3110/J XXVIII. GP
Eingelangt
am 05.08.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert.
Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Barbara Neßler, Lukas Hammer, Ralph Schallmeiner, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus
betreffend Tourismus und Mobilität auf der Großglockner Hochalpenstraße: sicher, nachhaltig und klimafreundlich!
BEGRÜNDUNG
Die Großglockner Hochalpenstraße ist nicht nur eine der bekanntesten Panoramastraßen Europas, sondern auch eine der meistbefahrenen. Knapp eine Million Besucher:innen und damit rund 280.000 Autos, Motorräder, Busse zieht es jährlich auf die 48 km lange Strecke mit ihren 36 Kehren tief hinein in den national und international höchstrangig geschützten Nationalpark Hohe Tauern. Zusätzlich finden gemäß dem Motto „Das Auto oder das Motorrad sind noch heute ein Symbol für Freiheit“ (vgl. Touren für Genießer, GROHAG-Broschüre) Kfz-Leistungs- und Bremstests statt, Sicherheitstrainings, Erlebnistouren verschiedenster Automarken sowie jedes Jahr im Juni die Kitzbüheler Alpenrallye und im September ein Oldtimer- Traktoren-Event.
2024 wurde die großräumige Umfahrung über die Großglockner Hochalpenstraße von der GROHAG sogar als Staualternative für Urlaubsreisende angeboten, die dem Stau auf Tauernautobahn entkommen wollten.
Den rund 280.000 Kfz stehen 25.000 Radfahrer:innen gegenüber, die laut Management der Großglockner Hochalpenstraßen AG (GROHAG) ein Problem darstellen. Statt das enorme Potenzial des wachsenden Radverkehrs zu nutzen, um die Natur und Anrainer:innen zu entlasten, die Sicherheit zu erhöhen und einem bekanntermaßen besonders ausgabenfreudigen touristischen Gästesegment entgegenzukommen, sollen Radfahrer:innen nun an die Tagesrandzeiten gedrängt werden: Wahlweise frühmorgens zwischen 6 und 7 Uhr oder nach 15 Uhr.
Die GROHAG argumentiert damit, dass der „Radboom“ der vergangenen Jahre zu einem Anstieg von Unfällen geführt habe. Wenngleich jeder Unfall einer zu viel ist, relativieren jedoch die konkreten Zahlen diese Dramatisierung: 2023 wurden auf der Glocknerstraße insgesamt 19 Unfälle mit Personenverletzungen gezählt, davon 6 mit Fahrradbeteiligung. Diese Größenordnung rechtfertigt weder eine faktische Ausgrenzung der Radfahrer:innen noch den Verzicht auf kreativere, nachhaltige Lösungen.
Der Betrieb der Großglockner Hochalpenstraße steht in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis zur Idee des Nationalparks Hohe Tauern: ein Raum, der geschaffen wurde, um über 10.000 Tierarten und eine außergewöhnliche Pflanzenvielfalt vor den Eingriffen des Menschen zu bewahren. Klimakrise und Biodiversitätsverlust sind die größten Herausforderungen unserer Zeit. Zwar hat die GROHAG einzelne Schritte wie den Glockner-Öko-Fonds oder den Ausbau von E-Ladestationen gesetzt, gleichzeitig setzt sie aber weiterhin auf die Erhöhung des auf Sicht überwiegend fossil angetriebenen Kfz-Verkehrs, und sei es auf Kosten der umwelt- und klimaschonenden Aktiven Mobilität - das ist ein Widerspruch zu ihrer erklärten „Umwelt-Governance“.
Die Salzburger GRÜNEN forderten 2024 eine nachhaltige Lösung, die Radfahrer:innen Anrainer:innen, Natur und Klima gleichermaßen im Blick hat: einen autofreien Tag pro Monat. Dieser Vorschlag wurde von der GROHAG mit dem Hinweis auf den Umsatzentgang und auch im Landtag von ÖVP, FPÖ und SPÖ abgelehnt.
