3142/J XXVIII. GP
Eingelangt am 14.08.2025
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Anfrage
der Abgeordneten Agnes-Sirkka Prammer, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend: Von Frauenmorden bis Suizidprävention – dringende Fragen zum Waffenrecht
Seit dem schrecklichen Massenmord in Graz im Juni 2025 wird in Österreich erneut intensiv über das Waffengesetz diskutiert. Rasch wurde bekannt, dass der 21-jährige Todesschütze trotz psychologischer Auffälligkeiten die Verlässlichkeitsprüfung für den Waffenschein bestanden hatte und die für seinen Angriff verwendeten Waffen legal erwerben konnte. Zuvor hatte das Bundesheer ihn aus psychologischen Gründen bereits für Untauglich erklärt.
Gewalttaten mit Schusswaffen sind in Österreich leider keine Seltenheit. In den vergangenen Jahren wurden jährlich rund 750 Straftaten unter Einsatz von Schusswaffen begangen.[1] Bei Morden und Mordversuchen an Frauen stieg der Anteil legaler Waffen in den vergangenen Jahren auf fast 50%. Das Risiko, dass ein Angriff gegen eine Frau bei Einsatz einer Schusswaffe tödlich endet, beträgt rund 62 %.[2] Aus diesem Grund wurde 2021 ein automatisches Waffenverbot bei der Verhängung eines Annäherungs- und Betretungsverbots beschlossen.
Noch höher ist die Gefahr eines tödlichen Ausgangs bei Suiziden mit Schusswaffen: Etwa 90 % der Suizidversuche mit Schusswaffen enden tödlich, während bei allen Suizidversuchen zusammengenommen nur rund 8,5 % tödlich verlaufen[3]. Im Jahr 2024 gab es in Österreich rund 230 Suizide durch Schusswaffen, was etwa 19 % aller Suizide entsprach.[4] Ein wesentlicher Faktor dabei ist der leichte Zugang zu Waffen und Munition, insbesondere da die meisten Suizidhandlungen impulsiv erfolgen. Nahezu 50 % der Überlebenden von Suizidversuchen berichten, dass zwischen der Entscheidung, sich das Leben zu nehmen, und dem Versuch weniger als zehn Minuten lagen.[5]
Besonders tragisch sind Fälle, in denen Männer, häufig im höheren Alter, zuerst ihre Partnerin töten und sich anschließend selbst das Leben nehmen. Im Jahr 2024 traf dies auf 7 der 27 in Österreich verübten Frauenmorde zu. Diese Fälle verdeutlichen, dass der Zugang zu Schusswaffen eine bereits gefährliche Situation häufig tödlich und endgültig macht.
Auch Unfälle mit Schusswaffen sind keine Ausnahme. Immer wieder kommt es vor, dass Jäger:innen beim Hantieren mit Waffen oder durch unsachgemäße Lagerung sich selbst oder andere verletzen.[6] Eine Anfrage der Grünen Landtagsabgeordneten Anne-Sophie Bauer hat gezeigt, dass die Verlässlichkeit von Jäger:innen nur äußerst selten durch ein psychologisches Gutachten überprüft wird: In Oberösterreich wurden in den vergangenen zehn Jahren 8.118 Jagdkarten ausgestellt, jedoch nur in sieben Fällen ein solches Gutachten verlangt. Mehr als 99,9 % der Jäger:innen mussten also keinen gesonderten psychologischen Eignungsnachweis erbringen. Auch der Entzug von Jagdkarten erfolgt nur in Ausnahmefällen: Bei 21.500 Jäger:innen in Oberösterreich wurde in den vergangenen zehn Jahren lediglich 20-mal die Jagdberechtigung zumindest vorübergehend entzogen.[7] Das ist deshalb problematisch, da Jäger:innen keinen weiteren Nachweis über ihre psychologische Verlässlichkeit zum Erwerb von Kat. B Waffen benötigen und die sonst vom Gesetz geforderten Standards mit ihrem Jagdschein umgehen können.
