3114/J XXVIII. GP

Eingelangt am 07.08.2025
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Meri Disoski, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Einsatz für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch auf EU-Ebene

BEGRÜNDUNG

Das Europäische Parlament hat sich im April 2024 mit deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen, das Recht auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union aufzunehmen. Dies stellt einen wichtigen Schritt dar, um einerseits die reproduktiven Rechte von Frauen und gebärfähigen Personen in der Europäischen Union zu stärken und sie andererseits vor zunehmenden Einschränkungen in einzelnen Mitgliedstaaten zu schützen, die mit Schikanen ihr Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper beschneiden.

Auch internationale Institutionen und menschenrechtliche Verpflichtungen, denen Österreich unterliegt, betonen die Notwendigkeit, den Zugang zu Schwangerschaftsabbruch als Teil der Grund- und Menschenrechte abzusichern. Wie unter anderem der Europarat 2022 festhält, untergräbt der behinderte Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechten die Rechtssicherheit – und damit ein wesentliches Element der Rechtsstaatlichkeit, zu deren Schutz die nationalen Behörden verpflichtet sind.[1]

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont in ihren evidenzbasierten Richtlinien von 2022, dass der Zugang zu sicherem Schwangerschaftsabbruch ein wesentlicher Bestandteil der Gesundheitsversorgung und der reproduktiven Selbstbestimmung ist.

Österreich ist zudem seit 1. August 2014 Vertragsstaat der Istanbul-Konvention. Diese verpflichtet zur Verhinderung und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt – wozu auch strukturelle Gewalt durch die Einschränkung reproduktiver Gesundheitsleistungen zählen kann.

Im Rahmen des dritten Universal Periodic Review (UPR) durch den UN- Menschenrechtsrat im Jahr 2021 hat Österreich die Empfehlung 139.126 angenommen, die explizit fordert, den Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten, insbesondere zu Abtreibung, zu gewährleisten. Diese Empfehlung wurde bislang nicht umgesetzt. Aktuell läuft der vierte UPR-Zyklus, in dessen Rahmen die österreichische Zivilgesellschaft erneut eindringlich die Umsetzung dieser zentralen menschenrechtlichen Verpflichtung einfordert. Im konkreten Point of Action 105 (PoA 105) wird festgehalten, dass Frauen ein Recht haben, über Schwangerschaft zu entscheiden, und dass die bestehenden Regelungen zur Fristenlösung keinesfalls aufgeweicht und verschlechtert werden dürfen. Diese Forderungen machen deutlich, dass auch aus zivilgesellschaftlicher Sicht dringender Handlungsbedarf besteht – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.

Während etwa Frankreich im März 2024 das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ausdrücklich in seiner Verfassung verankert hat, bleibt Österreich im europäischen Vergleich weiterhin deutlich zurück.[2] In vielen west- und nordeuropäischen Staaten – wie etwa den Niederlanden, Belgien, Schweden oder Dänemark – ist der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht nur entkriminalisiert, sondern gilt als Teil einer umfassenden Gesundheitsversorgung, die aktiv gefördert wird. In Österreich hingegen ist der Schwangerschaftsabbruch nach wie vor im Strafgesetzbuch geregelt (§ 96 ff. StGB) und nur innerhalb der sogenannten Fristenlösung straffrei – allerdings ohne Anspruch auf flächendeckenden, wohnortnahen oder kostenlosen Zugang. Gerade in ländlichen Regionen ist die Versorgungslage prekär; öffentliche Spitäler führen Abbrüche häufig gar nicht durch, im Burgenland gibt es keine einzige Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Diese unzureichende Regelung und fehlende strukturelle Absicherung führen somit dazu, dass Österreich in internationalen Rankings zur reproduktiven Selbstbestimmung im unteren Mittelfeld rangiert. Vor diesem völker- und menschenrechtlichen Hintergrund ist die Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in der EU-Grundrechtecharta ein notwendiger Schritt, um reproduktive Rechte europaweit rechtlich abzusichern. Angesichts bestehender Versäumnisse besteht dringender Handlungsbedarf – sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Österreich sollte sich daher klar, offensiv und mit Nachdruck für die Aufnahme des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch als Teil der reproduktiven Grundrechte in die EU-Grundrechtecharta einsetzen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1. Unterstützen Sie die Aufnahme des Rechts auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union?

2. Wenn nein, wieso nicht?

3. Wenn ja, gab es seitens Ihres Ressorts bereits Initiativen, Stellungnahmen oder Maßnahmen, die dieses Ziel auf EU-Ebene fördern?

4. Haben Sie sich im Rahmen von EU-Gremien (z.B. Rat der EU, informelle Minister:innentreffen, bilaterale Gespräche) bereits für dieses Anliegen eingesetzt oder planen Sie, dies zu tun?

5. Wenn nein, wieso nicht?

6. Wenn ja, inwiefern? Mit der Bitte um genaue Darstellung.

7. Wie beurteilen Sie die Rolle Österreichs im aktuellen europäischen Diskurs zu reproduktiven Rechten?

8. Welche konkreten Schritte sind von Ihrem Ressort geplant, um sich aktiv für reproduktive Rechte – insbesondere für das Recht auf einen legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch – auf europäischer und nationaler Ebene einzusetzen?

9. Unterstützen Sie und Ihr Ressort die Forderungen[3] der EU-weiten Bürgerinitiative My Voice, My Choice[4]?

10. Wenn nein, wieso nicht?

11. Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie und Ihr Ressort ergreifen, um diese Forderungen auf EU-Ebene umzusetzen?



[1] https://pace.coe.int/en/files/30069/html

[2] Vgl. Abortion Atlas: IVG: ATLAS EUROPEEN DES POLITIQUES PUBLIQUES - Edition Anniversaire '50 Ans De La Loi Veil' | EPF

[3] https://citizens-initiative.europa.eu/initiatives/details/2024/000004_de

[4] https://www.myvoice-mychoice.org/de