Dass autofreie Zeiten jedoch gewünscht und attraktiv sind, wurde schon vor über 20 Jahren bewiesen: Die von Ö3 mitinitiierte Charity-Aktion „Expedition Großglockner“ 2002 sperrte die Straße temporär für den motorisierten Verkehr und wurde mit großem öffentlichen Zuspruch (über 11.000 Teilnehmende) durchgeführt. Solche autofreien Zeiten sind also machbar, sicher und beliebt, damals wie heute.
Angesichts eines Jahresüberschusses der GROHAG von zB zuletzt rund 970.000 Euro im Jahr 2024 und des vielfachen Bekenntnisses auch der aktuellen Bundesregierung zu nachhaltiger Tourismusmobilität stellt sich die Frage, warum eine Aktiengesellschaft in öffentlicher Hand (Bund, Kärnten, Salzburg) nicht in der Lage sein soll, einen autofreien Tag pro Monat einzurichten. Statt Motorrad-Rallyes, Traktor-WMs und „Stauumfahrungs-Angeboten“ für Autos braucht es zukunftsfähige und nachhaltige Lösungen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
Zu den Erfahrungen mit autofreien Aktionen:
1) Welche autofreien Aktionen der letzten 25 Jahren auf den Alpenstraßen im Verantwortungsbereich der GROHAG sind Ihnen bekannt (bitte Auflistung nach Straße, Datum, Anlass, Dauer der Sperre und Beteiligten)?
2) Welche finanziellen, organisatorischen und logistischen Erkenntnisse wurden aus der Ö3-Aktion „Expedition Großglockner“ 2002 gewonnen?
3) Welche Resonanz der Bevölkerung, der Medien und der Tourismuswirtschaft gab es auf die Aktion 2002?
4) Nach welchen Kriterien entscheidet die GROHAG bei der Durchführung von autofreien Aktionen?
Zur finanziellen Lage der GROHAG:
5) Wie hoch waren die Jahresüberschüsse der GROHAG jeweils in den Jahren 2020 bis 2024?
6) Welche Dividenden wurden von der GROHAG jeweils in den Jahren 2020 bis 2024 an den Bund ausgeschüttet?
7) Welche finanziellen Auswirkungen (entgangene Einnahmen) werden von der GROHAG für einen autofreien Tag pro Monat auf der Großglockner Hochalpenstraße geschätzt?
8) Wurde im Zusammenhang mit der Aktion „Expedition Großglockner“ 2002 oder in den Jahren seither jemals eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Einführung regelmäßiger autofreier Zeiten a) auf der Großglockner Hochalpenstraße, b) auf einer der sonstigen Straßen der GROHAG erstellt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
9) Inwiefern wäre es aus Ihrer Sicht vertretbar, dass eine mehrheitlich öffentliche Aktiengesellschaft mit wiederkehrenden Überschüssen zusätzliche Mittel für eine sichere, nachhaltige Maßnahme mit hoher touristischer Bedeutung und Werbewirkung - und entsprechenden direkten und indirekten Rentabilitäten nicht zuletzt für den Bundeshaushalt - bereitstellt?
Zu Zukunftsperspektiven:
10)Sehen Sie Möglichkeiten, die GROHAG zur Einführung eines regelmäßig wiederkehrenden autofreien Tages oder auch Halbtages (z. B. einmal monatlich) anzuhalten?
11)Wären hierfür geänderte rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig, wenn ja welche?
12)Wurden Gespräche zwischen der Bundesregierung, der GROHAG und Interessenvertretungen von Radfahrer:innen zu diesem Thema geführt? Wenn ja, wann, von wem seitens des Bundes, und mit welchen Ergebnissen?
13)Falls Sie keine Möglichkeit im Sinne von Frage 10 sehen: Warum nicht?
14)Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung und insbesondere Ihr Ressort, um den nichtmotorisierten Verkehr auf touristischen Alpenstraßen generell zu fördern und sicherer zu gestalten?