Eigentlich schreibt das Gesetz eine sichere Verwahrung von Waffen vor, um den Zugriff unbefugter Personen zu verhindern. Die Praxis sieht jedoch häufig anders aus: Vier Prozent der Waffenbesitzer:innen bewahren ihre Waffen im Nachtkästchen oder Schreibtisch auf, acht Prozent unter dem Kopfpolster oder Bett, und 20 % halten herkömmliche (nicht gesicherte) Schränke für ausreichend. Der leichte Zugang zu Schusswaffen und der sorglose Umgang mit der Verwahrung stellen somit ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.
Ein Problem in der Erarbeitung wirksamer Lösungen ist allerdings die unzureichende Datenlage. Zwar lassen sich bestimmte Zahlen aus den Datenbanken des BMI auslesen oder in wissenschaftlichen Studien finden, dennoch bestehen große Lücken. Eine Verknüpfung verschiedener Datenbanken ist offenbar technisch, gesetzlich oder organisatorisch nicht möglich, und die Bundesländer-Zuständigkeit für Jagdangelegenheiten sowie die Auslagerung der Verlässlichkeitsprüfungen an private Psycholog:innen erschweren eine vollständige Erhebung. Manche Daten werden überhaupt nicht erfasst – insbesondere im Bereich des Verfassungsschutzes, der Extremismusprävention und der Bewaffnung extremistischer Personen. Der Innenminister erklärte in einer mündlichen Anfragebeantwortung, dass diese Erhebungen nicht in seinen Vollzugsbereich fallen und es keine gesetzliche Grundlage für deren Erhebung gebe.[8]
Gleichzeitig hat die von der Bundesregierung angekündigte Reform des Waffengesetzes im Juni 2025 zu einem regelrechten Boom auf dem Waffenmarkt geführt und damit die Situation sogar weiter verschärft. Viele Personen wollen offenbar noch vor Inkrafttreten der neuen Regelungen Waffen erwerben, da diese nicht für bereits vorhandene Waffenbesitzer:innen gelten sollen. Sollte das Gesetz wie geplant im Oktober beschlossen werden, könnten nach aktuellen Berechnungen bis dahin rund 21.000 zusätzliche Waffen ohne strengere Verlässlichkeitsprüfung in Umlauf kommen – das entspricht etwa 180 Waffen pro Tag.[9]
Angesichts dieser Entwicklungen ist eine präzise und umfassende Datengrundlage dringend erforderlich, um die Wirksamkeit bestehender Gesetze zu bewerten, gezielt wirksame Verschärfungen des Waffenrechts zu erarbeiten und Sicherheitslücken zuverlässig zu schließen. Die folgenden Fragen sollen dazu beitragen, diese Lücken zu schließen und die politische Debatte zu fundieren.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
Transparenz und Datenlage Waffenregister
1) Warum werden die Zahlen des Waffenregisters nicht regelmäßig auf der Website des BMI veröffentlicht?
a. Ist eine Veröffentlichung im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes geplant? Werden dabei Typ, Kategorie und Bezirk ausgewiesen sein? Wenn nein, warum nicht?
2) Wie viele Waffen wurden zwischen der Ankündigung am 18. Juni 2025 und dem 1. Oktober 2025 neu registriert? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern bzw. Bezirken.
a. Wie viele Neuregistrierungen gab es wegen Neukaufen, wie viele Waffen wurden nachregistriert?
b. Wie viele neue Waffenbesitzer:innen gab es in diesem Zeitraum?
c. Wie viele davon waren unter 25 Jahren?
3) Wie viele Waffenbesitzer:innen unter 25 Jahren gibt es insgesamt?
a. Wie viele Personen davon sind unter 18 Jahren?
4) Wie viele Waffenbesitzer:innen über 25 Jahre gibt es insgesamt? Bitte um genaue Aufschlüsselung nach Altersgruppen.
