_bf.pdf

[11] https://smw.ch/index.php/smw/article/view/3279/5517

[12] https://www.theguardian.com/world/2016/mar/15/it-took-one-massacre-how-australia-made-gun-control-happen-after-port-arthur

[13] https://news.npcc.police.uk/releases/nearly-3-000-top-venting-blank-firers-handed-during-national-gun-amnesty#:~:text=The%20amnesty%20which%20took%20place,up%20to%2010%20years%20imprisonment

[14] https://www.derstandard.at/story/937228/von-60000-pumpguns-kamen-nur-10000-retour

[15] https://www.smallarmssurvey.org/resource/estimating-global-civilian-held-firearms-numbers

[16] Programme of Action to Prevent, Combat and Eradicate the Illicit Trade in Small Arms and Light Weapons in All Its Aspects