5) Was ist die durchschnittliche Anzahl an Waffen pro registrierter Besitzer:in?
a. Wie hat sich diese Zahl zwischen 2015 und 2025 entwickelt?
b. Was ist die höchste Anzahl an Waffen, die einzelne Privatpersonen registriert haben?
c. Gibt es eine Obergrenze?
d. Gibt es ab einer bestimmten Waffenanzahl oder bei hoher Bevölkerungsdichte in der Nachbarschaft strengere Überprüfungen (z. B. häufigere Kontrollen der Verwahrung)?
6) Wie erklären Sie den markanten Anstieg an Kategorie-A-Waffen zwischen 2020 und 2023?
a. Wie viele dieser neu registrierten Kategorie-A-Waffen waren zuvor einer anderen Kategorie zugeordnet?
b. Was sind die Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, um eine Kat. A Waffe zu registrieren?
c. Wie viele Personen haben Kat. A Waffen registriert?
d. Welche Art von Waffen werden als Kat. A Waffen registriert? Gibt es hier eine Aufschlüsselung der häufigsten Waffentypen?
7) Eine Waffenregisterbescheinigung kann über das Online-Service "Zentrales Waffenregister" über oesterreich.gv.at kostenfrei beantragt und ausgestellt werden.[10] Ein Ausstellung einer Meldebestätigung aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) kostet hingegen bis zu 24 Eur.[11] Wie kommt diese unterschiedliche Bearbeitungsgebühr bei Registern Ihres Ministeriums zustande?
8) Wann war die letzte Anpassung der Kosten für den Erwerb aller waffenrechtlichen Dokumente und der Verlässlichkeitsprüfung?
Jäger:innen und Jagdkarten
9) Wie viele Jagdkarten wurden in den vergangenen zehn Jahren ausgestellt?
a. Wie viele Waffen befinden sich im Besitz von Jäger:innen?
b. Wie viele Jäger:innen besitzen mindestens eine Waffe?
c. Wie viele Waffen besitzen Jäger:innen im Durchschnitt?
10) Wie wird die Verlässlichkeit von Jäger:innen überprüft?
a. Wie oft wird die Verlässlichkeit negativ beschieden?
b. Wie viele Straftaten mit Schusswaffengebrauch wurden zwischen 2020 und 2025 von Jäger:innen verübt?
11) Wie wird mit Schützen- oder Jagdvereinen zusammengearbeitet, um die Sensibilität für auffälliges Verhalten von Mitgliedern zu erhöhen und gegebenenfalls einzugreifen?
Gewaltprävention und Waffenverbote
12) In der Anfragebeantwortung „Waffengewalt gegen Frauen in Österreich“ (199/AB) vom 10.2.2025 wurde mitgeteilt, dass keine Daten zu folgenden Themen geführt werden:
a. wie viele Morde durch Personen mit gültiger Jagdkarte begangen werden,
b. bei wie vielen Morden im Vorfeld ein Annäherungs- und Betretungsverbot nach § 38a SPG gegen den Täter ausgesprochen wurde,
c. wie viele Schusswaffen aufgrund des automatischen Waffenverbots bei Annäherungs- und Betretungsverboten nach § 38a SPG abgenommen wurden.
Erheben Sie diese Daten mittlerweile oder planen Sie, diese zu erheben? Wenn nein, wieso nicht?
d. Falls ja, Wie viele Waffen wurden aufgrund eines Annäherungs- und Betretungsverbots 2025 abgenommen? Wie viele davon wurden später wieder zurückgegeben? Wie viele Waffenverbote wurden nach einem Annäherungs- und Betretungsverbot wieder aufgehoben?
13) In Anfrage 199/AB wurde angegeben, dass keine Aufzeichnungen darüber geführt werden, wie viele Verlässlichkeitsprüfungen es jährlich gibt und wie viele davon negativ ausfallen. Erheben Sie diese Daten mittlerweile? Wenn nein, wieso nicht?
a. Wie wird sichergestellt, dass die Verlässlichkeitsprüfung tatsächlich Gefährder erkennen kann und diese vom Waffenzugang ausgeschlossen werden? Werden dabei zum Beispiel Instrumente wie „Vera-2r“ für die Erkennung von Extremisten verwendet?
b. Wie kontinuierlich wird die Verlässlichkeitsprüfung an die jeweils aktuellen wissenschaftlichen Standards der psychologischen Diagnostik angepasst?
c. Wann war die letzte Anpassung des Prüfungsverfahrens für die Erstellung psychologischer Gutachten?
14) Welche Maßnahmen setzt das BMI im Bereich der Suizidprävention (insbesondere im Zusammenhang mit Schusswaffen)?
a. Wird bei einer Suizidankündigung am Notruf ein Abgleich mit dem Waffenregister durchgeführt?
b. Führt eine Suizidankündigung am Notruf zu einem Waffenverbot?
c. Wie oft kam es in den vergangenen Jahren aufgrund einer Suizidankündigung zu einem Waffenverbot?
15) Wie viele Ausnahmen vom gesetzlichen Waffenverbot für Zivildienstleistende (§ 12 WaffG) wurden in den Jahren 2015 bis 2025 erteilt? Bitte um jährliche Aufschlüsselung.
Kontrolle und Verwahrung
16) Wie viele Überprüfungen der Polizei zur ordnungsgemäßen Verwahrung von Waffen wurden im Jahr 2024 durchgeführt?
a. Welche Kriterien werden dabei überprüft
b. Wie häufig wurden dabei Missstände festgestellt?
c. Wie häufig kam es 2024 aufgrund von unsachgemäßer Verwahrung zu Waffenverboten?
d. In welchem zeitlichen Abstand werden Überprüfungen durchgeführt?
17) Wie viele Unfälle mit Schusswaffen passieren jährlich in Österreich? Bitte um Aufschlüsselung seit 2015.
a. Falls diese Zahlen nicht beim BMI vorliegen: Welche Behörde führt diese Daten?
Produktion und Handel
18) Wie viele Schusswaffen werden jährlich in Österreich produziert? Bitte um Aufschlüsselung nach Waffenkategorie.
a. Wie viele werden exportiert?
b. Wie viele davon werden im Inland verkauft?
19) Wie werden Waffenhändler:innen auf ihre Verlässlichkeit überprüft?
a. Wie häufig werden sie überprüft und welche Standards werden dabei kontrolliert?
[1] Sicherheitsbericht 2022 und 2023
[2] Untersuchung Frauenmorde – eine quantitative und qualitative Analyse: https://www.bmi.gv.at/bmi_documents/3033.pdf
[3] https://smw.ch/index.php/smw/article/view/3279/5517
[4] https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3822/1/Suizidbericht_2024_bf.pdf
[5] https://smw.ch/index.php/smw/article/view/3279/5517
[6] https://www.nachrichten.at/panorama/chronik/41-jaehriger-bei-jagdunfall-in-suedoststeiermark-verletzt;art58,4002939; https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/schuss-loeste-sich-beim-hantieren-mit-waffe-innviertler-jaeger-tot/402935813; https://kurier.at/chronik/oberoesterreich/schuss-loeste-sich-beim-hantieren-mit-waffe-innviertler-jaeger-tot/402935813
[7] https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/warum-jaeger-einfacher-an-waffen-kommen;art4,4021936
[8] https://www.parlament.gv.at/aktuelles/pk/jahr_2025/pk0437
[9] https://www.krone.at/3864087
[10] https://www.oesterreich.gv.at/de/themen/gesetze_und_recht/waffenrecht/Seite.2450100
[11] https://www.oesterreich.gv.at/de/themen/persoenliche_dokumente_und_bestaetigungen/an__abmeldung_des_wohnsitzes/Seite.1180300